Juli Zeh – Nullzeit
von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...
Juli Zehs Roman „Nullzeit“ spielt auf der Urlaubsinsel Lanzarote. Berichtet wird einmal aus der Perspektive eines Tauchlehrers und aus der einer Urlauberin, die bei ihm und seiner Frau, die dort seit über einem Jahrzehnt gemeinsam eine Tauchschule mit angeschlossener Pension betreiben, Ferien macht. Die Urlauberin und ihr Mann verlieren sich in zerstörerischen Kämpfen. Der Tauchlehrer ergreift Partei und verliebt sich in die Urlauberin.
Im Verlauf des Romans weichen die beiden Perspektiven – die Erzählung des Tauchlehrers und die Tagebucheintragungen der Urlauberin – immer mehr voneinander ab. Wir wissen nicht mehr, wer von beiden die Wahrheit erzählt.
Glänzend aufgebaut, spannend erzählt. Dicke Leseempfehlung!
Ergänzung und weil‘s mich so oft ärgert: Manch KritikerInnen vergreifen sich an Texten von Juli Zeh und lästern, es handele sich nicht um Literatur. Mir ist das ziemlich schnurz. Als ehemalige Buchhändlerin habe ich immer schon alles gelesen, was mir unter die Finger kam. Es galt, gut ist, was mir gefällt und das änderte sich, je nach Befindlichkeit, Alter und Lektüreerfahrung. Zwar gibt es auch bei mir gewisse Grenzen – wenn eine/r allzu sehr in die Klischee-Kiste greift, zum Beispiel – oder das Buch und ich einfach kein Paar werden wollen, ich mich nicht berührt fühle oder wenn es zu sehr aus der Zeit fällt, also beispielsweise ein Frauenbild wiedergibt, das mir gegen den Strich geht. Aber, wie Arno Geiger betont, man muss „mehr Alltägliches lesen, Zweitrangiges, Vorläufiges, Verworfenes“ und „das Alltägliche und Beiläufige zeigt uns … eher so, wie wir sind, nicht so wie wir gerne wären. Das Raue tritt in den Vordergrund, das unvermittelt Ehrliche, das Verzweifelte, das Niederträchtige, das Zärtliche, vermischt mit Unbeholfenheit“. Das hat mir sehr gefallen.
Juli Zehs Bücher bleiben dicht am Menschen. Ja, auch sie sind komponiert, bewusst konstruiert, auf ein Ziel aus und daher hinkt der Vergleich etwas. Was ich meine ist, es ist unnötig, Geschriebenes stets nur am Erreichen stilistischer Brillanz und Originalität zu messen. Nicht immer erfasst Hochliteratur, was Menschlichkeit ausmacht, verliert sich im intellektuellen Herumspinnen, liebt die Form mehr, als den Inhalt. Ja, Sprache kann LeserInnen Spaß machen. Das Handwerk kann begeistern. Ich schaue einer/m AutorIn gerne beim Jonglieren mit Worten zu. Die Geschichte aber, die erzählt wird, ist mindestens genauso wichtig. Dass mich ein Text im Innersten erreicht und in einen Dialog mit mir tritt. Hochgeistiges lässt viele Menschen zurück und es ist ein Unding, dass sich jene, die sich hier zugehörig fühlen, die die Techniken und Sprache dieser sogenannten Elite beherrschen, über alle anderen erheben. Wo ist ihre Fähigkeit zum Gespräch, zur Weitergabe ihres Wissens, über die üblichen Grenzen hinaus? Warum sehen sie nur Fehler, wo auch Essenz ist? Und warum ist ihre Sprache die alleinseeligmachende?
© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.
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