Der ADAC und seine Kernkompetenzen

von Dirk Jürgensen ...

Mein Lieblingsauto ist nicht das gekaufte

Hanomag Komissbrot
Hanomag 2/10 PS „Komissbrot“ – Foto: Ralf Roletschek

Der ADAC sollte als überbewertet gelten, wenn wir die Frage beantworten, warum er so viele Mitglieder hat und warum diese Menschen überhaupt Mitglieder in diesem als Verein getarnten Konzern sind. Sie wollen vom zugegebenermaßen gut organisierten Pannenschutz profitieren und sich ab und an ein paar Rabatte einheimsen. Als Verein im eigentlichen Sinne nimmt doch niemand dieses Unternehmen wahr und will es vielleicht auch gar nicht, wenn die eine Dienstleistung im Fokus steht. Der ADAC könnte also eine Menge Geld seiner Mitglieder sparen und die Beiträge senken, wenn man sich auf die Kernkompetenzen konzentrierte.Ich könnte beispielsweise gut auf die monatlich per Post zugestellte Fachzeitschrift für Treppenaufzüge verzichten. Die Anzahl der in der Motorwelt zu findenden Aufstiegshilfen sagt viel über die von den Anzeigenkunden vermuteten Leserschaft dieser Zeitung: Es sind die alten Mitglieder, die noch brav ihre Beiträge zahlen, aber längst kein Auto mehr fahren und somit keinen Pannenschutz mehr in Anspruch nehmen. Sicher sind auch eine Menge zahlender Witwen ohne Führerschein dabei, die die Abbuchungen von des seligen Opas Konto gar nicht bemerken.

Der ADAC testet Autos und veröffentlicht diese Tests in seiner Mitgliederzeitung. Wenn das absolut unabhängig geschieht, ist das für zukünftige Kaufentscheidungen wichtig und gut – eine Art Stiftung Warentest für Automobile. Doch das funktioniert nur, wenn sich die Autohersteller vor dem nächsten Test fürchten. Ob das so ist, mag ich zumindest bezüglich der deutschen Hersteller bezweifeln.

Der ADAC stellt sich als Interessenvertreter, also als Lobbyverband der Autofahrer dar. Autofahrer sind meist auch Fußgänger und Radfahrer, manchmal auch Rollstuhlfahrer. Die Fixierung auf nur eine Verkehrsteilnehmerschaft ist also zweifelhaft und irgendwie nicht mehr zeitgemäß. Auch aufgrund dieser einseitigen Ausrichtung steht zu befürchten, dass der ADAC in Wirklichkeit ein Lobbyverband der Autoindustrie ist, die mit diesem Verein einen weiteren branchenspezifischen Fuß in die Türen unserer Politiker schiebt. Das wäre eine recht perfide Methode, mit dem Pfund des Vertrauens der Mitglieder der Industrie zu dienen. Etwas plump kommt in diesem Zusammenhang die Verleihung des Gelben Engels zur Persönlichkeit des Jahres daher, bei der in der Regel ausgerechnet Vertreter jener Konzerne ausgezeichnet werden, die die Entwicklung sparsamer Fahrzeugmotoren mit Erfolg immer wieder bremsten.

Ich vermute, der derzeitige Skandal um die Wahl des Lieblingsauto der Deutschen offenbart nur die Spitze eines Eisbergs von Verstrickungen und einem im Grunde wenig mit einem Verein in Verbindung zu bringendem Geschäftssinn. Die Wahl, mit Verlaub, hätte man auch lassen können, wenn man dann doch nur das auf dem Markt erfolgreichste Auto küren wollte. Ein Blick in die jährlichen Zulassungszahlen hätte genügt, um diesen missverstandenen Begriff des Lieblingsautos im Sinne geschickter Vermarktung zu untermauern.

Ein Lieblingsauto, das ist man vielleicht in der Studentenzeit gefahren, hieß R4 oder 2CV oder es ist eines, das man sich niemals im Leben leisten kann. Praktische Erwägungen, die dann mit aller Ernüchterung zum Kauf führen, haben wenig mit einem Lieblingsfahrzeug gemein. Früher, da entstammte mein Lieblingsauto übrigens einem Traumautoquartett. Es war zwischen all den Luxusgefährten schwach motorisiert, im Grunde eher hässlich und konnte höchstens mit seinem Baujahr punkten. Es war ein Hanomag 2/10 PS und hörte auf den Namen „Komissbrot“. Würde man mich heute fragen, wäre ein Landrover Defender mein Favorit. Ein Auto, das noch als solches zu erkennen ist, doch leider demnächst verschwinden wird, weil das Management seines Herstellers Stil nicht mit moderner Motorentechnik kombinieren mag. Ob ich ihn jemals besitzen werde?

Ach, ADAC, kümmere Dich mit Deinen Gelben Engeln darum, dass Deinen Mitgliedern bei einer Panne geholfen wird, verschwende nicht deren Geld bei Autorennen und teste Fahrzeuge ohne Rücksicht auf eventuelle Persönlichkeiten des Jahres. Reisen kann man auch woanders buchen und Preisverleihungen sind auch nur teure Image-Veranstaltungen, die den Mitgliedern nicht dienen. Sei ein gemeinnütziger Verein, überlege, warum man Mitglied geworden ist – oder sei ehrlich und trenne Dich vom Vereinsstatus. Hinterher darfst Du auch Geschäfte machen.

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