1

Es gibt ihn noch, den Winter.

von Dirk Jürgensen ...

Winter in Greetsiel

Tatsächlich, es gibt ihn noch, den Winter. Heute haben wir ihn in Ostfriesland gesehen. Und diese uns Rheinländern inzwischen unbekannt gewordene Jahreszeit ist sogar hübsch anzusehen.
Jetzt sind wir wieder zurück im ewigen Herbst. Oder Frühling? 14 Grad Temperaturunterschied zwischen Greetsiel und Düsseldorf sind jedenfalls eine ganze Menge.
Foto: © Dirk Jürgensen




Der ADAC und seine Kernkompetenzen

von Dirk Jürgensen ...

Mein Lieblingsauto ist nicht das gekaufte

Hanomag Komissbrot
Hanomag 2/10 PS „Komissbrot“ – Foto: Ralf Roletschek

Der ADAC sollte als überbewertet gelten, wenn wir die Frage beantworten, warum er so viele Mitglieder hat und warum diese Menschen überhaupt Mitglieder in diesem als Verein getarnten Konzern sind. Sie wollen vom zugegebenermaßen gut organisierten Pannenschutz profitieren und sich ab und an ein paar Rabatte einheimsen. Als Verein im eigentlichen Sinne nimmt doch niemand dieses Unternehmen wahr und will es vielleicht auch gar nicht, wenn die eine Dienstleistung im Fokus steht. Der ADAC könnte also eine Menge Geld seiner Mitglieder sparen und die Beiträge senken, wenn man sich auf die Kernkompetenzen konzentrierte.Ich könnte beispielsweise gut auf die monatlich per Post zugestellte Fachzeitschrift für Treppenaufzüge verzichten. Die Anzahl der in der Motorwelt zu findenden Aufstiegshilfen sagt viel über die von den Anzeigenkunden vermuteten Leserschaft dieser Zeitung: Es sind die alten Mitglieder, die noch brav ihre Beiträge zahlen, aber längst kein Auto mehr fahren und somit keinen Pannenschutz mehr in Anspruch nehmen. Sicher sind auch eine Menge zahlender Witwen ohne Führerschein dabei, die die Abbuchungen von des seligen Opas Konto gar nicht bemerken.

Der ADAC testet Autos und veröffentlicht diese Tests in seiner Mitgliederzeitung. Wenn das absolut unabhängig geschieht, ist das für zukünftige Kaufentscheidungen wichtig und gut – eine Art Stiftung Warentest für Automobile. Doch das funktioniert nur, wenn sich die Autohersteller vor dem nächsten Test fürchten. Ob das so ist, mag ich zumindest bezüglich der deutschen Hersteller bezweifeln.

Der ADAC stellt sich als Interessenvertreter, also als Lobbyverband der Autofahrer dar. Autofahrer sind meist auch Fußgänger und Radfahrer, manchmal auch Rollstuhlfahrer. Die Fixierung auf nur eine Verkehrsteilnehmerschaft ist also zweifelhaft und irgendwie nicht mehr zeitgemäß. Auch aufgrund dieser einseitigen Ausrichtung steht zu befürchten, dass der ADAC in Wirklichkeit ein Lobbyverband der Autoindustrie ist, die mit diesem Verein einen weiteren branchenspezifischen Fuß in die Türen unserer Politiker schiebt. Das wäre eine recht perfide Methode, mit dem Pfund des Vertrauens der Mitglieder der Industrie zu dienen. Etwas plump kommt in diesem Zusammenhang die Verleihung des Gelben Engels zur Persönlichkeit des Jahres daher, bei der in der Regel ausgerechnet Vertreter jener Konzerne ausgezeichnet werden, die die Entwicklung sparsamer Fahrzeugmotoren mit Erfolg immer wieder bremsten.

Ich vermute, der derzeitige Skandal um die Wahl des Lieblingsauto der Deutschen offenbart nur die Spitze eines Eisbergs von Verstrickungen und einem im Grunde wenig mit einem Verein in Verbindung zu bringendem Geschäftssinn. Die Wahl, mit Verlaub, hätte man auch lassen können, wenn man dann doch nur das auf dem Markt erfolgreichste Auto küren wollte. Ein Blick in die jährlichen Zulassungszahlen hätte genügt, um diesen missverstandenen Begriff des Lieblingsautos im Sinne geschickter Vermarktung zu untermauern.

Ein Lieblingsauto, das ist man vielleicht in der Studentenzeit gefahren, hieß R4 oder 2CV oder es ist eines, das man sich niemals im Leben leisten kann. Praktische Erwägungen, die dann mit aller Ernüchterung zum Kauf führen, haben wenig mit einem Lieblingsfahrzeug gemein. Früher, da entstammte mein Lieblingsauto übrigens einem Traumautoquartett. Es war zwischen all den Luxusgefährten schwach motorisiert, im Grunde eher hässlich und konnte höchstens mit seinem Baujahr punkten. Es war ein Hanomag 2/10 PS und hörte auf den Namen „Komissbrot“. Würde man mich heute fragen, wäre ein Landrover Defender mein Favorit. Ein Auto, das noch als solches zu erkennen ist, doch leider demnächst verschwinden wird, weil das Management seines Herstellers Stil nicht mit moderner Motorentechnik kombinieren mag. Ob ich ihn jemals besitzen werde?

Ach, ADAC, kümmere Dich mit Deinen Gelben Engeln darum, dass Deinen Mitgliedern bei einer Panne geholfen wird, verschwende nicht deren Geld bei Autorennen und teste Fahrzeuge ohne Rücksicht auf eventuelle Persönlichkeiten des Jahres. Reisen kann man auch woanders buchen und Preisverleihungen sind auch nur teure Image-Veranstaltungen, die den Mitgliedern nicht dienen. Sei ein gemeinnütziger Verein, überlege, warum man Mitglied geworden ist – oder sei ehrlich und trenne Dich vom Vereinsstatus. Hinterher darfst Du auch Geschäfte machen.




