Robert Seethaler – Der Trafikant

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Ich mag Robert Seethalers Bücher. Allein schon, weil man die Melodie des Österreichischen mitliest, seine Sprache elegant und weich daher kommt.

Mein erstes Buch, das ich von ihm gelesen habe, war „Ein ganzes Leben“. Der Seilbahnfahrer Andreas Egger blickt dort auf dem Sterbebett auf sein Leben und die große Liebe zu Marie zurück.

Robert Seethaler – Der Trafikant

In „Der Trafikant“ wird die Geschichte von Franz Huchel erzählt Er findet als 17jähriger Lehrjunge von Otto Trsnjek in einer Trafik in Wien eine Anstellung. Eine Trafik, das ist ein Kiosk, ein Späti, ein Büdchen, wie es andernorts genannt wird.

Otto Trsnjek, ein kaltschnäuziger, erfahrender Händler und Sozialist, bringt Franz die Grundlagen für den Beruf des Trafikanten bei. Dazu zählen Höflichkeit, die Lektüre aller einschlägigen Zeitungen und damit Kenntnis des Weltgeschehens sowie Kenntnisse über Rauchwaren aller Art.

Der Start ins Trafikanten-Leben ist aufregend und die Ansichtskarten an Franzens Mutter, die prompt eine Antwort erfahren, künden von diesem neuen Lebensgefühl und auch von den Geheimnissen, die Franz vor seiner Mama hat. Sigmund Freud ist einer der Stammkunden des kleinen Lädchens, vor dem sich Otto mit dem Metzger streitet. Denn der ist ein Nazi und sieht es gar nicht gern, dass in der Trafik Juden ein und aus gehen.

Zwischen Freud und Franz entsteht eine außergewöhnliche Freundschaft, bei der Franz von seiner ersten Liebe zur Variététänzerin Anezka erzählen kann. Unschuldig und zart beginnt sie mit einem Ausflug in den Prater, setzt sich heftiger in einem Etablissement fort, in dem Witze über Hitler erzählt werden und in dessen Hinterhof Franz von Anezkas Aufpasser angegangen wird und gipfeln in seiner ersten sexuellen Erfahrung mit jener Frau, als Franz sich auf die Suche nach ihr macht und von ihr verführt wird.

Doch das Glücksblatt wendet sich mit der Machtergreifung der Nazis. Ottos Trafik wird beschmiert und verwüstet. Anezka trifft unschöne Entscheidungen und schließlich passiert weitaus Schlimmeres mit Otto, mit Anezka, mit Franz und der Trafik. Denn der Metzger ist ein Schweinehund, der fürwahr mehr als nur eine Ohrfeige verdient, die ihm der Lehrjunge schließlich verpasst. Franz muss all seinen Mut aufbringen, manches Abenteuer bestreiten und zu seinen Überzeugungen stehen. Am Ende gibt es viele Opfer.

Spannend, herzergreifend bis zum letzten Satz.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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