Edgar Selge – Hast Du uns endlich gefunden
von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...
Edgar Selges Buch „Hast Du uns endlich gefunden“… ich zögere, denn ich weiß nicht so recht, was ich dazu sagen soll.
Erzählt wird die Geschichte von Edgar, der vom Vater nicht selten gezüchtigt, einmal gar sexuell angegangen wird. Der Vater ist ein Nazi, dem nach dem Krieg die Ausübung seines Berufs als Jurist verboten wird, der aber dennoch, ungeachtet seiner Geschichte, als Leiter eines Gefängnisses jungen Menschen zur Rehabilitation und Ausbildung als Schreiner verhelfen darf. Die gefertigten Möbel landen allesamt in seiner Wohnung, wo sie von den Häftlingen bei Hauskonzerten wiedererkannt werden. Der Vater macht leidenschaftlich Musik, meint, sich im zweifelhaften Licht alternder, ehemals linientreuer Musiker, die ihn offen demütigen, sonnen zu können. In einem anderen Gefängnis, dem er nach dem Krieg vorstand, unterstützte er ehemalige Parteigenossen und verschaffte ihnen Vergünstigungen.
Im Verlauf der Geschichte formt sich das Bild einer Familie und des Aufwachsens eines Jungen im Zwiespalt. Er mäandert zwischen den Anklagen der erwachsenen Brüder gegenüber den Eltern und ihrer Vergangenheit und dem Altnazitum, der Gewaltverherrlichung und -ausbrüchen des Vaters hin und her. Später, als Erwachsener konfrontiert er die Eltern schonungslos mit den Bildern der Vernichtungslager. Als Kind möchte Edgar dazugehören, gesehen werden von diesem Vater und einer desinteressierten Mutter. Gleichzeitig bricht er Regeln, stiehlt, um Filme im Kino sehen zu können und wird bei seinen Lügen ertappt. Edgar leidet, flieht in die Literatur, in Geschichten, ins Erzählen, spürt sein Außenseitertum und kann, selbst Jahrzehnte später, nicht anders, als den Vater zu hassen und gleichzeitig zu lieben. Er träumt wiederholt von seinen Eltern, als sie schon längst tot sind und kämpft mit ihren Geistern. Edgar kommt nicht los.
Trotz der tragischen Story hat mich das Buch nicht wirklich erreicht. Es hatte etwas Aufgesetztes, Schiefes, das ich nicht recht benennen kann. Aber ich bin sicher, es findet seine LeserInnen.
Bildet Euch selbst ein Urteil.
© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.
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