Sie möchten also Deutscher werden – Anlässlich der Wahl Volker Bouffiers zum Ministerpräsidenten Hessens

von Dirk Jürgensen ...

Nicht Max Mustermann, sondern Volker Bouffier wurde heute zum Ministerpräsidenten Hessens gewählt. Das ist für Letzteren also nochmal gut gegangen. Manche außerhalb Hessens mögen sich noch an ihn erinnern, denn er war einst Innenminister dieses Landes und machte mit der Einführung eines Einbürgerungstests Schlagzeilen, der mich 2006 zu einer kleinen Satire verleitete, an die ich mich und Sie anlässlich der heutigen Wahl gerne erinnere:

Sie möchten also Deutscher werden

So als Staatsbürger, da wär‘ die Rente gesichert.

Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich

Artikel 3 des Grundgesetzes: Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich

Ort der Handlung ist ein Bürgerbüro in Bottrop im Jahre 2007.

Volker Bouffier, Hessischer Minister des Inneren und für Sport, freut sich, dass sich das Bundesland Nordrhein-Westfalen endlich zur Übernahme des von ihm initiierten Wissens- und Wertetests für Einbürgerungswillige entschlossen hat. Er möchte den Bürgern des Landes und seinen Beamten die Durchführbarkeit des Verfahrens nahebringen und hat sich dazu bereiterklärt, für einen Tag die Befragung der Neubürger in spe zu übernehmen. Aus Zeitgründen wird er sich auf eine Auswahl der einhundert Fragen beschränken. Er wird einige Passagen aus dem offiziellen 100 Fragen zitieren.

Die Tür der Amtsstube öffnet sich und ein älterer Herr, offensichtlich Rentner, tritt ein.

Bouffier: (schaut auf seinen Zettel mit den Namen der Angemeldeten) Guten Tag, Herr Koslowski. Nehmen Sie doch bitte Platz.

Koslowski: Tach auch, Herr Boffler.

Bouffier: Buh-fjeeh

Kowalski: Sach ich doch.
Bouffier: So, Sie möchten also Deutscher werden. (räuspert sich) Ausdrücklich versichere ich Ihnen, dass ich mich über Ihre Entscheidung freue. (B. nimmt eine förmliche Haltung an und streckt Koslowski kurz die Hand entgegen.)

Koslowski: Nee, ich wollt aigentlich …

Bouffier: Ehm, wie auch immer. (Zieht die Hand wieder zurück.) Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Hessen – ääh Nordrhein-Westfalen – heißen jeden herzlich willkommen, der sich zu ihren Prinzipien und Werten bekennt. Um das sicherzustellen machen wir ihnen den Leitfaden …

Koslowski: Meinen Perso …

Bouffier: Später, Herr Koslowski. Sie haben sicher den vorliegenden „Leitfaden Wissen und Werte in Deutschland und Europa“ gelesen. Als Bewerber für die deutsche Staatsbürgerschaft leben Sie …

Koslowski: Ich leb schon immer in Bottrop. Main Oppa, der is sainerzait aus Kattowitz …

Bouffier: … ääh, bereits in Deutschland, und Sie …

Koslowski: … mit nix als sein Mottek. Konnte nichma Deutsch. Nur sein Mottek – un ab innen Pütt.

Bouffier: Ja, sicher eine schwere Zeit. Ääh, wo war ich? Ach so. Sie leben schon im schönen Bottrop und stellen sich vielleicht die Frage: Warum jetzt ein Test?

Koslowski: Ich denk da raicht son Aufkleber und dann isser wieder …

Bouffier: Fassen wir uns kurz. Wir wollen kein Nebeneinander, sondern ein Miteinander; dies soll geprägt sein von Staatsbürgern, die zwar unterschiedlicher Herkunft sein mögen, aber gemeinsam für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einstehen und sie notfalls auch verteidigen. Wir erwarten deshalb, dass Sie sich mit den politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen und Überzeugungen unseres Staates intensiv auseinandersetzen, sie erlernen, und sie eindeutig bejahen. Ich stelle Ihnen einige Fragen …

Koslowski: Wenn´ze mainz. Nur, mach hinne, ker. Ich muss noch nach Aldi.

Bouffier: Gut, fangen wir an. Nennen Sie drei deutsche Mittelgebirge!

Koslowski: Jau! Watt nehm wa da? Datt Sauerland, datt Siebengebirge und die Halde Haniel hier in Bottrop, 126 Meta hoch.

Bouffier: Naja, aller Anfang ist schwer. Die nächste Frage: Nennen Sie drei Gründe, warum Sie deutscher Staatsbürger werden wollen!

Koslowski: Also Staatsbürger. So richtig mit allet?

Bouffier: Ähm, ja natürlich. Sowieso.

Koslowski: So als Staatsbürger, da wär` die Rente gesichert. Nix mehr mit Maloche. Eintrach ins Goldene Buch un so. Alles vom Staat gestellt und keine Steuern abdrücken. Datt wärs.

Bouffier: Eigenartige Sichtweise. Ich schreibe es mal auf. Kommen wir zum historischen Wissen. Welche Versammlung tagte im Jahr 1848 in der Frankfurter Paulskirche?

Koslowski: War datt die Gründung vom DFB? Die tagen doch immer in Frankfurt.

Bouffier: Schon, aber nein. Eher weniger. Gehen wir weiter weiter. Erläutern Sie den Begriff „Holocaust“!

Koslowski: Näh. Mit so modernes Zeugs kenn ich mich nich aus. Mit Computer un so müssen Se mein Sohn fragen.

Bouffier: (vollkommen entsetzt) Es geht um die Vernichtungsmaschinerie der Nazis!

Koslowski: Warum sagen Se datt denn nich? Ne, da will ich nix mit zu tun haben. Die Koslowskis waren immer sauber. Die Omma hat sogar nen Juden in ihr Kohlenkeller versteckt. Die Nazis, das wa’n Verbrecher. Aber (zögert ganz kurz) für Arbeit haben die gesorcht. Für Autobahnen. Da musste keiner auffer Straße rumlungern.

