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Corona, die linke Bazille

Vom Virus lernen

von Dirk Jürgensen …

Ich weiß, diese Überschrift ist
irreführend, denn eine Bazille ist ein Bakterium und weist mit den
Viren keinerlei verwandtschaftliche Beziehung auf. Für den
naturwissenschaftlich falsch verwendeten Begriff bitte ich um
Verzeihung. Aber ich konnte nicht anders, denn er zeigt in eine
Richtung, in die unsere Gedanken während der verordneten Zwangspause
und besonders nach der hoffentlich recht bald überstandenen Pandemie
gehen sollten.

Corona ist ein antikapitalistisches Virus

Dabei ist die Lungenkrankheit Covid-19 beziehungsweise SARS-CoV-2, wie Corona weniger anschmiegsam ebenfalls firmiert, ein völlig Ideologiefreies Wesen. Es hat kein Hirn, es hat keine Zunge die ideologische Leitsprüche formulieren kann. Dennoch lässt es mit beinahe wunderbarer Leichtigkeit die Börsenkurse und Ölpreise sinken, es zeigt, wie wenig rational unser Konsumverhalten gesteuert ist, wie fatal die Gewinnorientierung im Gesundheitswesen ist und dass es jenseits der allgemein duldsam hingenommenen Wachstumsreligion Alternativen geben muss oder gar gibt. Kurz gesagt bringt es vollkommen unmotiviert unser ökonomisches System ins Wanken. Ganz nebenbei besetzt es sogar den lange nur noch von »ewiggestrigen Linken« verwendeten Begriff der Solidarität wieder positiv. Beinahe könnte man also vermuten, Corona sei der potentielle Zünder einer Revolution, wie sie Marx und Engels nicht erträumen konnten.

Manchmal bedarf es eben nur eines
völlig unschuldigen und planlosen Auslösers. Auch der Urknall vor
ungefähr 14 Milliarden Jahren wird nicht zum Ziel gehabt haben, dass
wir uns mindestens alle zwei Jahre ein neues Handy genehmigen können.
Anhand der Opfer weltweit kann man leider nicht von einer friedlichen
Revolution sprechen, denn jedes Todesopfer ist eines zuviel. Dennoch
und gerade angesichts der Be- und Überlastung unserer Sozial- und
Gesundheitssysteme weltweit können wir Menschen Lehren aus der
Pandemie ziehen. Wenn wir es denn wollen. Nur drei mehr oder weniger
bedeutende Beispiele:

Corona versus BWL im Krankenhaus

Vor Corona wurde das deutsche
Gesundheitswesen immer weiter nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben
zusammengespart. Auch der heute so gelobte Gesundheitsminister ist
ein Vertreter dieser Marktorientierung. Das Virus hat für ein
hoffentlich nicht nur kurzfristiges Umschwenken gesorgt, denn
Gewinnmaximierung hat im Gesundheissystem nichts zu suchen.
Eventuelle Sparmaßnahmen müssen immer gleichzeitig eine Optimierung
der Versorgung bewirken. Nur dann sind sie sinnvoll. Ebenso darf es
kein Mehrklassensystem in der Gesundheitsversorgung und
Krankenversicherung geben. Die pharmazeutische Industrie muss sich am
Gemeinwohl und nicht am Börsenkurs orientieren. Die medizinische
Versorgung ist zu wichtig, um sie den Mächten des Marktes
auszusetzen. Pflegekräfte müssen ihrer gesellschaftlichen Relevanz
in einer alternden Gesellschaft entsprechend gut bis sehr gut bezahlt
werden. Dass jede Altenpflegerin gesellschaftlich bedeutender als
eine ganze Clique von Börsenmaklern ist, ist schließlich eine
Binsenweisheit. Die aktuell im Netz verabredeten Applausaktionen sind
nett gemeint, helfen jedoch nur, wenn sie ein Zeichen für einen
ausdauernden Sinneswandel sind. Der Bereich der Alten- und
Krankenversorgung muss zum Leuchtturmprojekt für die notwendige
Neuordnung des Wirtschaftssystems werden. Hier wie übermall muss die
Gemeinwohlorientierung als ökonomisches Prinzip vorangestellt
werden. Wachstum ist nur im Sinne eines Zugewinns an Lebensqualität
zu verstehen. Zufriedenheit darf nicht länger als Wachstumsbremse,
sie muss als Abbild von Lebensqualität zum Ziel des Handelns erklärt
werden. Wie gesagt, Corona ist eine im positiven Sinn linke Bazille.
Doch nicht nur das.

