Soll eine Sondersteuer fast alle Autofahrer schröpfen?
von Dirk Jürgensen ...
Ein bayrischer Geheimplan?
– Wer will behaupten, Politiker und deren Beratungsstäbe seien erst seit der Wiedervereinigung Deutschlands und der Schaffung des Euro-Stabilitätspakts ständig unterwegs, um neue Geldquellen zu erschließen? Früher, behaupten die Älteren gerne, war alles besser. Früher, beim dicken Wirtschaftsminister mit seiner Zigarre, da gab es noch Gerechtigkeit und ein Wirtschaftswunder. Ein richtiges, das mit unserem nicht zu spürenden Aufschwung aufgrund der tollen Krisenbewältigung nicht zu vergleichen war. Da sprudelte das Geld kräftig in die noch jugendlichen öffentlichen Kassen.
Denkste. Zum Beispiel im Jahre 1958. Deutschland wurde bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Schweden von Brasilien als Weltmeister abgelöst, obwohl man in der Vorrunde Argentinien klar mit 3:1 besiegte – kurz: Deutschland wurde so langsam wieder wer. Aus den nach und nach überbauten Ruinen wuchs die Wirtschaft zur Blüte. Trotzdem wuchsen wohl die Staatseinnahmen nicht wie erhofft oder erwartet mit und man begab sich auf die Suche nach neuen Einnahmequellen. sollte erst fünf Jahre später das Licht der norddeutschen Welt erblicken, aber eine besondere Bevölkerungsgruppe um herum begann sich dennoch schon damals als „Melkkuh der Nation“ zu fühlen. Wie sich die Zeiten nicht ändern…
Am 22. November 1958 titelte das Magazin mit einer Schlagzeile, die die jüngst so viel Staub aufwirbelnde Albig-Idee eines „Schlagloch-Solidarbeitrags“ langweilig erscheinen lässt. Kein Wunder, denn die vom Quick aufgedeckte Ärgernis stammt aus Bayern. Dort ist man nicht erst seit immer auf einer anderen Spur unterwegs.
Hilferuf an alle: Eine neue Sondersteuer
Neuer Angriff auf unseren Geldbeutel geplant:
Laternen-Garagen-Steuer
Quick warnt vor einem neuen Steuerplan: Wer keine Garage hat und nachts sein Auto auf der Straße abstellt – der soll dafür zahlen. Vorerst droht diese Sondersteuer nur in Bayern, aber sie würde in anderen Bundesländern schnell Schule machen. […]
Die modernen Wegelagerer
Autofahrer, baut euch Garagen! Es kann teuer werden, den Wagen nachts auf der Straße abzustellen. Findige Beamte in Bayern hatten eine gefährlich-verführerische Idee: die „Laternengaragen-Gebühr“. Mit ihr, so glauben sie, lassen sich die chronisch leeren Steuersäckel der Städte und Gemeinden füllen. […]
Das Fundament
für eine neue Gebühr, die nichts anderes wäre als eine Sondersteuer, bildet der Artikel 14 Absatz 3 des bayerischen Straßen- und Wegegesetzes. (Gemeingebrauch liegt nicht mehr vor, wenn der Gemeingebrauch anderer ausgeschlossen oder mehr als unvermeidbar beschränkt wird. Das gleiche gilt, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu andern Zwecken benützt wird.) Wie der Artikel ausgelegt werden kann, sagt deutlich das „Organ der kommunalen Spitzenverbände in Bayern“. (Wegen der Verkehrsnot in den Städten war es deren besonders Anliegen, das Parken nicht uneingeschränkt zum Gemeingebrauch zu rechnen. Diesem Verlangen hat das BayStrWG in Art. 14 voll entsprochen, indem es bestimmt, daß dann kein Gemeingebrauch besteht, wenn der Gemeingebrauch anderer ausgeschlossen wird.) Ein Zeitungsbericht über eine Bürgermeisterversammlung ergänzt die Drohung an die Autofahrer. (…neue Gesetz und stellte dabei fest, daß die darin angeführten sogenannten Sondernutzungen „ausgezeichnete Möglichkeiten bieten, den Gemeindesäckel zu füllen“. Beispielsweise sei das Dauerparken unter öffentlichen Laternen mit dem Begriff „Gemeingebrauch“ nicht zu vereinbaren; die Gemeinden hätten also das Recht, für diese „Laternengaragen“ eine Gebühr zu erheben.)