Bouffier: Genug! Genug davon. Können Sie mir denn sagen, was am 8. Mai 1945 geschah?

Koslowski: Da kam mein Vatta auße Gefangenschaft nach Hause. So ungefähr jedenfalls. Kann auch zwei/drei Jahre später gewesen sein. Ich war ja ers vier.

Bouffier: Gut, das ist ja auch schon lange her. (lächelt unsicher) Kommen wir zu den Grundrechten, denn die Bürgerinnen und Bürger sollen diese Verfassung, die sie tragenden Grundsätze und damit auch diesen Staat innerlich bejahen und sich ihnen verpflichtet fühlen. Also, von wem geht in der Bundesrepublik Deutschland alle Staatsgewalt aus? Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Bürgerinnen und Bürger?

Koslowski: Vonner Polizei. Vorteile? Hörn se mal. Die sind doch nie da, wenn man se braucht. Neulich, da …

Bouffier: Ich glaube, die Frage war etwas anders gemeint. Versuchen wir es einmal mit dem Thema der Gleichheit: Einer Frau soll es nicht erlaubt sein, sich ohne Begleitung eines nahen männlichen Verwandten allein in der Öffentlichkeit aufzuhalten oder auf Reisen gehen zu dürfen: Wie ist Ihre Meinung dazu?

Koslowski: Sehnse? Das wollt ich Ihnen doch eben verklickern. Sonne Frau kann sich doch gar nich mehr allein auffe Straße wagen. Bei die ganzen Paselacken überall. Nix zu sehn vonne Polizei. Die Frau Dombrowski von nebenan, die ruft immer einen Ziwi wennse mal abends vor die Tür will. Un wenn der nich kann, fracht se mich. Nen männlichen Verwandten hat die ja nie gehabt. Nen Vatter vielleicht. Aber der is im Kriech gebliem …

Bouffier: (wird ungehalten) Halt, halt! Sie scheinen gar nicht zu reflektieren, um was es hier geht. Sie gefährden Ihre Einbürgerung. (versucht die Fassung zurück zu gewinnen) Wenigstens mit der Religions- und Meinungsfreiheit werden Sie mir doch etwas sagen können. – In Filmen, Theaterstücken und Büchern werden manchmal die religiösen Gefühle von Menschen der unterschiedlichen Glaubensrichtungen verletzt. Welche Mittel darf der Einzelne Ihrer Meinung nach anwenden, um sich gegen so etwas zu wehren, und welche nicht?

Koslowski: Dat is sonne Sache mitte Rellijon. Da hab ich mit den Ewald mal richtig Zores gekricht. Der is ja für Dortmund un ich für Schalke. Schon immer. Der Ewald is ja der Kassenwart von mein Taubenzüchterverein. Richtigen Erbsenzähler. Alles klärchen bis dahin. Muss man trennen. Aber wennz um Fußball geht, geht die Freundschaft koppheister. Da is Halligalli. Ers wenna eine auf die Zwölf kricht is Ruhe im Stall.

Bouffier: (will eigentlich aufgeben, hat aber noch ein paar Wissensgebiete abzufragen) Für die Abgeordneten in den Parlamenten gilt der „Grundsatz des freien Mandats“. Was heißt das?

Koslowski: Da muss ich ma raten. Hm. Die könn über ihre Penunsen frei bestimmen?

Bouffier: (versucht es mit Humor zu nehmen) Fast. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat. Was bedeutet Rechtsstaat?

Koslowski: Datt die Regierung meistens vonner CDU is. Woll?

Bouffier: (erhöht die Schlagzahl) Wie heißt die politische Vereinigung der europäischen Staaten?

Koslowski: EWG, datt kenn ich. Hat den Kulenkampff immer Reklame für jemacht.

Bouffier: Nennen Sie drei deutsche Philosophen!

Koslowski: Kann ich mal telefoniern? Ich ruf den Ewald mal an. Der is nämlich nich nur im Taubenzüchterverein, er kennt sich auch damit aus. Der hat sammelt die Dinger schon seit er so´n Stöppken is. (zeigt einen ungefähr drei Zentimeter messenden Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger)

Bouffier: Sammelt? Philosopische Literatur?

Koslowski: Ja, Bücher hatter auch. So Kataloge, wo drinsteht watt die wert sind, wenner se mal verticken sollte. Und Albümer.

Bouffier: Alben?

Koslowski: Sach ich doch. Sonst fliegen die Maaken doch nur inne Laube rum.

Bouffier: Briefmarken. Ach so. (hat die Frage vergessen und sucht mit dem Finger auf dem Papier krampfhaft die nächste – ein Lächeln streift sein Gesicht) Jetzt habe ich aber eine Frage, die sie bestimmt beantworten können.

Koslowski: Wieso, stimmt was nich?

Bouffier: Schon gut. Hier ist sie. In den deutschen Kinos startete 2004 der Film „Das Wunder von Bern“. Auf welches sportliche Ereignis nimmt der Film Bezug?

Koslowski: Jau, der Boss. Helmut Rahn. Der hat ja nich auf Schalke gespielt. Bei Rot-Weiß-Essen. Meister 1955. Aber datt Wunder von Bern war 1954 … Jau, da warn wir wieder wer. Also Deutschland. Als Macht. Hat ja auch lange gefehlt, so was … Gilt ja heute wieder, obwohl se ´58 direkt wieder abgekackt haben. Will sich aber keiner dran erinnern.

Bouffier: Das war ja wenigstens mal ein Treffer. (atmet durch) Dann möchte ich mit der folgenden Frage abschließen: Wie heißt die deutsche Nationalhymne und mit welchen Worten beginnt sie?

Koslowski: Äh, das Deutschlandlied?

Bouffier: Das Lied der Deutschen – aber gut … und mit welchen Worten beginnt sie?

Koslowski: (beginnt zu singen) Deutschland, Deutschland üüüüüber ahaless …

Bouffier: Nein, nein, nein – doch nicht die erste Strophe!