Corona ist Klimaaktivist

Ganz nebenbei beweist Corona, dass die
Gesundung des Klimas und das Erreichen der gesteckten Klimaziele
möglich ist, dass es ein grünes Virus ist. Sollte die Pandemie noch
einige Monate andauern, könnte das Jahr 2020 als echtes Jahr des
Fortschritts für die Umwelt in die Geschichte eingehen. Kein
Klimastreik, kein öffentlicher Auftritt Greta Thunbergs, keine
monatelangen Verhandlungen zwischen Klimaaktivistinnen und
Wirtschaftsbossen hätte das jemals erreichen können. So wichtig die
Bewegung der Fridays for Future war und bleiben wird, so beweist erst
die Zeit der Seuche, woran es in der globalen Umweltpolitik hapert.
Es fehlt die Bereitschaft des Menschen, sich in seinem Konsum zu
mäßigen. Plötzlich bleiben die meisten Flugzeuge am Boden,
Urlaubsreisen mit kleinerem CO2-Fußabdruck oder der
Ersatz von Geschäftsreisen durch Vidokonferenzen werden interessant,
der globale Handel mit eher überflüssigen Gütern wird ein bisschen
infrage gestellt, die Vorteile einer lokalen Produktion wichtiger
Güter – Europa ist in diesem Sinne schon als lokal zu betrachten –
werden erkannt. Erst wenn die Pandemie überstanden ist, werden
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre nicht nur negativen
Auswirkungen nachweisen können. Ich bin gespannt, ob wir mit den
Ergebnissen der entsprechenden Untersuchungen etwas anzufangen
wissen.

Corona lässt Blasen platzen

Der Kapitalismus, das wissen wir noch von der Bankenkrise vor ein paar Jahren, neigt zur Bildung von Blasen, die irgendwann platzen. Kommen wir in diesem Zusammenhang zum Fußball und damit zu einem griffigen Sinnbild für eine dieser Blasen, die Corona zum Platzen bringen kann. Der allein von vermeintlich rettungslosen Romantikern gescholtene »moderne« Fußball, so stellen wir gegenwärtig fest, ist auf die Fernsehübertragungen reduziert tatsächlich bedeutungslos. Die ins Aberwitzige gestiegenen Spielergehälter und Ablösesummen werden nicht mehr zu bezahlen sein, wenn die ebenso jedem Vernunftsgedanken widersprechenden Beträge für die Übertragungsrechte ausbleiben. Wie lange es mit der Pandemie noch dauert, ist nicht abzusehen. Abzusehen ist jedoch der mögliche Ablauf einer Katastrophe, wie sie den Romantikern unter uns sogar Hoffnung schenken kann:

Der moderne Fußball im Zeichen von Corona - Foto: © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Die Pandemie verhindert Spiele –
Geisterspiele, also Spiele ohne Publikum in den Stadien, sind
aufgrund fehlender Stimmung weniger attraktiv – Bezahlsender wie
Sky verlieren ohne Fußballübertragung ihren Zweck und damit ihre
Abonnenten – Bezahlsender ohne Abonnenten können nichts mehr für
die Übertragungsrechte bieten – Vereine und Ligen müssen ihre
Etats kürzen – überzogene Ablösesummen werden einfach nicht mehr
gezahlt und die Spielergehälter gleichen sich an – eine Liga wird
ohne Solidarität der Vereine untereinander nicht bestehen können,
da sie ohne Gegner sinnlos ist – reine Kommerzprodukte, die dem
Solidaritätsgedanken widersprechen, dürften ihre Geldgeber
verlieren oder sie gründen eine eigene kleine, vielleicht
internationale Liga – die verbliebenen nationalen Ligen werden
ausgeglichener und damit spannender – die Romantiker haben
gewonnen. Das ist doch utopisch, werden die Anhänger (noch)
finanzkräftiger Vereine einwenden. Ja, das ist es.

