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Düsseldorf, die reiche Stadt wird ärmer

Zum Ende einer Institution, dem Sternverlag

 von Dirk Jürgensen …

Noch nie hat mich die Nachricht über die bevorstehende Schließung eines Geschäfts so sehr wie diese geschockt. Das Ende des Sternverlags zum März 2016 bedeutet das Ende einer Düsseldorfer Institution, die das Leben vieler Menschen mitgeprägt und ein Leben lang begleitet hat. Brauchte man einst ein Buch, das der ebenfalls längst geschlossene kleine Buchhändler im Quartier nicht vorrätig hatte, lautete die unvermeidliche Frage: Warst du schon im Sternverlag?

Sternverlag - ©Foto: Jürgensen - Düsseldorf

Sternverlag – ©Foto: Jürgensen – Düsseldorf

Als die Schreibwarengeschäfte und Buchläden im Stadtteil schlossen, besorgte man die Schulbücher im Sternverlag. Jetzt, da ich längst keine Schulbücher mehr brauche, ist der Sternverlag immer die erste Anlaufstelle, wenn mir nicht einfällt, welches Buch ich denn verschenken oder selber lesen sollte. Eine ach so angesagte Mayersche, die nichts als ein großer Schnickschnackladen mit ein paar frontal präsentierten Bestsellern ist, kann all die Anregungen nicht bieten, die der Sternverlag bietet und leider bald bot. Und Amazon hat noch keine Möglichkeit gefunden, die Haptik eines Buches am Rechner zu simulieren.

Mit dem Sternverlag verliert Düsseldorf wieder einmal ein großes Stück seiner einst so markanten Einzelhandelsgeschichte. Ketten beherrschen auch in dieser Stadt den Markt und machen es völlig unerheblich, in welcher Stadt man sich gerade bewegt, um einzukaufen.

Der Sternverlag bedeutet die so notwendige Einzigartigkeit und ist hervorragend geeignet, Fremden und Neudüsseldorfern als Besonderheit präsentiert zu werden. Sucht man einen Laden, der Literatur nicht nur bestellt, weil er ein beschränktes Spezialsortiment oder nur die üblichen Vertreter verschiedener Bestsellerlisten vorrätig hat, sucht man einen Laden, weil man sein Buch eben nicht im Internet bestellen, es vor dem Kauf berühren und darin blättern möchte, hat man im Sternverlag eine große Chance fündig zu werden.

5000 Quadratmeter Verkaufsfläche sind für einen Buchhändler gigantisch, heutzutage kaum mit Gewinn zu bewirtschaften, dem Investorenwohl ein Graus. Die wirtschaftliche Vernunft schlägt auch hier einmal wieder zu. Die kulturelle Vernunft zählt nicht in der Gegenwart, sondern erst morgen – sie kommt in keinen Quartalszahlen vor. Vor Ablauf des nächsten Quartals ist der Laden zu.

Es geht nicht nur um den einen Buchhändler. Der Sternverlag ist für viele Düsseldorfer der einzige Grund, die Friedrichstraße aufzusuchen. Natürlich ist das ein Teil des Problems. Läge das Geschäft auf der viel stärker frequentierten Schadowstraße, sähe die Geschichte wahrscheinlich anders aus. Unweigerlich wird die Schließung des Sternverlags weitere Schließungen nach sich ziehen, weil der Straße der Leuchtturm verloren geht. Im kommenden Jahr wird diese Entwicklung dramatisch, da die Straßenbahn unter die Erde verlegt wird und somit kein Sichtkontakt nach draußen mehr besteht, der Spontanausstiege möglich macht.

Das ist der Lauf der Zeit. Das muss man hinnehmen. Die Stadt verändert sich, wie sich auch die Einzelhandelsstruktur verändert. So sprechen die „Vernünftigen“ unter uns. Doch ist es immer wieder eine Schande, wenn die Zukunft ärmer und langweiliger als die Gegenwart wird. Das sollte man dann doch nicht immer so einfach hinnehmen.

Im niederländischen Maastricht führen die Mitarbeiter einen der schönsten Buchläden Europas, der dennoch von der Schließung bedroht war, mit Erfolg weiter. Sie konnten ihn über eine Crowndfounding-Aktion retten. Schade, dass die Utopie bei uns einen so schlechten Ruf hat.

Würde sich in Düsseldorf eine ähnliche Initiative gründen, wäre ich sofort dabei!




Gotteskrieger? Nichts für mich.

Also, Gott, wie ist das jetzt mit Deiner Macht?

 von Dirk Jürgensen …

Wenn ein Gott von mir verlangte, seine Drecksarbeit zu übernehmen, indem ich Ungläubige töten oder versklaven sollte, um seine Herrschaft zu manifestieren oder sein beleidigtes Ego zu verteidigen, würde ich mich sofort vom Glauben an seine Göttlichkeit lossprechen.

Gott - © Foto: Jürgensen - Düsseldorf

… oder auch nicht. – ©Foto: Jürgensen – Düsseldorf

Wer ein Gott ist, der muss nichts delegieren, der kann mir und dem Rest der Menschheit seine göttliche Macht gefälligst persönlich glaubhaft demonstrieren. Er könnte zum Beispiel den, wie seine Jünger immer wieder vorgeben, von ihm geschaffenen Menschen in ein friedfertiges, in ein freies und tolerantes Wesen verwandeln. Er müsste ihm beibringen können, vernünftig und in Gerechtigkeit mit seinen Artgenossen zusammen zu leben und es wäre ihm aufgrund seiner Einzigartigkeit, seiner Güte und Souveränität gar nicht so wichtig, dass an ihn geglaubt wird. Was könnte ihn der menschliche Zweifel kratzen? Da stünde ein echter Gott drüber. Soviel Selbstbewusstsein müsste er doch besitzen; als Gott müsste er das wirklich hinbekommen. Er müsste es schaffen, aus Glauben Wissen zu machen, jene beiden Worte, deren Verwechslung die Religionen so gerne im Sinne ihrer gepachteten Wahrheit zelebrieren. Und wenn nicht, ja, was ist er dann anderes als ein Schaumschläger, an den zu glauben reine Verschwendung ist? Für ihn würde ich meine Hände nicht schmutzig machen und meine humanistischen Werte verraten.

Also, Gott, wie ist das jetzt mit Deiner Macht? Gehst Du jetzt endlich mal gegen die Mörder vor, die in Deinem Namen ihren Mist verzapfen und von Weltherrschaft träumen? Und vergiss dabei nicht all die Nazis und andere idiotischen Verbrecher und verbrecherische Idioten, die Deine ganze Schöpfung versauen.

Wie wäre es also jetzt endlich einmal mit einem Gottesbeweis, mit einem klaren Nachweis, dass Du gar keine Reservierungen für ein Paradies entgegen nimmst, dass die Sache mit den 40 Jungfrauen ein Einfall von Menschen ist?

Viel Zeit gebe ich Dir dazu nicht mehr, denn Du hast schonzu lange gewartet und ich fürchte, wir Menschen müssen den Mist ohne göttliche Hilfe wieder in die Reihe kriegen. Irgendwie.

Beten wird aufgrund der weiter zu erwartenden göttlichen Passivität wenig helfen. Gebete mögen dem Einzelnen vielleicht Trost schenken, ihn beruhigen. Der Nutzen ist allgemein allerdings gering, wenn man bedenkt, dass auch die religiös motivierten Terroristen vor ihrer Tat – wenn sie noch leben sollten, auch danach – beten. Lebensfreude hingegen, ist das, was den religiösen oder nationalistischen Fanatikern dieser Welt abgeht – und ihrer Ideologie schadet. So gehören Lebensfreude und Humor, jene wirklichen Beweise des Menschseins, unbedingt im Kampf gegen die Angst, die Dummheit, den Terror, den Faschismus, den Nationalismus und den religiösem Fundamentalismus jeder Couleur dazu. Aber das ist unser Problem.

Sicher wird es auch nach dem hoffentlich irgendwann gewonnenen Kampf immer wieder Menschen geben, die sich von einem Gott oder von ihren Überzeugungen verpflichtet fühlen, die Drecksarbeit zu erledigen. Ob es ein Anders Brevik oder die ISIS-Fanatiker in Paris sind, sie alle glauben und glauben zu wissen im Guten und im Dienste einer besseren Welt eine Drecksarbeit erledigt zu haben. Vermutlich helfen Medikamente in diesen Fällen mehr als jede Überzeugungsarbeit, aber für alle nicht so pathologischen Fälle hilft es, früh genug über die Frage nachzudenken, ob ein gerechter oder auch zorniger Gott, nicht auch ohne sie zurechtkommen kann und ein echter Gott keine Missionare braucht.