Koslowski: (überlegt kurz und beginnt mit kräftiger Stimme erneut zu singen) Deutsche Frauen, deutsche Treuheue, deuheutscher Wein …

Bouffier: Schluss! Ende! Nein! So werden Sie nie eingebürgert. Das ist ja unerträglich. Gerade mal die Frage nach der Fußball-Weltmeisterschaft von 1954 konnten Sie einigermaßen beantworten. (Will sich beruhigen.) Zur Einbürgerung sollten eigentlich mindestens 50 Prozent richtig sein. Wie kommen Sie nur dazu, Deutscher werden zu wollen?

Koslowski: Aber ich bin doch schon lange … und wollte doch nur meinen Perso verlängern. Ker, watt is datt bloß frickelich geworden. Mannomann. Schaiß Bürrokratie!

Bouffier: (lässt Koslowski einfach sitzen und verlässt angesichts dieser für ihn unerträglichen Parallelgesellschaft fluchtartig das ihm fremde Bundesland Nordrhein Westfalen)

Koslowski: (schüttelt auf dem Nachhauseweg ständig den Kopf und denkt) Buff-jeh – watt fürn komischen Namen. Aus welche Wallachei is der bloß wech?

Noch im Laufe des gleichen Jahres 2007 sollen die einhundert Fragen des Hessischen Kataloges um fünf weitere Fragen erweitert werden, die speziell an Übersiedlungswillige aus Nordrhein Westfalen gerichtet werden sollen.

© Dirk Jürgensen – Veröffentlichungen des Textes und der Bilder, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors.




Schleimünde im Winter

von Dirk Jürgensen ...

Schleimünde

Schleimünde im Winter – © Dirk Jürgensen




Spendenaufruf – Jetzt nur noch 1 Million Euro!

von Dirk Jürgensen ...

Reichtum

Nein, einem Auto mit diesem Wesen auf der Motorhaube gilt mein Streben und auch mein Spendenaufruf nicht.

Vorab sei gesagt, dass der gleich folgende Text nunmehr fast genau zehn Jahre alt ist. Inzwischen bin ich um genau dieses Stück älter, aber leider keinen Deut wohlhabender geworden, denn auf meinen damals veröffentlichten Aufruf hat sich aus mir unerfindlichen Gründen kein Spender gemeldet. Somit würde ich, sollte ich den Text anlässlich der zum Jahreswechsel üblichen Aufrufe neu verfassen und mit aktellen Beispielen würzen, die Zielsumme um ein sattes Drittel auf 1 Million Euro reduzieren und könnte die angesprochene Entlastung des Arbeitsmarktes meinerseits dennoch realisieren. Tja, wenn das kein Angebot ist, …

Von der Verhältnismäßigkeit der Geldmittel

Mit etwas Glück befinde ich mich als Nichtraucher ungefähr in meiner Lebensmitte. Ein Abschnitt hat begonnen, in dem der Gedanke an das Später und den Ruhestand mehr Gewicht als früher erhält. Dieser Gedanke, der Blick in die Geldbörse und die anschließenden Berechnungen lehrten mich: mir fehlen 1,5 Millionen Euro, um endlich einem Jüngeren Platz zu machen und die Beschäftigung meiner letzten Jahre nach dem Lustfaktor auszurichten. Weiterlesen




Wieder ein Rückblick auf das Jahr 2013

von Dirk Jürgensen ...

Wir hatten die Wahl und wählten nicht

Wann war diese Bundestagswahl nochmal? Ist jedenfalls schon etwas länger her. Egal.

Aufruf zur persönlichen Revolte

So mache ich es mir im Neuen Jahr 2014 zur Aufgabe, etwas subversiver, einen Deut anarchistischer zu sein.

Das mit der neuen Regierung dauerte dann auch noch etwas. Und da sie nun dank des erwarteten Votums der SPD-Mitglieder endlich im Amt ist, wird sich im Land ohnehin nicht viel ändern. Mit einer Großen Koalition ändert sich nie viel. Weil ihr Hauptanliegen der Kompromiss ist. Eindeutige Richtungen jenseits des Mittelmaßes, gar grundlegende Überzeugungen oder Idealismus sind dem abträglich. Da hilft es auch nicht, dass Ursula von der Leyen jetzt von der Familie zur Verteidigung Deutschlands an den Hindukusch wechselte. Übrig bleibt hinterher eh die ewige Kanzlerschaft Angela Merkels und die Tatsache, dass die Wähler dem im TV-Duell der Kandidaten geäußerten Wunschbild ihres Vordenkers Stefan Raab entsprachen, und in ihrer entschiedenen Unentschiedenheit eine Große Koalition erzwangen. Nur der vermeintliche „King of Kotelett“ Peer Steinbrück mochte dem Entertainer nicht folgen und zeigte eine für einen Politiker seltene Konsequenz. Weiterlesen




Jetzt endlich einmal ausruhen

von Dirk Jürgensen ...

Weihnachten - Foto: © Dirk Jürgensen

Irgendwo stand zu lesen, dass der Einzelhandel mit dem diesjährigen Weihnachtsgeschäft nur mäßig zufrieden sei. Liegt das vielleicht nur daran, dass die Eingänge der Geschäfte zu eng waren? – Foto: © Dirk Jürgensen




Fußballstadien ohne Identität

von Dirk Jürgensen ...

Namen sind mehr als Schall, Rauch und Marketing

Heimspiel

Ein Heimspiel im Rheinstadion – oder doch in der XYZ-Arena?

Deutschlands Fußballfans sind verunsichert. Auswärtsfahrten werden zu abenteuerlichen Orientierungsspielen. War es einst allein die Ähnlichkeit von Städtenamen, die Busfahrer eine ganze Ladung singender Anhänger im westfälischen Ahlen aussteigen ließ, obgleich das Spiel im baden-württembergischen Aalen stattfand, so kann sich heute niemand mehr die Namen der Stadien merken. Muss er auch nicht, denn bis dahin hat sich der Name schon wieder geändert. Weiterlesen




Die Ehrbarkeit des Verrats

von Dirk Jürgensen ...