Wer sich durch das mühselige Amtsdeutsch gearbeitet hat, wir nun vielleicht aufschreien und sagen: „Was soll denn diese Aufregung? Ich bezahle doch schon seit Jahren Geld an meine Stadt für diesen elenden Anwohner-Parkausweis.“ Stimmt genau! Nur bezahlt der Anwohnerparker, der übrigens heute korrekt ausgedrückt Bewohnerparker ist, weil das Bundesverwaltungsgericht 1998 das bisherige Verfahren des Anwohnerparkens für rechtswidrig gehalten hat, allein für sein Privileg dort zu parken, wo es andere nicht dürfen. So weit war man 1958 noch nicht. So einfach stellte man es sich nicht vor. Damals durfte man sich noch Gedanken darüber machen, wie unmöglich und mit welchem Aufwand verbunden das Eintreiben einer solchen Sondersteuer wäre. Einerseits wird die gewollte Ironie des Beitrages mit heutiger Erfahrung kaum noch spürbar, dafür gewinnt er eine neue, unfreiwillige:
Am Anfang ist das Amt
In diesem Fall das Laternen-Garagen-Aufsichts-Amt (LGAA). Ein Amt erfaßt. In diesem Fall die garagenlosen Autofahrer. Keine Statistik berichtet, wieviel Autofahrer es gibt, die keine Garage finden oder die einfach die Garagenkosten sparen wollen. Wie werden sie erfaßt? Entweder: Jeder Autofahrer muß sich melden und eine Garage nachweisen – oder keine. Oder: Viele Aufsichtsbeamte lauern Nacht für Nacht an den Rinnsteinen. Oder: Die neidischen Hausbewohner denunzieren die Autobesitzer. – Wie wird die Steuer kassiert? Entweder gibt das LGAA Laternen-Garagen-Nutzungs-Plaketten aus. Oder es vermietet abgegrenzte Parzellen am Straßenrand (für 20 Mark – heute ungefähr 10 Euro – im Monat beispielsweise). Oder es nagelt Schilde an die Hauswände. Oder es stellt besondere Park-Erlaubnisschilder auf. Oder jeder Ertappte muß an Ort und Stelle bezahlen. […] Rechtsanwalt Dr. Gritschneider sagt: „Der Steuerplan ist praktisch nicht durchführbar. Angenommen, alle ‚Garagenlosen’ werden erfaßt. Das allein kostet mehr, als die Steuer einbringen kann. […]
…am Ende ein Auto-Krieg
Angenommen, es werden Plaketten für die Windschutzscheibe ausgegeben. Dann müssen sich die Gebühren für die Plaketten unterscheiden in: Gebühr für eine Laternen-Garage unter einem Laubbaum (Regenschutz im Sommer), unter einem Nadelbaum (Regenschutz im Sommer und im Winter), ohne Baum, Garagen unter Laternen, die bis morgens brennen, und Garagen unter Laternen, die früher ausgeschaltet werden. Angenommen, es werden Parzellen vermietet. Dann muß die Gebühr außerdem gestaffelt werden nach Breite und Länge des Wagens. Dann muß verhindert werden, daß geschäftstüchtige Leute ganze Straßen pachten und weitervermieten. Dann müssen die parkenden Fahrzeuge ständig kontrolliert werden. Das neue Amt würde zu einem Wasserkopf mit folgenden Abteilungen: Verwaltung, Erfassung, Plaketten-Ausgabe (bzw. Parzellen-Anmaler- bzw. Schildanbringungsrefarat), Kontrolle, Beschwerde, Fahndung, Revision. Ein solches Amt würde den wildesten Autokrieg auslösen. Es gibt nur ein Mittel, diesen juristischen Drahtverhau zu verhindern: Die steuerschwachen Gemeinden verzichten darauf, Hunderttausende Autofahrer auszunehmen…
Ach wie kompliziert! Dabei ist Einiges trotz der Befürchtungen und „provokanten“ Anmerkungen längst Wirklichkeit geworden, denn unsere Gegenwart macht es viel einfacher. Es könnte einem in den Sinn kommen, dass jetzt in Zeiten grenzenlos vernetzter Computer, GPS und satellitengestützter Mautstationen sogar noch viel mehr mit weniger Verwaltungsaufwand möglich wäre, als man es 1958 erahnen konnte.
Doch denken wir lieber nicht zu laut an Innovation! Die nächsten Legislaturperioden werden garantiert auch ohne unser Zutun vor Ideenreichtum glänzen. Und wenn gerade in kein Gammelfleischskandal, keine WM oder ein anderer Skandal in diesem unseren Lande die Sinne ablenkt, bekommen die Bürger es vielleicht sogar mit, bevor die Auswirkungen zu spüren sind. Herr Albig hatte wohl das Pech, dass NSA und Ukraine trotz immenser Medienpräsenz weit entfernt scheinen.