Wie Leder in der Kälte

Und dann hätte man der Pegida nicht einmal die Autobahnen zu verdanken

 von Dirk Jürgensen …

20.000 Menschen behaupten in Dresden einmal mehr das Volk zu sein. Damit meinen sie nicht das Volk der Pegida-Anhänger, sondern das Volk der Deutschen. Selbstverständlich bemerken sie nicht, dass sich 80 Millionen Deutsche nicht ohne weiteres von den kruden Ansichten dieser 20.000 vereinnahmen lassen wollen.
Das Volk? - © Jürgensen - DüsseldorfNun möchte ich die Menschen auf Dresdens Straßen nicht als Hochstapler oder gar Lügner titulieren. Wenn man sich inmitten einer größeren Menschenansammlung aufhält, kann sich schon mal eine gewisse Überheblichkeit einstellen, sich das Maß der Selbsteinschätzung verlogen gehen. Wer sich einmal im Fanblock eines Fußballstadions aufgehalten hat, wird verstehen, wie aus dem Erfolgswunsch für die eigene Mannschaft ein Wirgefühl entstehen und in der Masse explodieren kann. Anders wird es auf der Straße für einen durchschnittlich ungebildeten Mitbürger auch nicht sein, wenn, unterfüttert von der Hetze der Bildzeitung gegen die Griechen, vom Konkretisieren einst unterschwelliger Ängste gegen Europa und all die Ausländer dort, gegen Fremde allgemein, gegen unbekannte Religionen, die eigene Aussichtslosigkeit und überhaupt… durch Schuldzuweisungen nationalistischer Demagogen plötzlich alles Komplizierte dieser Welt so verständlich wird. Klar, dass die Begriffsverdrehungen, die brutalen Vereinfachungen, die alle Demagogen gerne verwenden, in der erlebten Masseneuphorie nicht bemerkt werden. So wird „Lügenpresse“ skandiert, oblgeich die Mehrzahl der Anwesenden ihren politischen Informationsstand ausgerechnet der Bildzeitung verdanken. Es werden Politiker beschimpft, die das Menschenrecht auf Asyl bewahren, nicht die, die Banken mit Milliardenbeträgen aus Steuergeldern retten und internationale Geldströme frei fließen lassen. Es wird die Angst vor Flüchtlingen geschürt, obwohl die Rüstungsindustrie ihr Geld auch damit verdient, dass in ihrer Heimat Krieg geführt werden kann. Menschen, die das Gute wollen – wähnen sich nicht alle Menschen auf der Seite der Guten? – und sich sogar dafür einsetzen, erhalten das zum Schimpfwort umgeformte Prädikat des Gutmenschen.

Ja, das Pegida-Volk auf Dresdens Straßen ist mit seinen 20.000 Volksgenossen ein sehr kleines Volk. Und so ein winziges Volk ist natürlich und immer vom Aussterben bedroht, es muss immer in der Angst leben, irgendwann inmitten einer Mehrheit als Volk nicht mehr wahrgenommen zu werden. Seine Sprache, seine Sitten und Gebräuche wären dann nur noch ein Thema für das Heimatmuseum, historische Schautafeln und folkloristische Tanzdarbietungen. Nun stellt sich die Frage: Ist das schlimm? Nein, ist es nicht! Auf die bislang bekannt gewordenen Sitten und Gebräuche kann man getrost verzichten. Und ja, das Pegida-Volk auf Dresdens Straßen ist mit seinen 20.000 Volksgenossen ein viel zu großes Volk, als das es jemals über einen Minderheitsstatus hinauskommen dürfte.

Rechte Schlägertrupps werden von diesem Volk geduldet, eine direkte Geistesverwandtschaft gerne bestritten – ein Vergleich mit der SA sei erlaubt, die einst die Schmutzarbeit für die NSDAP erledigte – und die Werfer von Brandsätzen, deren Motive den Parolen der Pegida-Anführer entsprechen, werden als Einzeltäter verharmlost, damit die Seele der „normalen“ Bürger rein bleiben kann. Dabei ist diese längst besudelt und kaum noch reinzuwaschen.

Vielmehr können und sollten wir uns bereits jetzt Gedanken darüber machen, was nach dem Hype um Pegida und die vorgebliche Angst vor einer Überfremdung geschehen muss.

Wie kriegen wir all die Menschen bloß wieder entnazifiziert?

Können und sollen wir sie überhaupt wieder in die Mitte der Gesellschaft integrieren, ohne ein zu großes Risiko eines Rückfalls einzugehen? Mir scheint das eine größere Herausforderung als die Integration einer Million Flüchtlinge zu sein.

Eine Investition in Bildung ist nie verkehrt. Sie können die jungen Pegidaer gut gebrauchen. Diese Bildung sollte immer auch eine im Sinne der Demokratie, des aufgeklärten Freiheitsgedankens politische sein. Den Älteren sei der Kontakt mit bislang fremden Kulturen empfohlen und natürlich die Lektüre anderer Veröffentlichungen als jene, die nur über die Faulheit der Griechen und anderer Nationalitäten berichten, um die Angst um unser Geld zu schüren. Doch leider, und daran wird es scheitern, ist das recht anstrengend.

So, genug der Ironie.

Naja, nicht ganz, denn da finde ich doch auf dem Online-Auftritt der Zeit – weit außerhalb des Surfverhaltens der besorgt-verängstigten Mittebürger – den Beitrag eines Toralf Stauds unter dem Titel „Björn Höcke ist kein Nazi“. Björn Höcke, das sei zur Erklärung eingeschoben, ist der Vorsitzende der AfD in Thüringen, der bundesweit aufgrund eines rhetorisch erfolgreichen, inhaltlich allerdings arg verschrobenen Fernsehauftritts bei Günther Jauch Aufsehen erregte.

Im streng wissenschaftlichen Sinn mag Staud richtig liegen, wenn er darauf hinweist, dass sich die Neue Rechte – damit eben auch Thüringens AfD-Vorsitzender Björn Höcke – auf die sogenannte Konservative Revolution bezieht, die anhand ihres ideologischen Vokabulars samt Drittem und Tausendjährigem Reich und ihrem auch sonst völkischen Weltbild „nur“ Vorlagen für die spätere NSDAP bot.

Leider bleibt die Belehrung, dass Höcke eben kein Nazi und auch kein Neonazi sei, eine historisch begründete Randnotiz, die in unseren Zeiten allgemeiner Vereinfachungen und Oberflächlichkeiten niemandem dient, in sich sogar die Gefahr der Verharmlosung birgt. Staud schreibt

„Vieles, was der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke sagt, klingt absonderlich. Doch wer ihn in die Nazi-Ecke stellt, hat ihn nicht verstanden – sondern hilft ihm nur. (Toralf Staud – Zeit)“

Eine schlüssige Begründung, wie er darauf kommt, dass ihm das Abstellen in die Nazi-Ecke helfen könnte, bleibt er uns schuldig.

Es nützt nichts, ein Messerattentat, die Brandanschläge und gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlingsheime als Taten einiger Durchgeknallter zu reduzieren, wenn sich diese immer wieder auf die von Patriotismus durchsetzten Rhetorik der elitären Minderheit einer Neuen Rechten berufen können – und von dieser nicht zurückgewiesen werden. Wenn die Aufrufe zur Gewalt nur Missverständnisse sind, wenn die intellektuellen Vorbeter des Nationalismus eine andere Wirkung, eine friedfertige Diskussion erzielen wollen, sollten sie ihren Intellekt gefälligst derart einsetzen, dass ihre Gebete von den eher einfach gestrickten Gemütern nicht mehr ganz so leicht missverstanden werden.

Hier darf allerdings der Zweifel an den Motiven der Pegida-, AdD- und sonstwie neuen rechten Anführerinnen und Anführern überwiegen. Wer glaubt tatsächlich, dass Lutz Bachmann die Folgen nicht absehen konnte, als er Akif Pirinçci zum Hauptredner seiner Demonstration in Dresden machte? Niemand, der sich einigermaßen über die Aussagen Pirinçcis aus den letzten Jahren informierte, konnte damit rechnen, dass dieser inzwischen wirklich durchgeknallte Autor einen Auszug aus seinen Katzenkrimis vortragen würde. Vielmehr könnte man vermuten, der Auftritt sei ein Versuch Bachmanns gewesen, wie weit man von den 20.000 „besorgten Bürgern aus der Mitte unserer Bevölkerung“ gehen kann. Das Ergebnis lautet: 1. Die Polizei schritt nicht ein und der nächste Pegida-Aufmarsch dürfte nicht verboten werden. 2. Es gab einige „Aufhören!“-Rufe, aber 3. auch Beifall. Kleinvieh macht auch Mist und der düngt bekanntlich gut. Um das zu bewirken, kann man 4. einen Pirinçci gerne mal opfern.

Geistige Brandstifter legen nur die Lunte, angezündet wird diese von willfährigen Gehilfen, deren Namen niemand kennen muss. So agiert der moderne Faschismus wie ein Drogenkartell: Verhaftet werden höchstens die kleinen Dealer, die mit dem Handel nur ihr kleines Überleben sichern wollen. An die Mächtigen hinter ihnen kommt man nicht heran. Die verschanzen sich als Saubermänner hinter ihren Fassaden ehrbarer Geschäfte und tragen für die Gewalt keinerlei Verantwortung.

Wie also soll man die Vertreter der Neuen Rechten oder der Patrioten eines abendländischen Europas, das irgendwie doch nur Deutschland bedeutet, bezeichnen, damit auch der nur verhältnismäßig wenig politisch Aufgeklärte versteht, welche Gefahr von ihnen ausgeht, wenn nicht als Nazi? Ja, einer wie Höcke hat mit dem Sozialismusanteil nichts am Hut. Dazu ist er zu konservativ. Aber so weit war es mit dem Sozialismusgedanken bei den Nationalsozialisten auch nie. Begriffe und Inhalte driften oft auseinander, bekommen neue Bedeutungen. Soll man ihn bescheiden als Patrioten bezeichnen? Das hätte er sicher gern. Das klingt so umsorgend, so wehrhaft heimelig. Gut, seit den Zeiten des Fußball-Sommermärchens kommt uns bei der Verwendung dieses aus gutem Grund lange verpönten Ausdrucks schnell der offene, ach so gastfreundliche „Partyotismus“ in den Sinn. So erfolgreich gelang die Reinwaschung eines Begriffs, der weiterhin mehr Unheil als Frieden stiftet.

„Der Patriotismus der Deutschen […] besteht darin, dass sein Herz enger wird, dass es sich zusammenzieht wie Leder in der Kälte, dass er das Fremdländische hasst, dass er nicht mehr Weltbürger, nicht mehr Europäer, sonder nur ein enger Teutscher sein will.“

Dieser Satz stammt von Heinrich Heine. Bereits mit dem Wissen von vor 150 Jahren ist demnach zu erkennen, welche geistige Enge im Jahre 2015 20.000 Menschen in Dresden versammeln lässt. Das uralte Zitat entlarvt die Neue Rechte als ein nur äußerlich aufpoliertes Auslaufmodell, das schnellstens auf den Schrottplatz der Geschichte gehört, damit es nicht schon wieder Unheil anrichtet. Hinterher will es bekanntlich wieder niemand so gewollt haben, hinterher hat wieder niemand etwas davon mitbekommen. Und dann hätte man der Pegida nicht einmal die Autobahnen zu verdanken.