Gedanken zur Überwachung der Überwachenden

Es ist ein altes Spiel. Soldaten müssen damit rechnen, in Gefangenschaft zu geraten oder gar getötet zu werden. Spione riskieren ihre Enttarnung, wechseln ab und zu die Seiten oder treiben Doppelspionage. Geheimnisse werden nur von ihren Trägern gehegt, sind ungern welche und warten auf ihren Verrat.

Jeder SoldatÜberwachung und jeder Spion hat immer im Guten zu handeln. Das Gute ist seine wie auch immer erlangte individuelle Überzeugung oder schlicht sein Auftrag, womöglich die Freiheit, die Demokratie oder auch eine autoritäre Gesellschaftsform, der freie Handelsverkehr, die Souveränität eines Landes oder einer Volksgruppe, eine – seine! – Religion und der pauschal-indifferente Kampf gegen das Böse. Im Zweifelsfall hat das Gute immer das zu sein, was als Befehl beim Soldaten oder Agenten ankommt.

Das staatlich angeordnete Ausspionieren, der Mord oder gar Massenmord, der Verrat oder einfach das vorschriftsmäßige Handeln und viel zu selten der passive Widerstand sind Mittel, die einem Zweck dienen sollen – der Schaffung, Wahrung oder Wiederherstellung des Guten. Dabei braucht dieses verdammt relative Gute das Böse, sonst wären seine Hüter arbeitslos.

Ein Geheimdienst ist eine Institution, die dem Bösen auf der Spur und bemüht ist, diesem immer einen Schritt voraus zu sein. Ein Schritt vor dem Bösen? Das Gute im Komparativ oder gar Superlativ des Bösen? Was der Schritt auch immer bedeutet, bedingt er das Ausspähen des Gegners, das Sammeln von Informationen, auch jenen, deren Wert vielleicht heute noch gar nicht eingeschätzt werden kann. Die Aufmunterung zum Verrat gehört ebenfalls dazu, denn ehrbar ist der Verrat auf der Seite des Gegners, wie auch das taktische Schließen eines Paktes mit im Grunde widerwärtigen Parteien als legitim bewertet wird. Misstrauen heißt die Maxime, Abschottung ist dabei lebenswichtig. Ein Geheimdienst ist per definitionem einsam und gesellschaftlich losgelöst, tendiert zum Geheimbund. Er führt anfangs notgedrungen, im Zuge der Gewohnheit irgendwann mit Genuss, sogar ein Eigenleben, weil er nicht einmal seinen Auftraggebern trauen kann. Denn nicht einmal der ist vor Verrat gefeit.

Setzen wir voraus, dass auch eine Demokratie nicht ohne einen oder mehrere Geheimdienste auskommt. Setzen wir voraus, dass es die immer wieder herbeizitierte Sicherheitsbedrohung in der jeweils vorgetragenen Form wirklich gibt. Dann muss die Kontrolle der Arbeit dieser Dienste immer in der Hand der demokratisch legitimierten Regierung und gleichzeitig dem ins Parlament gewählten Teil der Opposition liegen. Auswüchse bis hin zu einer geheimen Parallelgesellschaft sind zu unterbinden, was, wie eben bedacht, dem Misstrauischen in seiner Einsamkeit nicht gefallen kann.

Funktionierende Kontrollinstanzen – welch idealistischer Traum – weisen neben der Überwachung der Überwachenden immer auf ein Verwischen oder gar Umkehren dessen hin, was der gesellschaftliche Konsens von Gut und Böse ist, was die eigentliche Bedrohung für diese Gesellschaft darstellt. Die unkontrollierte Eigenständigkeit einer Sicherheitsbehörde ist eine Gefahr für jedes demokratische System und die Partnerschaft demokratischer Systeme miteinander. Vertrauen ist ihr Fundament. Misstrauen ist ein Indiz für eine schwindende oder eine bloß opportunistisch motivierte Freundschaft, wenn es denn Freundschaft unter staatlichen Gebilden überhaupt geben sollte. Misstrauen mit Misstrauen bekämpfen? Seltsam, aber so muss es wohl sein. Wie auch die Kontrollinstanzen auf internen Verrat, auf Whistlebower in eignen Reihen bauen müssen, wenn etwas nicht rechtens läuft. Sonst macht der esprit de corps die Kontrolle unmöglich.

Nur kurz sei zu erwähnen, dass eine politisch wie ökonomisch freie Presse, das wohl wichtigste Kontrollorgan eines Staates und der Staaten untereinander ist. Eingriffe in die Pressefreiheit, wie jüngst in Großbritannien ohne viel Aufschreien der Bürger geschehen und in Russland Normalität, stellen eine schlimme Bedrohung demokratischer oder sich als demokratisch bezeichnenden Gesellschaften dar. Auf Dauer ist diese Bedrohung gefährlicher als die des Terrors einzuschätzen, dessen Bekämpfung der Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit eigentlich dienen soll.

Ja, dieser elende Zwang des Faktischen. Diese zutiefst menschliche Eigenschaft, immer wieder eine Begründung dafür zu finden, warum wir in diesem einen Fall das Falsche tun mussten, obgleich wir doch eigentlich das Richtige erreichen wollten – das dann leider nicht eingetroffen ist. Im Streben nach Sicherheit haben zahlreiche Regierungen genau diese Eigenschaft verinnerlicht, sind in der Suche nach alternativem Handeln erstarrt. Wenn dem Einzelnen noch so etwas wie ein Gewissen zwickt, so findet es innerhalb eines Apparats schnell Ablenkung. Fraktionsdisziplin heißt das. Sie beginnt mit dem demokratischen Solidaritätsprinzip eine Mehrheitsentscheidung trotz anderer Ansichten mitzutragen und endet mit der Diskriminierung von Abweichlern. Abweichler? Verräter? Feinde des Korpsgeistes. Wir sollten uns freuen, wenn es solche Abgeordnete noch gibt, die den Mut besitzen, Artikel 38 (1) des Grundgesetzes zu entsprechen. Dort heißt es eindeutig, sie seien „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Also ist Verrat aus idealistischen Gründen – nicht aus finanziellen Gründen – durchaus der Beweis für das Vorhandensein eines Gewissens. Solche Verräter an die Öffentlichkeit werden als Regulativ werden immer wichtiger.

