Daniel Schreiber – Allein
von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...
Ich habe bereits Daniel Schreibers Biographie über Sontag und sein Essay „Zuhause“ sehr geliebt. Auch dieses Buch von Daniel Schreiber mit dem Titel „Allein“ hat mir sehr gefallen.
Wie lebt man als queerer Mann allein in einer Gesellschaft, die auf das Ideal der heterosexuellen, konditionierten Zweisamkeit mit ein bis drei Kindern getrimmt ist und traditionell binäre soziale Modelle bevorzugt? Wie einsam ist man mitten in der Pandemie, einer Zeit in der Schwebe? Was macht uns aus? Muss Leben Sinn haben oder lebt es sich auch ganz gut ohne? Haben Stricken, Häkeln und Gärtnern therapeutischen Wert?
Viele Menschen leben allein, freiwillig oder gezwungener Maßen. Was manchmal Freiheit und Selbstbestimmtheit sein kann, löst zu anderer Zeit einen unstillbar erscheinenden emotionalen Hunger aus, verursacht seelischen Schmerz. Alleinsein ist schambesetzt. Menschen, die alleine leben, fühlen sich oft, als scheiterten sie, weil sie die Gesellschaftsideale nicht erfüllen können oder wollen. Alleinsein wird als Indiz für die eigene Unbedeutsamkeit und fehlende Attraktivität wahrgenommen. Und doch: Alleinleben ist eine Lebensform unter vielen möglichen Optionen. Sich völlig abzuschotten jedoch, macht krank. Menschen sind soziale Wesen, spiegeln und erfahren sich in Anderen, was nicht gegen das Alleinleben spricht. Freundschaften spielen eine wesentliche Rolle bei der Ausrichtung, nicht nur des Lebens als Single. Sie können je nach Konstrukt zu unverbindlich und fragil sein, um Halt und soziale Orientierung zu geben oder sinnstiftend, tröstend und gemeinschaftsbildend wirken.
Schreiber bemüht eigene Erfahrungen und Lektüren, zitiert PhilosophInnen und SoziologInnen, um all die Fragen rund um das Alleinsein, die Einsamkeit, die Liebe, Familie und Freundschaft zu beleuchten. Er laviert sicher, sehr persönlich und offen durch die Minenfelder der Emotionen, Theorien und Erlebnisse, beschreibt Sehnsüchte und Enttäuschungen. Wir haben Teil auch an der Hoffnung, an der Entwicklung hin zu selbstwirksamen Methoden und Erkenntnissen, die uns zeigen, wie ein Leben, mit all seinen Unwägbarkeiten allein oder zu mehreren geführt werden kann und darf.
Daumen hoch! Dicke Empfehlung!
© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.
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