Ausgegeben – Moneten, Knete, Kohle

Das Ei des Raimund Güldenreich

Vom Mittelpunkt der Welt

Für Raimund Güldenreich war das Ei die Welt, die er in ihre Einzelteile zerlegte und sich einverleibte. Er aß jeden Tag eines zum Frühstück. Die Hühner und Enten in der Voliere hinter dem Haus sorgten für ausreichenden Nachschub. Es war, als verliehen ihm allein Weiß und Dotter die Macht, die er täglich auszuüben trachtete. Güldenreich bevorzugte sie hartgekocht oder kross, von beiden Seiten gebraten und hielt nichts von ihrem weichen Kern. Seine Haushälterin Mathilde fragte trotz seiner Gewohnheit jeden Tag freundlich nach: „Wünschen Sie eine Eierspeise?“ Er antwortete nie und Mathilde servierte ihm abwechselnd ein gekochtes oder ein gebackenes. Entweder schnitt er das aus der Pfanne kommende in vier gleich große Teile, um sie dann in vier Happen herunterzuschlingen oder er zerschlug mit dem Löffel die Schale des Gekochten am Kopf, um anschließend die Spitze zu kappen und das Ei auszuhöhlen bis zum letzten Fetzchen. Weiterlesen

image_print