All das, was hier geschrieben steht, kann übrigens ohne Einschränkung auf ökonomisch ausgerichtete Nichtregierungsorganisationen übertragen werden. Facebook und Google sind zwei gewohnt gewordene Bespiele. Viele weitere weltweit tätige Datenkraken spähen aus, halten sich dabei stets für die Guten und die Mitbewerber für unfair bis böse. Sie bauen religions- oder staatsähnliche Gebilde auf und übertreffen politische Organisationen längst an Macht.

Auch Ihnen – und noch mehr uns – wünsche ich mir für die Zukunft immer wieder ein paar neue Snowdens.

Wer bis hierhin gelesen hat, dürfte sich auch dafür interessieren: Die BigBrotherAwards 2014 warten auf Ihre Nominierungen




Fußball, ein feuchter Sport

von Dirk Jürgensen ...

Fußballer spucken nicht nur auf den Rasen

Eine berühmte Spuckszene aus der Fußballhistorie in künstlerischer Bearbeitung.

Die Zahl der im heimischen Fernseher zu betrachtenden Fußballspiele reicht ins Unermessliche. Die WM naht mit eiligen Schritten und eines ist ganz sicher: Wir werden Aufnahmen von Spielern aller Länder und Mannschaften bewundern, die dem Platzwart beim Befeuchten des Rasens gehörig Konkurrenz machen. Rotzbengel betitelte ich 2004 einen Text, mit dem ich mich an der Annäherung einen besonderen Saft versuchte. Jede Fußballübertragung konserviert seine Aktualität. Weiterlesen




Druck mit sozialem Netzwerk – In eigener Sache

von Dirk Jürgensen ...

In den letzten Tagen haben sich zwei wichtige Kleinigkeiten beim vergoldeten Zeitalter geändert:

  1. Da unsere manchmal etwas längeren Texte gerne auch vom Papier gelesen werden, bieten wir jetzt die Möglichkeit einer für den Druck optimierten Ansicht.
  2. Natürlich dürfen die mehr oder weniger sozialen Netzwerke nicht fehlen. Unter den Texten ist nun eine ansehliche Anzahl davon zu finden. Wir haben uns für die Zwei-Klickvariante entschieden, die den hiesigen Vorstellungen vom Datenschutz weitestgehend gerecht wird. Sollten Sie dazu weitere Informationen benötigen, klicken Sie hier.



Ist der Braunkohletagebau nun doch verzichtbar?

von Dirk Jürgensen ...

Otzenrath ist nicht mehr

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, wird beim Stromerzeuger RWE geprüft, ob der Braunkohletagebau in Nordrhein-Westfalen aus Kostengründen stillgelegt werden soll. Eine von KritikerOtzenrathn immer wieder als vollkommen veraltet gescholtene Technik, auf die man angesichts der notwendigen Versorgungssicherheit bislang keinesfalls verzichten konnte? Derzeit dementiert die RWE die Meldung, doch könnte der wachsende Marktanteil umweltfreundlicher Stromerzeugung tatsächlich ein Grund für das Einlenken des Konzerns sein.

Was geht nun in den Menschen vor, die noch vor gar nicht langer Zeit ihre Dörfer verlassen mussten und was in denen, deren Dorf noch auf der Abrissliste steht?

Marie van Bilk hatte sich im inzwischen nicht mehr existierenden Dorf Otzenrath umgeschaut und eine bis zum Schluss standhafte Bewohnerin gesprochen: Wenn der Bagger kommt




Sehrsehr geschicktes Abwehrverhalten 2.0

von Dirk Jürgensen ...

Sprache und Fußball

Die älteren Sportinteressierten werden mit dem ursprünglichen Text aus dem Jahre 2004 noch etwas anfangen können. Nicht zuletzt für die jüngeren Beobachter der TV-Übertragungszene möchte ich einige aktuelle Anmerkungen folgen lassen. Insgesamt erfüllt mich der alte Text übrigens mit Stolz. Ich glaube damals einer Entwicklung auf die Spur gekommen zu sein, die inzwischen alle, wirklich alle Lebensbereiche erreicht hat. Zwischen Politik, Kultur und Privatem ist nichts verschont geblieben. – Was macht Berti Vogts eigentlich heute? 2004 war er jedenfalls noch nicht Trainer der Nationalmannschaft Aserbaidschans und Rudi Völler … Weiterlesen




Zum 100. Todestag des Hermann Harry Schmitz

 von Dirk Jürgensen ...

Klischee, nichts als Klischee vom Humorkongress bis zur Lungenliga.

Hermann Harry Schmitz - Das Buch der Katastrophen

Ich habe keine Lunge mehr. Ich bin eigentlich tot oder aber ein anatomisches Phänomen. Ich muß schon letzteres sein, da mir das Totsein niemand so recht glauben will. (Hermann Harry Schmitz – Der Beginn der Geschichte „Von meiner Lunge“)

Der Deut­sche, die Deutsche selbstver­ständlich auch, hat es schwer mit sich, seinem und ihrem Humor. Das ist schon lange so und hat etwas mit dem Gemüt, der Mentalität zu tun. Wir Deutschen handeln, wenn man uns aktiv oder passiv in nüch­ternem Zustand betrachtet, meist vernünftig und wir fordern ebendieses Ver­halten gern durch lautes Appellieren ein. Humor, aber auch Wut und Schreie verzweifelter Ungerechtigkeit müssen hingegen um Erlaubnis fragen, ob gerade Platz für sie vorhanden sei. Meist ist dies nicht der Fall. Meist werden sie als ungerecht und hart empfunden, selbst wenn sie nur eine ver­ständliche Reaktion sind.