Der Berg liest

Ein Ausflug nach Wuppertal

Wenn Düsseldorfer einen Ausflug nach Wuppertal planen, haben sie zwei Dinge im Sinn. Erstens möchten sie mit der Schwebebahn fahren und zweitens den Zoo besuchen. Oder umgekehrt. Ein Wuppertaler wird ganz sicher noch zahlreiche andere Attraktionen seiner Heimatstadt aufzählen können, doch auch ohne Aufzählung kommt nun eine dritte Sache hinzu, die Düsseldorfer nicht verpassen möchten, an der sie sogar aktiv teilnehmen werden:

Der-Berg-liest-2015_Plakat_webAm 27. September 2015 findet in der Nordstadt Elberfeld die dritte Ausgabe des Lesefestivals „Der Berg liest“ statt und wenn der Erfolg nur annähernd so groß wie bei die zweite Ausgabe 2013 mit 211 Lesungen an über 80 verschiedenen Orten wird, wird sich die Reise ins Bergische auch in diesem Jahr lohnen.

Wir, Maria (alias Marie van Bilk) und Dirk Jürgensen sind diese Düsseldorfer, die den Leseberg mit einer ganzen Reihe eigener Texte besteigen möchten und haben sich dafür den Hinterhof der Marienstraße 89 ausgesucht. Bei schlechtem Wetter, so wird gemunkelt, kann in den Hausflur gewechselt werden. Von 16 bis 17 Uhr werden die grandiosen Ralph Beyer und Michael Schumacher diesen Ort bespielen, bis dann ab 17 Uhr die eben erwähnten Jürgensens eine Auswahl ihrer eigenen Texte den hoffentlich zahlreichen Ohrenpaaren präsentieren werden.

Zusammengefasst:

Der Berg liest, die Jürgensens auch.

Am 27. September 2015.

Von 16 bis 19 Uhr im Hinterhof der Marienstraße 89 in 42105 Wuppertal-Elberfeld.

Der Eintritt ist kostenlos und der Zugang frei, bis der Hof voll ist.

Weitere Informationen zum Lesefestival, das ganze Programm und Karte mit allen Schauplätzen gibt es hier.




Das Eiland als Anregungswert für neue Utopien

Wir brauchen Utopien – Teil 8

 von Dirk Jürgensen ...

Den Namen Aldous Huxley verbinden wir fast automatisch mit seiner 1932 erschienenen Dystopie „Schöne neue Welt“, die in Deutschland zuerst unter dem Titel „Welt – wohin?“ erschien, der in seiner Fragestellung die Gefahr des damals bereits existierenden Stalinismus und des immer stärker werdenden Faschismus kurzgefasst implizierte. Neben George Orwells Roman „1984“ aus dem Jahr 1949 mit einen vermeintlich sozialistischen Staat, der sich als diktatorischer, als totalitärer Eiland - Aldous Huxley - PiperPräventions- und Überwachungsstaat zeigt, ist Huxleys „Schöne neue Welt“ noch immer und besonders wieder in unseren Tagen die vermutlich maßgeblichste literarische Sicht auf eine leider gar nicht so unwahrscheinliche Zukunft.

Nahezu vergessen wurde, dass Huxley 1962 – kurz vor seinem Tod – mit der Utopie „Eiland“ ein positives Gegenstück, einen optimistisch stimmenden Gegenentwurf einer solidarischen, gewaltfreien und freiheitlichen Gesellschaft einer tropischen Insel namens Pala erfand.

Während er die „Schöne neue Welt“ in einer recht fernen Zukunft des Jahres 632

A.F. In Anspielung auf A.D. , Anno Domini = im Jahre des Herrn, also „nach Christus“ bedeutet A.F. „Anno Fordii“ bzw. „After Ford“ = nach (Henry) Ford. Als Bezugspunkt dient das Jahr 1908, als das erste T-Modell vom Band lief.
ansiedelte, ist Pala der in allen Belangen exotische Teil einer ansonsten unzulänglichen Gegenwart. In all seiner Bescheidenheit, seiner Friedfertigkeit und positiven Abgrenzung zu den ansonsten allmächtigen Marktmächten einer globalisierten Ökonomie, wird Pala – hier kann Huxley die gewissermaßen dystopische Realität nicht außen vor lassen – aufgrund der vorhandenen Ölvorkommen von der benachbarten Militärdiktatur und mit ihr von interessierten Konzernen bedroht und am Ende auch ohne Gegenwehr besiegt.

Günter Blöcker schrieb 1973 in seiner Rezension für die F.A.Z.:

Thematisch und erzähltechnisch ist damit ein konkreter Bezugspunkt geschaffen, der den Inseltraum davor bewahrt, allzu romantisch-irreale Züge anzunehmen. Diese Gefahr besteht. Die farbenprächtige exotische Kulisse trägt ebenso dazu bei wie die für abendländische Gemüter eher realitätsferne Heilsmixtur aus diversen fernöstlichen Lebenslehren. Pala ist die Summe all der Rezepte für ein sinnvolles, erfülltes Erdenwallen, die Huxley seinen Lesern seit der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre unermüdlich anbietet. Die Stichworte sind bekannt, Kontemplation, Selbsttranszendenz, Yoga des täglichen Lebens, das große Gewahrsein, das helle Licht der Leere,

die Loslösung vom kleinen, eigensüchtigen Ich. Dazu ein wenig Kibbuz-Ideologie und die den Himmel auf die Erde herabgaukelnde Droge, die hier Moksha-Medizin heißt, die „Pille der Wahrheit und Schönheit“, die „Wirklichkeits-Enthüllerin“. Alles dies wird in großer Ausführlichkeit vor den Augen eines zunächst skeptischen, dann mehr und mehr überzeugten Reporters aus dem Westen demonstriert und dargelegt – weder Essay noch Roman, sondern ein utopischer Bilderbogen, der Kolportage-Elemente sowenig verschmäht wie die Mittel der lehrhaften Gleichniserzählung oder den dialogisierten Leitartikel.

Weiter schreibt er:

Wenn Ernst Bloch im Hinblick auf „Brave new World“ meinte, der „Individual-Agitator“ Huxley sei „nur noch zu Hoffnungsmord und Anti-Utopie fähig“, so hat Huxley mit seinem letzten Buch den Gegenbeweis angetreten.

und an anderer Stelle:

Man tut gut daran, sich nicht durch seine offenkundigen Schwächen irritieren zu lassen, sondern sich an seinen Anregungswert zu halten, an den utopischen Geist mehr als an den Buchstaben der Utopie.

Gerade dieser „Anregungswert“ ist es, der in unseren Tagen Utopien wo wichtig und wünschenswert macht. Die Menschen spüren, dass die globalen kapitalistischen Mechanismen, die beinahe uneingeschränkte Herrschaft der Märkte, die einer Minderheit Reichtum und der globalen Mehrheit Armut bringt, nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Wie beispielsweise die Griechen anlässlich ihres Referendums zur „alternativlosen“ Sparpolitik beispielsweise mit ihrem Oxi ihre Hoffnung auf die Utopie eines anderen Europas äußerten, sollten sich die Denker, die Literaten und Wissenschaftler aller Disziplinen aufgerufen fühlen, endlich wieder Bilder einer besseren Zukunft zu schaffen, die der globalen Gesellschaft mehr als eines neues und besseres(?) Smartphones bietet. Ohne den „Anregungswert“ einer Utopie wird die Zukunft zu sehr den Technokraten und ökonomischen Egoisten überlassen.

Einen besonders intensiven Einblick in Huxleys Utopie „Eiland“ bietet mit einigen Hörspieleinlagen ein dreißigminütiger Beitrag des ORF aus dem Jahr 1977, der in der österreichischen Mediathek abzurufen ist.

Eiland“ von Aldous Huxley ist derzeit als Taschenbuchausgabe aus dem Piper-Verlag bei jedem lokalen Buchhändler kurzfristig verfügbar.




Ein solcher Bau steht normalerweise 200 Jahre

Ein Rückblick auf den erfolglosen Kampf um den Düsseldorfer Tausendfüßler

 von Dirk Jürgensen ...

Die Debatte um den Abriss der von den Düsseldorfern liebevoll „Tausendfüßler“ genannten Hochstraße ist ein bedenkliches Kapitel der jüngeren Stadtgeschichte. Die Art und Weise, wie die Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt und wie standhaft ihre Einwände und vielfach konstruktiven Gegenvorschläge ignoriert wurden, ist ein Musterbeispiel dafür, wie man die allgemein beklagte Politkverdrossenheit manifestiert. Parallelen zu „Stuttgart 21“ und Bilder von der Arroganz der Macht sind unverkennbar.

Der Düsseldorfer Tausendfüßler – Die Auseinandersetzung um den Erhalt der Hochstraße und um die Kö-Bogen-Planung

Der Düsseldorfer Tausendfüßler

Der Tausendfüßler war ein Baudenkmal, ein Teil eines Ensembles mit dem Dreischeibenhochhaus, dem Schauspielhaus und dem angrenzenden Hofgarten, das die an klassischen Altertümern arme Stadt in ihrem Kern als moderne und aufstrebende Stadt prägte und bekannt machte. Dieses Ensemble ist nicht mehr vollständig und aus den Wirren der noch auf Jahre dominierenden Großbaustelle treten nach und nach riesige Tunnelrampen ins Blickfeld, die stark daran zweifeln lassen, dass die Befürworter des Abrisses Recht behalten werden.

