Vor einem Jahr nahm Düsseldorf Abschied vom Tausendfüßler
von Dirk Jürgensen ...
Februar 2014. Vor ziemlich genau einem Jahr nahmen wir Düsseldorfer in schlimmstem Schmuddelwetter Abschied von unserem Tausendfüßler, den Ahnungslose einfach nur als Hochstraße bezeichnet hätten, wenn sie ihn nie erleben durfen. Er war Teil des stets so empfundenen Ensembles mit dem Schauspielhaus und dem Dreischeibenhochhaus, einem Sinnbild der modernen, aufstrebenden, hellen Stadt Düsseldorf.
Einige Jahre hatte es gedauert, bis die Oberen der Stadt einem Teil der Bürger glaubhaft machen konnten, dass es sich bei diesem Baudenkmal um einen Schandfleck handeln sollte. Immer wieder wurde behauptet, die vergleichslos grazile Hochstraße sei ein Hindernis für den freien Blick, dabei sah man aus zahlreichen Perspektiven kaum. Eine dieser vorgeblichen Sichtbehinderungen betraf auch das Schauspielhaus. Dabei plante man gleichzeitig, natürlich von der Mehrzahl der Bürger unbemerkt, ein paar Gebäude, vor diesen – ähnlich, wie es der Tausendfüßler war – geschwungenen Baukunstwerk. Eine „notwendige Umfassung des Gründgensplatzes“ nannte man das und drohte dabei ungesagt das Schauspielhaus in einem öden Hinterhof verschwinden zu lassen. Was kümmern Sichtachsen, wenn man als Immobilienmakler wieder ein paar umbaute Kubikmeter zum Vermitteln erhält?
Ein Jahr ist es her und Düsseldorf geht, geleitet vom kurzfristigen Denken des Immobilienmarktes, unvermindert weiter in die Beliebigkeit ach so vieler Städte. Da hilft es auch nicht, dass der Architekt des Luxuskaufhauses am sogenannten Köbogen Daniel Libeskind heißt, jenes Neubaus, der erstaunlicherweise auch den Schwung des einstigen Tausendfüßlers aufzugreifen sucht, jedoch an dieser Stelle nur einen schroffen Klotz vor dem wunderbaren Hofgarten darstellt.
Die Besucherzahlen am Köbogen mögen meine Kritik als Irrtum darstellen. Doch dort, wo man seinen begeisterten Gästen einst wenige Sekunden erhabenen Gefühls und Übersicht vom Auto aus präsentieren konnte und nun durch verschiedene Tunnelröhren geschickt wird, dort, wo man zu Fuß oder mit dem Rad bequem an einem Saxophonisten vorbei durch die Jägerhofpassage von einem Teil des Hofgartens in den anderen gelangte, wird man demnächst Straßenbahnschienen überqueren müssen. Dabei behauptete man die Hofgartenteile zusammenführen und einen Angstraum beseitigen zu wollen, den allein als Scheinargument existierte.
Für die von mir so ungeliebte Entwicklung der Stadt Düsseldorf sind die beiden Oberbürgermeister Erwin und dessen Nachfolger Elbers verantwortlich. Beide OB konnten und können nicht anders, denn beide hatten und haben keinen Sinn für das, was urbanes Lebensgefühl, was Stadtteilkultur, was Lebensqualität jenseits der Luxushotels und Glasfassaden und Kultur jenseits der Massenevents bedeutet. Sie bedienten und bedienen die Reichen und Schönen, die nach der Vergoldung ihres Zeitalters lechzen und den bloßen Schein für ein erstrebenswertes Sein halten. Wird ihnen Düsseldorf einmal langweilig, findet man sie schnell woanders. Wurzeln sind ihnen zu schmutzig.
Bei der Kommunalwahl am 25.05.2014 werden wir in Düsseldorf zwar nicht mehr die Chance zur Rettung aller Kinder haben, die in den tiefen städtischen Brunnen gefallen sind, aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass „meine“ Stadt am Rhein sich wieder ein bisschen mehr nach mir und meinen Vorstellung einer lebens- und liebenswerten Stadt richtet. Ist das zu egoistisch gedacht?