Gottlob – auch dieser Begriff ist höchst diskutabel – ist Vernunft, wie uns die Vernünftigen unter den Philosophen bislang erfolglos erklärten, höchst und zutiefst relativ. Erfahrungen hat da jeder. Denken wir an die Ermahnungen unserer Mütter zurück, doch endlich Vernunft anzunehmen – die einzig gültige, die der Mutter natürlich – und wenigstens sonntags eine vernünftige Hose anzuziehen. Jetzt, endlich jenseits der Pubertät und dem damit verbundenen Ärger, zeigt sich in diesem Konstrukt blanker Humor:

Vernunft, dieses oft als das höchste menschliche Gut bezeichnete Ding, verborgen im Gespinst einer Hose? Selbst der dröge Kant hätte hemmungslos gejauchzt. Vernunft ist nicht erst seit Aristoteles von variablen Prämissen abhängig – von den Prämissen der Herrschenden und deren Meinung. Damals, als wir noch pickelgesichtig um Selbst­bestimmung rangen, war es die Mutter und manchmal der Freund der so viel mehr konnte und durfte als wir selbst.

Manchmal, meist später, wenn einem das Pech der Siedlungsbauweise widerfuhr, waren es die Nachbarn, das Dorf, die gerade gegründete Familie, oft auch die Ökonomie in Form von potentiellen, aktuellen, dann bald doch ihren Laden schließenden Arbeitgebern. Oder es war dieses schlüpfrige Ding Zeitgeist, das uns Rückschritte als „Reform“, Spießertum als „modern“ und bloßen technischen Fortschritt als „Gewinn von Lebens­qualität“ vorgaukelte. Viel Raum zwischen Revolte und Resignation bieten alle Lebenslagen. Viel Raum für Witz, Ironie und Sarkasmus auch.

Oft entstehen Wut und Depression, wenn in allen oder auch nur in Teilen des eigenen Lebens Selbstbestimmung nie wirklich durch­gesetzt, nie zur Selbstverwirklichung reift, die Selbst­ver­wirk­lichung gar nur als Begriff, als Placebo einer Sinnbildung existiert. Ungeschick in der Le­bens­führung, das leider ohne Slapstick daherkommt. Oder doch? Hoffen wir´s? Schließlich macht Slapstick Schadenfreude.

Aber wie verhält es sich mit dieser Schadenfreude?

Haben sie sich dabei auch schon erwischt? Edel ist sie, die Fehlleistungen, Gebrechen oder das Aussehen ins krumme Visier nimmt, ganz bestimmt nicht – aber menschlich. Anders wird es je­doch, wenn wir es schaffen, unser eigenes Scheitern in Humor zu betten. Schadenfreude am eigenen Leben. Vielleicht ist es das, was uns Deutschen so schwer fällt und vielleicht ist es auch der Grund für den Mangel an klugen, lustigen Vorbildern. An Künstlern der Zunft des Komischen. An Köpfen, die es wagen, sich aus engen Vernunftsbandagen herauszuschälen, die sich selbst zu unserem Gespött ma­chen, uns gleichzeitig Entzerrungsspiegel vorhalten, die uns so lächerlich darstellen, wie wir wirklich sind.

Vielleicht ist der Mangel – wie auch dieses elende Jammern über einen doch nur vermeintlichen Mangel –schon wieder ein typisch deutsches Selbstbedienungsklischee. Sehr wahrscheinlich ist es so, denn es gibt keinerlei, geschweige denn repräsentative Statistiken mit humorbeweisenden Pegelwerten unterschiedlicher Nationen. Nicht einmal bundesdeutschlandsweit kann – dem stets schunkelbereiten Rheinländer bereitet dies durchaus Magengrimm – objektiv-quantitativ mehr oder weniger Humor nachgewiesen werden. Weder der seltsame Vorwurf, in einer Spaßgesellschaft zu leben, noch die nervtötende Dauerberieselung mit unlustig hohlen Comedyformaten ist für den Versuch eines Urteils eher kontraproduktiv. Und die Qualität verhält sich ohnehin ähnlich der Vernunft prämissenabhängig und ist in ihrer Ausprägung stets strittig. Doch eines ist hier zur Rettung des Klischees festzuhalten:

In Essen, also Deutschland, fand 2004 ein internationaler Kongress der Humorforscher statt. Wie die dazugehörige Internet-Seite damals verriet, hatte sich kein Werbesponsor für dieses Thema finden lassen.

Viel erfolgreicher in finanziellen Dingen und mit weitaus mehr Witz ausgestattet, war dagegen sicher das Treffen der Lungenliga im natürlich schweizerischen Davos, bei dem sich zahlreiche lustige Ärztevertreter aus aller Welt über die pulmonale Hypertonie auslachten. Gut, Letzteres ist Vermutung, doch ist nicht allein der Vereinsname der „Lungen­liga“ preisverdächtig?

Wo wir gerade bei der Lunge sind, und wo wir gerade beim Humor sind und bei der griesgrämigen Suche nach Vertretern deutscher humoristischer Unvernunft, findet sich hier, für manchen unvermittelt, doch für die meisten nach zu langer Wartezeit, derjenige, um den es hier geht. Um Hermann Harry Schmitz.

Hermann Harry Schmitz (* 12. Juli 1880 in Düsseldorf, † 8.August 1913 in Bad Münster am Stein)

Diesen wahren Sonderling der deutschen Literatur- und Humorgeschichte ist eine vernünftige Würdigung zu gönnen. Dieses als „Dandy vom Rhein“ bezeichnete Gesamtkunstwerk, das anno 2013 ganz bestimmt 133 Jahre alt geworden wäre, wenn es sich nicht schon mit 33 Lenzen sein fragiles Leben genommen hätte, lohnt der Ausgrabung. Warum sollen nur die, die Hermann Harry Schmitz damals kannten, lächelnd, aber entlarvt ins Grab gegangen sein?
 