Est stimmt zeitweise traurig, mit seinem Protest und den anderen Vorstellungen von einer Aufwertung der Düsseldorfer Stadtmitte richtig gelegen zu haben. Ein Triumph sieht jedenfalls anders aus. Und um nicht all das selbst Erlebte aus der Amtszeit der Oberbürgermeister Joachim Erwin und Dirk Elbers (beide CDU) aufführen zu müssen, möchte ich all jenen Menschen ein Buch ans Herz legen, die wissen möchten, wie eine bürgerferne und bezüglich der Folgekosten unvernünftige städtische Baupolitik aussieht und wie sie leider von Erfolg [sic!] gekrönt sein kann.

Der Düsseldorfer Tausendfüßler – Die Auseinandersetzung um den Erhalt der Hochstraße und um die Kö-Bogen-Planung

Die Herausgeber Manfred Droste und Hagen Fischer haben in akribischer Kleinarbeit eine umfangreiche Dokumentation zusammengestellt, die all die Informationen von der Zeit der Planung und dem Bau des Tausendfüßlers, zu seiner Ästhetik, seiner bis in die letzten Tagen tadellosen Funktionalität über den fragwürdig abgelaufenen Verkauf des ihm anliegenden Jan-Wellem-Platzes und der sehr stückweisen Neuplanung seines innerstädtischen Umfelds bis zu seinem endgültigen Abriss aufführt.

Aus der Sitzung des Düsseldorfer Stadtrats am 5. Mai 1960, als der Bau der Hochstraße beschlossen wurde, eine kurze Passage zitieren, in der vom damaligen obersten Stadtplaner Friedrich Tamms die heute oft geäußerte Behauptung eindeutig widerlegt wird, der Tausendfüßler sei nur ein Provisorium gewesen:

Ratsherr Schulhoff (CDU): „Ich habe nur eine Frage, Herr Professor Tamms, die Sie nicht beantwortet haben. Sie wurden gefragt, wie lange die Hochstraße stehen wird. Darauf haben Sie gesagt: Die Hochstraße steht solange sie steht. Das ist nicht exakt. Sie müssen doch über die Lebensdauer etwas sagen können.“ (Starke Unruhe – Zwischengespräche)
Beigeordneter Professor Tamms: „Ein solcher Bau steht normalerweise 200 Jahre.“

Im Folgenden hält uns das Buch die ausführliche gutachterliche Stellungnahme zum Denkmalwert des Bauwerks von Axel Föhl (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland) aus dem Jahr 1991 bereit. Sie ist außerordentlich aufschlussreich und beinahe spannend zu lesen. Man möchte fast bedauern, dass sie in der Zeit der Abrissdiskussionen nicht als Mehrteiler in den Düsseldorfer Tageszeitungen erschien. Sie ist selbst für einen Laien beinahe spannend zu lesen und zeigt sehr detailliert, wie intensiv und ohne zu sparen an der grazilen Form des Tausendfüßlers geplant und wie sorgfältig die Bauausführung erfolgte. Nur ein Zitat daraus:

Für die Erhaltung der Hochstraße Jan-Wellem-Platz liegen künstlerische, wissenschaftliche und städtebauliche Gründe vor. Die Gestaltungsqualtät des Brückenbauwerks hebt sich mit der Leichtigkeit ihrer Formgebung (ihrer „Entmaterialisierung“, um den Begriff Tamms aufzugreifen) wie der Eleganz im Grundriss, Aufriss und Querschnitt, mit ihren „kontinuierlich geführten Kurven höherer Grade“, ihrer einfach und doppelt sinusförmig geschwungenen Untersicht und ihrer geringen Bauhöhe von dem Gros der gleichzeitig, aber auch später ausgeführten innerstädtischen Hochstraßen positiv ab.

Es ist wirklich eine Schande, dass man diese Sicht der Dinge niemandem mehr am Objekt vorführen kann.
Lore Lorentz sagte einmal:

Düsseldorf hat eine Stärke: Kein Dom überragt die Gegenwart.
Ihre Schwäche: Sie weiß nicht, daß es ihre Stärke ist.

Dieses schwierige und einen voreiligen Abriss fördernde Verhältnis Düsseldorfs zu seiner eben nur aus Bausünden bestehenden Moderne könnte man nicht besser beschreiben. Baudenkmäler benötigen Zeit, um allgemeine Wertschätzung erfahren zu können. Uns Düsseldorfern fehlt es wohl an der nötigen Geduld.
So wird die hier beschriebene Dokumentation die Fehler der Vergangenheit nicht mehr korrigieren können, aber vielleicht kann sie helfen, in Düsseldorf und anderswo demnächst weniger solcher Fehler zu begehen und vor einem Abriss zu überlegen, was eine attraktive, eine lebenswerte und individuelle Stadt zwischen den vielerorts zu beklagenden Normbauten ausmacht.


 

Der Düsseldorfer Tausendfüßler – Die Auseinandersetzung um den Erhalt der Hochstraße und um die Kö-Bogen-Planung
Manfred Droste und Hagen Fischer (Herausgeber)
erschienen beim Droste-Verlag in Düsseldorfer
ISBN 978-3-7700-6000-9
19,80 € (D)


Mehr zum Thema:

Der große Pan ist tot

Abschied vom Tausendfüßler

Zwei Netzfundstücke zum Thema:

Die Rettung des Tausendfüßlers ist noch möglich! – Scissorella

Tausendfüßler. 1962 – 2013. Düsseldorf verabschiedet sich von der Moderne. – Scissorella




Brian Fies und auch wir träumten von der Zukunft

Wir brauchen Utopien – Teil 7

 von Dirk Jürgensen ...

Und wir träumten von der Zukunft – Eine Geschichte von Hoffnung und Wandel von Brian Fies

„Und wir träumten von der Zukunft“ von Brian Fies

Kennen sie das? Man besucht einen antiquarischen

Hier handelte es sich um die mehrmals im Jahr stattfindende Büchermeile auf der Düsseldorfer Rheinpromenade.
, schaut in das Vorwort eines Buches – oder liest dessen erste paar Zeilen – und meint, mit dem Autor auf einer Wellenlänge zu sein, vielleicht den gleichen Geburtsjahrgang sein Eigen zu nennen? So ist es mir mit der bei Knesebeck erschienenen Graphic Novel „Und wir träumten von der Zukunft“ des amerikanischen Sachbuch- und Comic-Autors Brian Fies ergangen.

Nach nur wenigen Sätzen war mir klar, dass mein wiederholtes Klagen über das Fehlen neuer Utopien einen Unterstützer gefunden hat.

1970 war ich zwölf Jahre alt. Die technische Entwicklung zwischen Industrie, Privatleben und Raumfahrt machte riesige Schritte. Im Jahr 2000 würden saubere [sic!] Atom-Autos lautlos über die Straßen gleiten, der Mond wäre ein erschwingliches touristische Ziel geworden und aufgrund der technisch bedingten Rationalisierung in Industrie und Verwaltung nach der enorm gestiegenen Produktivität die wöchentliche Arbeitszeit für den Einzelnen rapide gesunken. Im Alter von vielleicht 45 Jahren würde ein spannendes Rentnerleben beginnen, das die Computer beziehungsweise Roboter mit ihrem Fleiß locker finanzierten. Wer hätte schon erwarten können, dass die technische Entwicklung nur wenige Gewinner hervor brächte und gesellschaftlich eher kontraproduktiv verliefe? Ich bin mir sicher, dass 1970 die Prophezeiung, man würde im Jahr 2015 im Schnitt noch immer acht Stunden am Tag arbeiten und das Renteneintrittsalter auf 67 verschieben, mit verständnislosem Kopfschütteln oder einem lauten Lacher kommentiert worden.

Brian Fies schreibt in seinem eben erwähnten Vorwort:

Als die Zeitschrift Popular Science zur Jahrtausendwende nach den versprochenen Flugautos fragte, war das ein Witz, aber einer, der den Finger in die Wunde eines nicht gehaltenen Versprechens legte. Irgendwo war und unterwegs etwas verloren gegangen. Als die düsteren, unbeabsichtigten Folgen der Welt von morgen sichtbar wurden, erschien die Grundidee der hoffnungsfrohen Zukunft, auf die hinzuarbeiten sich lohnte, plötzlich altmodisch und naiv. Einstige Helden wurden zu Bösewichtern, Optimismus war etwas für Trottel; die cleveren, coolen, zynischen Zeitgenossen setzten ihre Karten nun auf das dystopische Schicksal. Ich bin anderer Meinung.

Nach dieser eindeutigen Standortbestimmung im Sinne seines optimistisch-utopischen Denkens beginnt die Geschichte von Buddy und seinem Vater mit einem Besuch der Weltausstellung 1939 in New York, findet Zwischenstationen 1945 mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, den Facetten des Atomzeitalters 1955, der bemannten Raumfahrt um 1965 und wird mit dem Apollo-Sojus-Projekt 1975 enden.

Fies lässt seine Protagonisten in all den Dekaden nicht realzeitkonform, sondern stark verlangsamt altern. Der 1939 von der Präsentation der endlosen technischen Möglichkeiten beeindruckte Junge, wird erst zum Ende der Geschichte erwachsen sein. Er wird bis dahin von einem Comic-Helden namens Cap Crater und dessen Gehilfen Cosmic Kid – Buddys Alter Ego – im Kampf gegen den immer wieder zeitgemäßen Bösewicht Xandra begleitet. Fies gestaltet dies bezüglich des jeweiligen Zeitgeistes stilistisch – in der vorliegenden gebundenen Ausgabe sogar haptisch – authentisch wirkenden Comic-Einschüben.

Mit dem Erwachsenwerden Buddys, seiner Entfremdung vom Glauben seines Vaters an den American Way of Life und der Ernüchterung bezüglich der nicht eingetroffenen Utopien, endet auch die Comic-Serie um Cap Crater, der seinen Ruhestand auf dem stillen Mond verbringen will. Am Ende sieht man Buddy mit seiner kleinen Tochter, die die alten Geschichten mit einem kleinen 3D-Beamer zu neuem Leben erweckt und die Resignation mit einem etwas zu amerikanisch-pathetischen Blick in eine wunderbare interstellare Zukunft des Menschen fortgewischt wird. Dies ist in kleiner Schwachpunkt dieser ansonsten hochinteressanten Graphic Novel, denn Fies bleibt uns die Erklärung schuldig, woher er seinen Optimismus nimmt. Allein das Lesen und Erzählen utopischer Geschichten kann ihn nicht begründen. Oder doch?