Ein Interview mit Dr. Michael Matzigkeit kann einige Aspek­te des komischen, ironischen und außerordentlich skurrilen Werkes aufhellen. Immerhin ein Werk und ein Leben, dessen Grotesken, wie dessen Ende stets dem totalen Chaos zuliefen. Ein komi­scher Widersacher des deutschen Klischees war dieser HHS, der nicht nur an ihr, doch vornehmlich an seiner Lunge scheiterte.

„… Ich glaubte eine Form gefunden zu haben, habe mich aber getäuscht“, waren Schmitzens letzte Worte in einem Brief, in dem er Abschied von seinem kurz zuvor telegraphisch genommenen Abschied nahm und sein Leben dann doch der Browning übergab. Er hätte auch die beiden bereits ein Jahr zuvor verfassten letzten Sätze seines Textes „Warum mein Beitrag ungeschrieben bleib“ aus der Düsseldorfer Theaterwoche nehmen können: „Hinderlich wie überall, ist der eigene Todesfall. So blieb mein Beitrag ungeschrieben.

Viele mögen nun fragen, warum hingegen ausgerechnet dieser hier zu lesende Beitrag geschrieben werden musste. Doch Neugierige, die auch damals schon immer im elterlichen Kleiderschrank nach den Weih­nachtsgeschenken stöberten und manchmal auch fündig wurden, Menschen, die sich schon jetzt ver­gnügt vorarbeiten möchten, können sich im Internet unter http://gutenberg.spiegel.de/autoren/schmitz.htm bei Verwendung des eigenen Druckers das Ge­samt­werk zusammenzustellen.

Dem weniger Geizigen bieten die Buchhändler aktuell zwei Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit Hermann Harry Schmitz.

Eine einbändige, recht umfassende Sammlung, die aufgrund des Titels „Das Buch der Katastrophen“ nicht mit den namensähnlichen Ausgaben ab 1916 zu verwechseln ist, er­schien 1996 im L+L Verlag Düsseldorf.

Beim Grupello-Verlag Düsseldorf erschien 2000 unter dem Titel „Hermann Harry Schmitz – Ich bin der drittgrößte Mann des Jahrhunderts“ eine von Bernd Kortländer herausgegebene und kommentierte Fragmentensammlung, die dem interessierten Leser, dem eine Reihe von Geschichten bereits bekannt sein sollten, wertvolle Hinweise auf den Menschen Schmitz geben kann. Allein der Kladdentext ist purer göttlicher Kaufanreiz: „Der größte Mann des Jahrhunderts ist Zeppelin und ich bin der drittgrößte. Ich habe das mündlich.“

Zu empfehlen, doch leider nur noch in Antiquariaten zu erhalten, sind folgende Ausgaben:

1988 erschien eine erste Werkausgabe von HHS im Haffmanns Verlag, Zürich, herausgegeben von Bruno Kehrein und Michael Matzigkeit. Eine durchgesehene Neuauflage derselben Herausgeber ver­öffentlichte 1996 der Econ-Verlag, München.

„Wie ich mich entschloß, auf Händen zu gehen“ heißt eine Sammlung von „30 Katastrophengeschich­ten“ die 1989 im Eulenspiegelverlag (Ost-)Berlin erschien.

Sollten Sie gar eine Ausgabe, die zu Lebzeiten von Hermann Harry Schmitz, oder kurz nach seinem Tode erschien, in Händen halten, lassen Sie diese bitte nicht wieder los. Dies sind:

„Der Säugling und andere Tragikomödien“, Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911-12, Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1913-18 und München 1921-28.

„Buch der Katastrophen“, Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916-18 und München 1922-29.

Abzuraten ist von den titelgleichen Ausgaben dieser Werke aus den Jahren 1940-43, da sie im Geiste dieser zutiefst unwürdigen Zeit zensiert wurden.

Wer nicht lesen möchte, sich einen fernsehlosen Abend oder eine langweilige Autofahrt durch etwas Chaos versüßen möchte, sollte sich das Doppel-CD-„Hörbuch der Katastrophen“ der Hörbuchedition A. Netschajew aus dem pro art tonlabor zulegen.

Genug Gründe gibt uns dieser Hermann Harry Schmitz, auch noch lange nach seinem Tod gesundheitsfördernd zu lachen. Gewissermaßen also eine laute, postmortale Hypertonie.




Der Duden adelt den Spacko

von Dirk Jürgensen ...

Auch der ehrwürdige Duden unterliegt dem Markt. Die Sprache ist ein Markt der Worte. Es gibt Moden, es gibt Produkte (Worte) die verschwinden und andere, die erfunden, erneuert und umgedeutet werden, oder einfach aus dem Nichts auftauchen und doch in aller Munde sind. So hat es in diesem Jahr 2013 endlich auch der Spacko geschafft, in den Adelsrang eines offiziellen Wortes der deutschen Sprache zu gelangen. Eine dankenswerte Entscheidung der Duden-Redaktion, wenngleich etwas mehr Beschäftigung mit der allgemeinen Wortverwendung nicht verkehrt gewesen wäre. Weiterlesen




Gelbe Karrees auf Bahnsteigen

von Dirk Jürgensen ...

Das Rauchverbot aus Nichtrauchersicht

Seit dem 1. Mai 2013 ist die verschärfte Version des ehemals scharfen und dann Kippewieder verwässerten Rauchverbots in Kneipen Nordrhein-Westfalens Wirklichkeit geworden. Was in zahlreichen exotischen Kulturen wie Irland oder Bayern längst Routine ist, lässt nun eine große Zahl abhängiger Raucher über eine typisch deutsche Bevormundung im Regulierungswahn schimpfen. Wir Nichraucher haben zwar viel Zeit, aber die Proteste werden in wenigen Monaten verhallen. Meine Motivation zum Kneipenbesuch ist jedenfalls stark gestiegen und ich denke, dass das oft herbeizitierte Kneipensterben auch mit dem alten Raucherschutz längst Realität war. – Ich erinnere mich gerne daran, wie ich bereits im Jahr 2008 das Thema unter dem Titel Gelbe Karrees auf Bahnsteigen aus dem Blickwinkel meiner täglichen Bahnfahrten beackerte. Aktualität hält ganz schön lange.