Und wir träumten von der Zukunft – Eine Geschichte von Hoffnung und Wandel

ISBN: 978-3-868-73150-7

von Brian Fies – erschienen im Knesebeck-Verlag, bei dem das Buch inzwischen vergriffen ist.

Fragen Sie Ihren örtlichen Antiquar!


Der in Kalifornien lebende Brian Fies wurde durch sein zunächst als Web-Comic erschienenes Buch „Mutter hat Krebs“ weltbekannt. Er beschäftigte sich in dieser Graphic Novel mit der Geschichte der Krebserkrankung seiner Mutter. Fies hat dafür 2005 den Eisner Award for Best Digital Comic, 2007 den Harvey Award und 2008 den Deutschen Jugendliteraturpreis erhalten.




Geschichten zwischen Schwarz und Weiß

Ein Bilderbuch

 von Dirk Jürgensen ...

Geschichten zwischen Schwarz und Weiß von Dirk Jürgensen – Foto: ©Dirk Jürgensen, Düsseldorf - Link zu knipsenundtexten.de

Geschichten zwischen Schwarz und Weiß von Dirk Jürgensen – Foto: ©Dirk Jürgensen, Düsseldorf

Mit „Geschichten zwischen Schwarz und Weiß“ habe ich nun einen künstlerischen Bildband mit Ein-, Aus- und Durchblicken, mit Spiegelbildern und rätselhaften fotografischen Fundstücken herausgebracht.
Bewusst wurde im Untertitel der Begriff des Bilderbuchs gewählt, denn das Bilderbuch ist das Medium, mit dem wir schon als Kind Geschichten entdeckten, als uns die Dechiffrierung der Schriftsprache noch längst nicht möglich war. Die Bilder, wenn auch an vollkommen anderen Orten aufgenommen und mit ganz unterschiedlichen Inhalten, dürften banale, erwartete oder überraschende Beziehungen zueinander aufbauen. Jedes Foto erzählt für sich genommen eine eigene Geschichte, kann der Endpunkt, der Zwischenstand oder der Beginn einer noch nie erzählten Geschichte darstellen.
Die verwendete Schwarzweißfotografie ist durchaus kein Anachronismus, sie ist und bleibt gerade in unserer bunten Reklamewelt ein wichtiges künstlerisches Stilmittel. Das Wettrennen um die Darstellung möglichst vieler Farben und Pixel ist ein Wettbewerb, an dem sich die menschliche Phantasie selten beteiligen mag. Am Ziel fände es irgendwie endgültige, scheinbare oder tatsächliche Realitätsvorgaben, wo es sich doch lieber durch Abstraktion oder eben Reduktion herausfordern ließe.
So möchte dieses in Graustufen verfasste Bilderbuch der Phantasie reichlich Spielraum zur Interpretation, zur Schaffung unendlich vieler Farben und Worte für noch geheime Geschichten bieten.

Geschichten zwischen Schwarz und Weiß von Dirk Jürgensen, Düsseldorf (ISBN: 978-3-734-76433-2) hat 48 Seiten im Format 21×21 cm und kann in Deutschland für 7,90 € überall dort erworben werden, wo es Bücher gibt. Der hier verwendete Link auf das Versandhaus Amazon ist nur eine Möglichkeit zur Bestellung. Vorzuziehen ist natürlich die Unterstützung des lokalen Buchhandels.

Weitere Informationen zu den Büchern dieser in loser Folge erscheinenen Reihe gibt es bei knipsenundtexten.de.




Libertalia – Von Piraten lernen

Wir brauchen Utopien – Teil 6

von Dirk Jürgensen ...

Vermischen wir das Bild gesetzloser Halunken mit etwas Seefahrerromantik und wildem Abenteuer, stellen wir der brutalen Truppe einen herzlosen, von Grund auf bösen oder einen unfreiwillig in Ungnade des Königs geratenen Kapitän voran, ist unsere tradierte Vorstellung von Piraten zwischen Captain Blood, Captain Flint, dem Roten Korsar und Jack Sparrow vollständig. Wir übersehen dabei, dass das Piratentum durchaus auch eine bis in die heutige Zeit wirkende politisch-philosophische Komponente besitzt, die in der sich entwickelnden Globalisierung des 17. und 18. Jahrhunderts zu begründen ist und uns heute alternative Ideen zum aktuellen Demokratieverständnis im so dominanten Kapitalismus aufzeigen kann. Ein im Januar 2015 erschienenes Buch bietet uns eine wichtige Ergänzung zu unserem bisherigen Piratenbild:

Libertalia - Die utopische Piratenrepublik - bei Matthes & Seitz

Libertalia – Die utopische Piratenrepublik – Link zu Amazon

Es handelt von der Geschichte des auf Madagaskar gegründeten Seeräuberstaates „Libertalia“, es beschreibt die Legende von einer wohl tatsächlich gelebten Utopie, die früh Vorbild für Basisdemokratie, einen freiheitlichen – also libertären – Kommunismus werden sollte und einige Parallelen mit den spanischen Anarchisten der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts aufweist. Sie dürfte lange vor der französischen Revolution und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung eine enorme Brisanz besessen haben, da in einem Gemisch aus Tatsachenberichten, journalistischem Material, Fiktion und politischer Idee sogar Vorgriffe auf die Aufklärung gewagt wurden und der Text die Bewunderung der vorgetragenen Ideen mit einigen eher alibihaft  daherkommenden Bemerkungen zu überspielen versucht.

1728 erschien unter dem Namen Charles Johnson der bis heute meist Daniel Defoe zugeschriebene zweite Band der „Allgemeinen Geschichte der Piraten“, der ein Bericht über die Piratenrepublik und ihre Gründer enthalten ist. Dass die Urheberschaft weiterhin umstritten ist, dazu ein niederländischer Buchdrucker und eine anonyme Autorschaft ins Spiel gekommen ist, soll hier nur am Rande erwähnt werden. Viel interessanter ist, dass der Text fast dreihundert Jahre warten musste, um endlich unter der Herausgabe von Helge Meves von David Meienreis erstmalig in die deutsche Sprache übersetzt zu erscheinen. Dass man sich beim Berliner Verlag Matthes & Seitz für Daniel Defoe als auf dem Cover zu vermerkenden Verfasser entschieden hat, sei der Einfachheit oder auch der besseren Vermarktung geschuldet. Dass man den schmucken Band um eine von Arne Braun übersetzte „Beschreibung der Regierung, Gewohnheiten und Lebensart der Seeräuber auf Madagaskar“ von Jacob de Bucqouy und um eine Vielzahl ergänzender Beiträge vervollständigte, macht ihn umso wertvoller.

„Libertalia“ erzählt vom aus wohlhabenen Hause stammenden Misson, der eher zufällig an die Führung eines Schiffs gerät und seinem Freund, dem von der geld- und karrieresüchtigen Kirche enttäuschten ehemaligen Priester Caraccioli, der ihm die theoretischen Grundlagen für seinen revolutionären Führungsstil schafft und die Mannschaft in aufklärerischem Geist religionskritisch und antimonarchistisch belehrt.

Caracciolis Rat folgend lässt sich Misson von der Mannschaft zum Kapitän wählen und ebenso demokratisch über den weiteren Kurs abstimmen. Bei der Diskussion um die zu hissende Flagge schlägt der Bootsmann eine schwarze vor, doch Caraccioli entgegnet:

Sie seien keine Piraten, sondern Männer, entschlossen, die Freiheit zu behaupten, die Gott und die Natur ihnen geschenkt hätten; sie würden sich keinen anderen Regeln unterwerfen als denen, die für das Wohlergehen aller nötig seien.

Weiterhin führt er aus, dass Gehorsam gegenüber Vorgesetzten notwendig sei,

wenn diese die Pflichten ihres Amtes kennten und danach handelten; wenn diese beflissene Wächter der Rechte und Freiheiten der Menschen seien; wenn sie dafür sorgten, dass Gerechtigkeit walte; wenn sie sich gegen die Reichen und Mächtigen stemmten, sobald diese versuchten, die Schwächeren zu unterdrücken.

Nach weiteren Ausführungen kommt er zum Schluss, dass ihre Sache

mutig, gerecht, unschuldig und ehrenhaft und die Sache der Freiheit sei und plädiert für eine weiße Flagge mit der Göttin der Freiheit, Libertas, darauf […]

Das auf dem Schiff vorhandene Geld wird in einer Schatztruhe verwahrt und von Misson zum Gemeineigentum erklärt. Er mahnt, dass

wenn die Gleichheit untergehe, folgten Elend, Verwirrung und gegenseitiges Misstrauen wie die Ebbe der Flut.

Auch ruft er auf,

Gefangenen eine humane zu großzügige Behandlung zuteilwerden zu lassen,

obwohl ihnen selbst vermutlich nicht so ergehen würde.

Auf nun folgenden Kreuzfahrten wird reichlich Beute gemacht und zahlreiche Sklaven können befreit werden, die sich in einem recht modernen Sinne meist in die eigene Schiffsbesatzung integrieren lassen, denn sie werden eingekleidet und auf die Messen der Mannschaft aufgeteilt, um unter anderem schneller die Sprache zu erlernen und sie zu überzeugten Verteidigern der Freiheit zu machen. Hier zeigt sich der wirklich zeitgemäße humanistischer Aspekt der Geschichte, der uns in Zeiten einer bis zum Hass zunehmenden Angst vor einer gesellschaftlichen Überfremdung zu denken geben müsste, schließlich ist die lebensnotwendige Interaktion auf einem Schiff der damaligen Zeit ein gutes Laborumfeld zur Erprobung des Funktionierens einer Gesellschaft.

Nach einigen weiteren Abenteuern wird irgendwo auf Madagaskar die freie Kolonie Libertalia – die Bewohner bezeichnen sich als Liberti – gegründet und der recht bekannte Piratenkapitän Thomas Tew schließt sich an. Tew erhält den Auftrag zur Eroberung von Sklavenschiffen, um durch deren Befreiung die Kolonie auszubauen, was überaus erfolgreich gelingt. Erbeutetes Geld wird

dem kollektiven Schatz zugeführt,

da in einer Gesellschaft ohne Eigentumsschranken

Geld keinen Nutzen

hat.

Nachdem es in der Kolonie zu Streitigkeiten zwischen Missons und Tews Mannschaften gekommen ist, fordert Caraccioli die friedliche Beilegung und regt für zukünftige Fälle der Allgemeinheit dienende Gesetze und eine Regierung an. So wird eine demokratische Staatsform beschlossen, in der ein für drei Jahre gewählter Conservator als höchste Gewalt eingesetzt wird. Danach wird innerhalb von zehn Tagen die Verteilung eines gerechten Anteils von Privateigentum, wie auch ein allgemeines Gesetzbuch beschlossen, gedruckt und verteilt.

Leider endet kurz nach der Konstitution Libertalias aufgrund einiger dramatischer Schicksalsschläge und eines Angriffs auf die Kolonie – keinesfalls aufgrund interner gesellschaftlicher Probleme – die Utopie der ersten libertären Republik. Doch hält uns das hier besprochene Buch noch einige sehr aufschlussreiche Piratensatzungen bereit, die durchaus nachweisen können, dass die auf Gerechtigkeit basierenden Ideen der Liberti höchstwahrscheinlich unbewusst in ähnlicher Form auch von ganz anderen Piraten geteilt wurden. Neben allgemeinen Verhaltensregeln werden in diesen Satzungen die Verteilungsschlüssel für den Umgang mit erbeuteten Gütern und sogar die soziale Absicherung bei Verwundung festgelegt.

Nicht nur einmal erwähnt darf die „nähere Beschreibung der Regierung, Gewohnheiten und Lebensart der Seeräuberdes Niederländers Jacob de Bucquoy bleiben, der aufgrund seiner Gefangenschaft in der Hand von Piraten interessante Hinweise auf die erstaunlich unabhängige und vernunftorientierte piratische Gerichtsbarkeit und eine Art Muster-Piratensatzung vorlegt. Danach – vermutlich angesichts der multikulturellen Zusammensetzung der Mannschaften – ist es unter Androhung von Strafe beispielsweise untersagt, über die Religion zu streiten. Ein Ansatz, der uns heute sehr gut gefallen sollte.

„Libertalia – Die utopische Piratenrepublik“ ist ein überraschend aktuelles Werk, das zwar sehr spät, aber irgendwie genau zur richtigen Zeit in deutscher Sprache erschienen ist. An Tagen, an denen Pegida und deren Derivate jenseits von Dresden einen bedenklichen Konservativismus mit dem Vehikel einer hervorgelockten latenten Fremdenangst propagieren und wirkliche Ideen eines gesellschaftlichen Fortschritts in Form von größerer Gerechtigkeit als „Gutmenschentum“ abtun. Wer hätte je gedacht, dass man Piraten in dieser seltsamen Wortverdrehung als „Gutmenschen“ bezeichnen könnte?

Die Idee eines libertären Kommunismus, der nichts mit dem bekannten totalitären Kommunismus gemein hat, die Hinweise darauf, dass multikulturelle Gesellschaften doch funktionieren, sogar von ihrer Vielfalt profitieren, das Integration auch bedeutet, den zu Integrierenden an den eigenen Tisch einzuladen, dass unsere auf Zins aufgebaute Geldwirtschaft und die ungerechte Verteilung von Reichtum auf Kosten einer armen Mehrheit mehr als einer Reform bedürfen, findet in dieser früh gelebten Utopie von Libertalia Unterstützung und ist ein wichtiger Kontrapunkt in einer aktuell so abgelenkten Diskussion. Ja, wir können von 300 Jahre alten Piraten lernen, wie wichtig Utopien sind.

Ganz nebenbei, dieser wichtige recht unpolitische Punkt sei nicht vergessen, sollte der mit schöner Goldprägung ausgestatte „Libertalia“-Band samt seines reichen Schatzes an ergänzender Information in keinem Bücherregal mit einer abenteuerlich ausgerichteten Sammlung von Piratengeschichten fehlen.


Daniel Defoe: Libertalia – Die utopische Piratenrepublik

Im Verlag Matthes & Seitz, Berlin

Herausgegeben von Helge Meves, übersetzt von David Meienreis und Arne Braun

ISBN 978-3957570000 – 22,90 € (D) – Fragen Sie Ihren lokalen Buchhändler!


Surfziele zum Thema:

Ein Interview von Tobias Lehmkuhl mit Helge Meves beim SWR2 am 5.1.2015

Wikipedia zum „Goldenen Zeitalter der Piraterie“

Informationen zu Thomas Tew




Düsseldorf traut sich was

von Dirk Jürgensen ...

Bilder vom Rosenmontagszug 2015

Rosenmontagszug Düsseldorf 2015 - © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

All den Xxgidas wird klar gesagt, worin der tatsächliche Untergang des Abendlands liegt. – © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Rosenmontagszug 2015 - Düsseldorf ist Charlie! - © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Düsseldorf ist Charlie! Denn Satire ist ein wesentlicher Bestandteil des Karnevals und Angst kein guter Ratgeber. – © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Das unsägliche Freihandelsabkommen TTIP. Dieser Wagen zeigt die Gefahren, über die viel zu wenig gesprochen wird. - © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Das unsägliche Freihandelsabkommen TTIP. Dieser Wagen zeigt die Gefahren, über die viel zu wenig gesprochen wird. – © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Ob es Griechenland schafft, sich gegen den Zyklop Merkel durchsetzen kann? - © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Ob es Griechenland schafft, sich gegen den Zyklop Merkel durchsetzen kann? – © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Der Terrormarkt ist ein hart umkämpfter. Selbst als Tod kommt man ins Schwitzen. © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Der Terrormarkt ist ein hart umkämpfter. Selbst als Tod kommt man ins Schwitzen. © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Die Friedensmerkel stellt sich dem Ukraine-Krieg entgegen. Nicht, dass es ihren Schmabel stutzt. © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Die Friedensmerkel stellt sich dem Ukraine-Krieg entgegen. Nicht, dass es ihren Schnabel stutzt. © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Terror hat nichts mit Religion zu tun. Sie - egal, welche - wird nur gerne vom Terror instrumentalisiert, könnte man hinzufügen. © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Terror hat nichts mit Religion zu tun. Sie – egal, welche – wird nur gerne vom Terror instrumentalisiert, könnte man hinzufügen. © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Und wer es noch immer nicht verstanden hat, den verprügelt der Papst - mit würdevollen Schlägen. © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Und wer es noch immer nicht verstanden hat, den verprügelt der so christliche Papst – mit seinen würdevollen Schlägen. © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

– Wie schon so oft treffen die mutigen von Jaques Tilly gestalteten Wagen des Düsseldorfer Rosenmontagszugs auch 2015 wieder den richtigen Nerv. Es gibt so viele Dinge, gegen die man auf die Straße gehen kann. Fremdenfeindlichkeit gehört nicht dazu. Verstehen wir den Rosenmontagszug, den sich vermutlich wieder um die 1 Million Menschen auf den Straßen Düsseldorfs anschauten, als größte Demonstration, die all die Dügida-, Pegida-, Kögida- und Legida-Originale und deren Derivate in die Bedeutungslosigkeit drängt!




Märchenhaftes Müllerthal

 von Dirk Jürgensen ...

Bilder einer Wanderung in der Kleinen Luxemburger Schweiz

Märchenhafts Müllerthal - Bilder von Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Märchenhafts Müllerthal – Bilder von Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Nur eine Wanderung durch die märchenhafte Landschaft unseres Nachbarlandes Luxemburg hat ausgereicht, um meine Eindrücke unbedingt in einem kleinen Bildband mit dem Titel „Märchenhaftes Müllerthal“ festhalten zu müssen.  Dieser ist nun in den Handel gekommen und kann für 7,90 Euro (D) unter der ISBN 978-3-734-74625-3 überall da bestellt werden, wo es Bücher gibt.

Weitere Informationen

 

 




Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden!

von Dirk Jürgensen ...

Je suis Charlie

Wir sollten uns gerade anlässlich des schlimmen Mordanschlags gegen die Pressefreiheit und gegen den Humanismus einmal kurz daran erinnern, dass die meisten Opfer islamistischer Gewalt selber Moslems sind. Ist das nicht ein Grund, sich an die Seite der Opfer zu stellen, gleichgültig, welcher Religion man sich zugehörig fühlt oder ob man Atheist ist?

Ich habe keine Angst vor dem Islam, wie ich auch keine Angst vor dem Christentum habe. Ich habe Angst vor durchgeknallten Gewalttätern und Verbrechern, die mir aus Missverständnis oder einer bestimmten Auslegung altertümlicher oder mittelalterlicher Schriften oder politischer Theorien heraus nach dem Leben trachten. Da gibt es zwischen Brevik, NSU und IS auf unserem kleinen Planeten verdammt viele Zeitgenossen, die mir Angst bereiten.
Und ich habe – mehr noch, als vor den Initiatoren – Angst vor den tumben Mitläufern der Pegida, Dügida, Vokuhila oder Köhida, die sich in den Dienst einer Ideologie begeben, die unser Land schon einmal nach Strich und Faden ruiniert hat.

Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden!

Charlie Hebdo - Le Pen

Quelle: https://charliehebdo.files.wordpress.com/2012/01/affiche-lepen.jpg

Das Einhalten dieses Grundsatzes kann sehr anstrengend sein, bedeutet manchmal persönliches Beleidigtsein, Ärger, Streit und auch juristische Auseinandersetzung – aber es ist all das wert. Das sollten auch die Pegida-Anhänger aus dieser ominösen Mitte der Gesellschaft wissen, schließlich lesen sie doch ganz bestimmt mehr als nur die Bildzeitung, jenem Fanal des Widerstands gegen die allgegenwärtige Lügenpresse? Dass einige Bekloppte und Fanatiker jedweder Couleur mit der eigenen Freiheit oder der des Nachbarn nichts anfangen können, sollte uns klar sein, aber gegen die hilft keine Pauschalverurteilung.
In den meisten Kriegen kämpfen Arschlöcher gegen Arschlöcher. Arschlöcher hat es immer gegeben und wird es immer geben. In jeder Religion, in jeder Partei, in jeder Stadt und in jedem Land, vielleicht sogar in jeder Familie. Das ist kein Grund dafür, diejenigen, die keine Arschlöcher sind, mit ihnen in einen Topf zu werfen! Vielmehr sollten wir die Arschlöcher der Lächerlich preisgeben. Dafür müssen wir Satire immer aushalten können, auch wenn sie uns persönlich nicht gefällt.

PS: Frau Le Pen fordert inzwischen die Einführung der Todesstrafe für islamistische Terroristen. Tja, die Frau weiß eben, wie man religiös verblendete Mörder belohnen kann, indem man sie zu Märtyren macht. Sogar so unterstützen Rechtsradikale den Islamismus. Die sind also gar nicht so weit voneinander entfernt und sicher fühlt sich der eine oder andere Pegida-Aktivist oder AfD-Parteigänger schon wie in einer deutschen Front National. Schlimm.




Meerblick

 von Dirk Jürgensen ...

Der erste Bildband ist erschienen

Meerblick - Dirk Jürgensen / Düsseldorf bei Amazon

Meerblick – Bilder von Dirk Jürgensen / Düsseldorf bei Amazon

 – Meerblick, so lautet der schlichte Titel des soeben erschienenen ersten Bands aus der entstehenden Reihe kleiner und möglichst kostengünstiger Bildbände eigener Projekte. Er zeigt Impressionen verschiedener Reisen an die Ost- und Nordsee, an die Atlantikküste vom Baskenland bis nach Galicien und auf die Insel Lanzarote.

Es mag sein, dass die gezeigten Bilder oftmals nicht dem entsprechen, was gemeinhin mit fröhlichem Strandleben, mit einem Sommerurlaub an der See in Verbindung gebracht wird. Schließlich entstanden einige der Aufnahmen bei eher kühler Witterung, im Herbst oder Winter, in den Abendstunden, an Tagen, die kaum den Qualitätsanforderungen der Postkartensammler genügen dürften – und sie sind immer schwarzweiß, machmal düster-melancholisch, wie aus alten Fotoalben entnommen, verträumt, beängstigend bis ironisch.

Meerblick (ISBN 978-3-735-70733-9) hat 48 Seiten im Format 21x21cm und kann in Deutschland für 7,90 €

Die an verschiedenen Stellen verwendeten Amazon-Links sollten bitte nur als Hinweis auf eine mögliche Bestelladresse verstehen werden. Natürlich ist die Unterstützung des lokalen Einzelhandels immer vorzuziehen.
dort erworben werden, wo es Bücher gibt.




Und hinterher haben sie wieder von nichts gewusst!

von Dirk Jürgensen ...

Wer Faschisten auf den Leim geht, hat kein Verständnis verdient

 – „Aber“ ist das Unwort des Jahrzehnts. Ich will es einfach nicht mehr hören. So, wie ich auch von all diesem Verständnis nichts mehr hören will, von dem Politiker und im Fernsehen interviewte Fachleute angesichts der Vielzahl von Normalos auf diesen unsäglichen Pegida- oder Vokuhila-Demonstrationen schwafeln. Die Fremdenfeindlichkeit ist verabscheuungswürdig, „aber“ man müsse Verständnis für die Sorgen und Ängste dieser Menschen haben. Unfug!

Keinerlei Verständnis darf man haben!

Die Bekloppten des Islamischen Staates sind zu bekämpfen, keine Frage – gleichzeitig dienen sie hervorragend als Propagandamittel zur Radikalisierung nach Rechts. IS ist eine super Kampagne für die NPD und die Neo-Montagsdemonstranten merken das nicht? Ach was, niemand in Deutschland ist heute noch so ungebildet und so dumm, Faschisten so einfach auf den Leim gehen. Und wenn doch, dann darf es nicht vor Häme schützen.

Wo waren diese ängstlichen und sorgenvollen Wesen, als man Banken rettete und gleichzeitig Sozialetats kürzte? Wo ist diese furchtsame Mitte der Gesellschaft zu finden, wenn Millionen von Euro abgreifende Manager einmal mehr die Notwendigkeit von Entlassungen aufzeigen und über die Schädlichkeit von Mindestlöhnen dozieren? Wo demonstrieren diese armen Angstbürger, wenn ausgerechnet diejenigen, die sich Solidarität finanziell gut leisten könnten, aus dem Sozialsystem heraus schleichen und mehr Selbstverantwortung des Einzelnen fordern, um im Krankheitsfall oder im Alter einigermaßen versorgt zu sein?

Mit kurzem Nachdenken finde ich sicher noch viele andere Dinge, die in unserem Staat nicht richtig laufen, gegen die man auf die Straße gehen könnte und eigentlich auch sollte – doch ausgerechnet die vermeintliche Islamisierung unseres ach so geliebten Abendlandes motiviert Couch-Kartoffeln plötzlich zur öffentlichen Meinungsäußerung. Meinungsäußerung, dass ich nicht lache. Gemeinsam mit Hooligans, Neo- und Altnazis und stets im Geiste eines Sarrazin – das darf doch wohl mal gesagt werden – zeigt man sich europäischer Patriot und nennt das Meinungsäußerung.

Wer hat Angst vor der Hispanisierung Deutschlands

Weihnachten in fremder Sprache – Wer hat Angst vor der Hispanisierung Deutschlands?

Es ist halt immer einfacher, sich einen schwachen, zumindest etwas anders aussehenden Sündenbock oder auch Feind zu suchen. Da bieten sich die Ausländer, die Flüchtlinge und die Menschen anderen Glaubens (wer ist denn noch „hiesigen“ Glaubens? Ist das Christentum nicht auch nur ein Import aus dem Orient?) schnell an. „Halt!“ So wird man mir entgegen rufen. „Wir haben doch gar nichts gegen Ausländer, schon gar nicht gegen Flüchtlinge, aber …“ „Wir haben auch nichts gegen Moslems, wenn sie sich benehmen, aber …“ Und schon geht es wieder mit diesem „aber“ los. „Wir wollen nicht, dass dieser IS zu uns kommt und unseren Kindern die Köpfe abschneidet.“ Sicher, wer will das schon? Der allergrößte Teil der Moslems dieser Welt ganz sicher auch nicht.

In Deutschland gab es einst viele Menschen, die „nichts gegen Juden“ hatten, „aber“ … Diese Menschen „waren keine Nazis, aber …“ „Hitler (diese seltsame Einzelperson unserer dunklen Geschichte) hat Autobahnen bauen lassen, aber das mit den Juden war ein Fehler. Und wir haben von all dem nichts gewusst und schon gar nicht gewollt.“

Es lohnt nicht, sich über die unverbesserlichen Nazis zu wettern, die wie Rattenfänger agieren und mit kruden Parolen schlummernde Fremdenängste der Normalbürger wecken. Was viel schlimmer ist, ist die Dummheit, mit der diese Normalbürger in die gleichen Fallen wie die Generationen unserer Großeltern oder Urgroßeltern getappt sind. Doch das kümmert die demonstrierenden Spießer wenig und die von ihnen gerufenen Geister freuen sich über die neue Machtoption. Weihnachtslieder singend ins Deutsche Reich!

Hinterher würden sie im Notfall behaupten, DAS nun wirklich nicht gewollt zu haben oder von allem nichts gewusst zu haben. Ich werde mit ihnen kein Mitleid haben, denn schließlich sind auch die einfachsten Gemüter unter ihnen einst zur Schule gegangen. Und so klug, dass man sich nicht in die Hände der Faschisten begibt, sollte jeder seine Schule verlassen haben. Darüber nachzudenken, was ein unüberlegtes „aber“ bedeutet und dass die einstigen christlichen Werte Toleranz und Teilen hießen, würde vermutlich eine Überforderung bedeuten.




2014 – Freie Bahn den Bekloppten!

von Dirk Jürgensen ...

Ein Jahresrückblick auf ein rückwärtiges 2014

2014, das Jahr der Bekloppten - Foto: © Jürgensen - Düsseldorf

Foto: © Jürgensen – Düsseldorf

– Der Jahresrückblick auf das nun auslaufende Jahr 2014 fällt recht kurz aus: Demokratien wie Diktaturen haben sich weltweit darauf geeinigt, zwischen Nationalismus, religiösem Fanatismus und Marktradikalität angesiedelten Bekloppten alle Freiheiten zu gewähren. Kein Zeitgenosse wird sich an mehr Krisenherde oder gar Kriege erinnern können, was nicht allein an der größeren Durchdringung unseres Bewusstseins durch weltweite Nachrichten liegt. Vernunft ist nur noch das Leitbild einer schweigenden Mehrheit – oder gar Minderheit? Man weiß es nicht, denn schweigend degeneriert jede Mehrheit zu Minderheit. Auch in diesem Sinne war 2014 zu großen Teilen ein Jahr der Rückwärtsbewegung.

Eine auszugsweise Auflistung der Beklopptheiten:

  • Den Islamischen Staat ausrufende Dumpfbacken mit Minderwertigkeitskomplex errichten eine mittelalterliche Macho-Gewaltherrschaft, die anhand ihrer in Echtzeit und 3D gerenderten Grafikleistung jeden Ego-Shooter zum Märchenquartett schrumpfen lässt. Religion ist zu einer Phantasy-Orgie mutiert, in deren höchsten Level dem Gewinner 72 Jungfrauen versprochen werden. Ob der Hersteller des Spiels das wirklich liefern kann?

  • Wer aufgrund dieser Idiotie einmal mehr den Untergang des hiesigen Abendlandes befürchtet, schließt sich der

    Selbstverständlich weiß der Autor, dass Vokuhila die Abkürzung für eine seltsame Haarmode aus den Achtzigern ist. Er hat sich sehr bewusst für die Verwechslung mit der lokal etwas variierenden „Bürgerbewegung“ entschieden, um dieser keine weitere Popularität zu verschaffen.
    oder einer ähnlich umständlich abgekürzten und von Neonazis gesteuerten Initiative an, um seine Fremdenängste endlich auf der Straße ausleben zu können. Man bezeichnet sich als „bürgerliche Mitte“, trägt seinen braunen Kern endlich wieder offen, will kein Nazi sein, hat nichts gegen Ausländer, aber… Verschwiegen wird in all der Angstdemonstration, dass die Opfer der islamistischen Gewalt in der Mehrzahl Muslime sind. Doch übersehen wir nicht den einen Vorteil dieser fragwürdigen Protestbewegung: Endlich braucht der gepflegte Hooligan keinen Bundesligaspielplan mehr zur Terminierung seiner Freizeitaktivitäten.

  • Wer in der Ostukraine und drumherum ein Friedensengel, ein Faschist oder relativ harmloser Nationalist oder gar Freiheitskämpfer ist, was Schwärmerei von den vermeintlichen Vorzügen einer untergegangenen UdSSR ist bei einem inzwischen ultrakapitalistischen und nationalistischen Russlands ist und welche von den Massenmedien verbreitete Nachrichten Demagogie oder oder einigermaßen ungefärbte Neutralität darstellen, interessiert nicht mehr. Wenn beide Seiten lügen, wird bestenfalls weggehört.

  • Der Nahostkonflikt, der Nahostkonflikt. Der ist irgendwie immer da und immer gleich. Ob man nun die Seite der Palästinenser oder die der Israelis unterstützen oder verurteilen mag, ist inzwischen relativ unbedeutend. Zu sehr sind auf beiden Seiten die vernünftigen Kräfte ge- oder verschwunden. Allerdings scheint es in der Region trotz der Dauer des Konflikts noch Waffen, Sprengstoff und Menschenmaterial in ausreichender Menge zu geben, wie es zu meinem Erstaunen auch noch genügend zu zerstörende Wohnhäuser zu geben scheint. Da die jeweiligen Bevölkerungen ihre Wahlzettel immer radikaleren Gruppierungen widmen, werden noch ein paar Generationen über den Nahostkonflikt diskutieren dürfen. Das Gebiet ist ein wunderbares Biotop, in dem studiert werden kann, dass Menschen, die keinen anderen als den Kriegszustand kennen, nicht unbedingt die Motivation zum Frieden entwickeln.

  • Als die Bürger der USA einen afroamerikanischen Präsidenten wählten, schien der Rassismus endlich besiegt, höchstens noch in den Köpfen einer zu vernachlässigenden Minderheit vorhanden. Nun erlebt das Land Proteste und Unruhen wie schon lange nicht mehr, denn das Land der Freien muss erkennen, wie der latente Rassismus in Polizei und Justiz anhand der Todesopfer jüngster Zeit nach außen tritt. Wäre die Waffenlobby nicht derart im Konservativen verwurzelt, würden sicher jetzt perfide Parolen laut werden, nach dem beispielsweise der 18-jährige Michael Brown noch leben könnte, wenn er denn im Besitz einer Handfeuerwaffe gewesen wäre, um sich gegen den Polizisten zu wehren. Ein bekloppter Gedanke, von dem sich der Autor sofort distanzieren möchte.

  • Europa war einst ein großes Ziel. Etwas ist schief gelaufen. Inzwischen wird Europa als bürokratische, nicht als demokratische Einheit wahrgenommen. Die Bevorzugung von Wirtschaftsinteressen behindert die gesellschaftliche Entwicklung und wir lassen uns ständig mit Arbeitsplatzkeulen bedrohen und von Heiligsprechungen eines allgegenwärtigen Marktes blenden. Der europäische Geist erscheint hingegen viel zu selten und separatistische Gedanken, nationalistische Idealbilder geben längst überwunden geglaubte Alternativen vor. Europagegner werden im Parlament Europas immer mehr und fördern den Zersetzungsprozess. Anstatt nun im Gegenzug Europa voranzubringen, kümmert sich die von den Wählern kaum noch geforderte Politikkaste weiter für die Interessen der Interessenverbände. Die Lobbyisten kümmern sich wenigstens noch um Politik. Die Demokratie muss aufpassen, dass die Lethargie nicht zur Agonie wird.

  • In Japan, einem Land, das es besser wissen müsste, soll 2015 der stillgelegter Atommeiler Sendai wieder hochgefahren werden. So hat es die Präfektur Kagoshima trotz zahlreicher Protesten aus der Bevölkerung mehrheitlich entschieden. Nur 70 km vom Standort des Kraftwerks entfernt befindet sich der aktive Vulkan Sakurjima. Schön bekloppt, sollte man meinen. Fast so bekloppt wie die Briten, die ihr neues Kernkaftwerk Hinkley Point in Somerset 35 Jahre lang subventionieren werden und dafür auch noch die Freigabe der EU erhalten haben. Zur Begründung der Genehmigung schreibt die deutsch Vertretung der EU-Kommission auf ihrer Homepage: „Im Verlauf der der eingehenden Unetersuchung konnten die britischen Behörden nachweisen, dass mit der Beihilfemaßnahme ein echtes Marktversagen behoben wird, und die anfänglichen Zweifel der Kommission ausräumen. Insbesondere könnten die Projektträger aufgrund der beispiellosen Art und Tragweite des Projekts nicht die erforderlichen Finanzmittel beschaffen.“ Da reagiert der Markt ausnahmsweise einmal richtig, wird ihm ein Versagen unterstellt. So einfach geht das in einer Lobbykratie. Was nach den 35 Jahren sein wird und wer die unermesslichen Kosten nach der Stilllegung – wenn keine Katastrophe die Laufzeit verkürzt – in 60 Jahren tragen wird, ist leicht zu erraten. Es wird vermutlich nicht der Betreiber sein (können). Auch in diesem Sinne wird dann wieder der Markt versagen.

  • Wenn auch viele innenpolitische Themen zwischen PKW-Maut und dem geduldeten Herausmogeln aus dem sozialen Netz die allgemeine Beklopptheit begründen könnten, darf das Ebolafieber auch in diesem Jahresrückblick nicht fehlen. Seit 1976 ist es bekannt, als im damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, 280 Menschen an ihm starben. Zwischendurch tauchte der Erreger immer wieder auf und ließ in Afrika immer wieder Menschen sterben, bis er 2014 dann zum großen Schlag ausholte und Menschen in Guinea, Liberia, Sierra Leone, Nigeria, dem Senegal, der Demokratischen Republik Kongo und Mali befiel. Als dann auch noch Infizierte in die USA und nach Spanien reisten, wurde die Sache auch für uns brenzlig. Schließlich hielt sich das Virus bislang an die kontinentalen Grenzen Afrikas, einem ökonomisch – und daher menschlich – eher unergiebigen Erdteil. Viren sind clever. Würden sie ihre Wirte vornehmlich in den USA oder in Europa dahinraffen, hätte die Pharma-Industrie längst genügend Pillen oder Spritzen im Angebot. Wer zahlen kann, dem wird geholfen. Solidarität ist ein Begriff längst vergangener Zeiten und auf den Märkten hinderlich.

Wenn sich Fortschritt weiterhin technisch anhand einer höheren Auflösung in der Bilddarstellung eines Handy-Displays definiert und nicht gesellschaftlich durch wachsende Freiheit und Gerechtigkeit, wird 2015 ebenso nach hinten losgehen. Wir werden Regierungen wählen, die uns schaden, wir werden aktiv oder passiv Entwicklungen unterstützen, die wir nicht wollen und wir werden uns von Unternehmen und Staaten aushorchen lassen, weil alles so unüberschaubar und irgendwie bequem ist. Die Bekloppten dieser Welt freuen sich darüber und haben weiterhin freie Bahn. 2014 dürfte ihnen Mut gemacht haben und da hilft es auch nichts, dass ganz Deutschland Fußball-Weltmeister geworden ist.




Das vergoldete Zeitalter – Eine Geschichte von heute

von Dirk Jürgensen ...

Die erste deutschsprachige Ausgabe seit 1876

Das vergoldete Zeitalter - Neuauflage - Bitte beachten Sie den unten aufgeführten Text

Das vergoldete Zeitalter – So sieht die Neuauflage aus.
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Die durchgesehene und verbesserte Neuauflage des mit jedem Platzen einer neuen Finanzblase und mit jeder Wirtschaftskrise wieder zitierten Klassikers von Mark Twain und Charles Dudley Warner ist auch in deutscher Sprache erhältlich. „Das vergoldete Zeitalter: Eine Geschichte von heutekann in über 1000 Online-Buchshops und – das sei ohnehin unbedingt empfohlen – natürlich im lokalen Buchhandel bestellt werden. Achten Sie bei der Bestellung unbedingt auf die ISBN 9783734733529!

Es war dem Herausgeber wichtig, die verbesserte Ausgabe zu einem günstigeren Preis anbieten zu können. Mit einem Ladenpreis von 19,80 Euro ist das auch gelungen. Weniger war bei immerhin 464 Seiten und fehlender Massenproduktion leider nicht drin. Zusätzlich gibt eine E-Book-Variante für nur 6,99 Euro. Damit lässt sich die nächste Wirtschaftskrise mit einem Schmunzeln begrüßen, denn so richtig hat sich unser geliebter Kapitalismus seit Twains Zeiten nicht gebessert.

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