Von Corona lernen

So hat mich das Beispiel des ruhenden Fußballs in der Corona-Krise endlich wieder auf das Thema der so notwendigen Utopien zurückgebracht, das mich seit Jahren umtreibt. Es darf natürlich nicht bei diesem Beispiel bleiben, denn Utopien – Modelle für eine bessere Gesellschaft, für ein besseres Wirtschaftssystem, für mehr Zusammenhalt und Toleranz – haben wir in allen Lebensbereichen und Weltgegenden bitter nötig.

Aktuell sollen wir zur Vermeidung
weiterer Ansteckungen möglichst zuhause bleiben. Jenseits der hart
arbeitenden Menschen in den Krankenhäusern, Arztpraxen und
Supermärkten fährt die Gesellschaft um einige Stufen herunter. Die
lange geforderte Entschleunigung ist endlich da. Wer in diesen Tagen
aus dem Fenster blickt, kann aufgrund der freiwilligen oder
erzwungenen Ausgangssperren und des »Social Distancings« selbst in
einer sonst hektischen Großstadt eine zunehmende Gelassenheit
wahrnehmen. Es ist kurzum die beste Zeit, Post-Corona-Utopien zu
entwickeln, die wir möglichst bald unseren politischen
Vertreterinnen und Vertretern beibringen sollten, wenn diese es denn
angesichts des Drucks der Lobbyisten zulassen. Ansonsten müssen wir
also selber ran. Falsch wäre es jedenfalls, nach überstandener
Pandemie in die alten Verhaltensmuster und die von fragwürdigen
Zeitgenossen erzeugten Ängste vor Fremdem und Neuem zurückzufallen.

Nach den Terroranschlägen vom 9. September 2001 hieß es angesichts des großen Entsetzens in wiederkehrender Tonspur, nichts würde mehr so wie vorher sein. Eine Aussage, die schnell zur Plattitüde wurde. Nichts Entscheidendes hat sich seitdem wirklich geändert – zumindest nicht im Positiven. Sollte dieser Spruch nach dem Besiegen des Corona-Erregers wieder im Mediengewirr auftauchen, müssen wir sehr wachsam sein. Corona als Zäsur zu verstehen, wäre ein Zeichen der Hoffnung und des Aufbruchs.




Der Markt ist definierter als der Verstand

Vom Komparativ der Gangstas

 von Dirk Jürgensen …

Es kann gut sein, dass ich aufgrund altersbedingter Schwerhörigkeit den Bang nicht gehört habe und mich auf diesem Wege im erweiterten Kollegahskreis erkundigen muss. Aber wozu soll das Internet denn sonst gut sein?

Sprache verändert sich. Auch und gerade auf der Straße, in der Hood eben. Wo eine Frau heute als Bitch bezeichnet wird, wurde sie einst nur leicht abgeschwächt sexistisch Keule oder Alte genannt. Bemerkte man in ihrem Umfeld einen neuen Freund, handelte es sich um ihren aktuellen Stecher, obwohl man gar nicht einschätzen konnte, ob dieser zu seinen vermuteten koitalen Fähigkeiten keine weitere aufweisen konnte. Ja, Sprache verändert sich, wird verändert und das Verständnis hinkt hinterher. Nicht nur im Milieu der Karussellbremser.

So spüre ich nicht erst seit dem großen Presseecho auf die bekannte Preisverleihung bei einem bestimmten Wort Unverständnis. Sprache verändert sich und Worte erhalten neue Bedeutungen. Normal. Das ist so, seit – so lautet meine aus wissenschaftlicher Luft gegriffene Vermutung – seit die erste aufrecht gehende Frau das Bedürfnis äußerte, mit ihrem männlichen Mitbewohner des Baumes oder der Höhle sprechen zu müssen. Heute arbeiten die Medien, die Politik, die Werbung, die Kunst gemeinsam mit der Jugend an der Veränderung unserer internationalen Sprachen und an der Neudefinition von Begriffen.

Neudefinition, Definition, definieren. Da haben wir ihn, den Begriff, den ich bis in der jüngeren Vergangenheit stets mit recht großer Sicherheit begreifen, definieren konnte. Das ist nun nicht mehr so.

Bislang war ich mit diesen erfolgreichen Erklärungen sehr zufrieden, die so ähnlich bei Wikipedia nachzulesen sind:

Eine Definition (lateinisch definitio »Abgrenzung«, aus de »(von etw.) herab / weg« und finis »Grenze«) ist je nach der Lehre, der hierbei gefolgt wird, entweder

  1. die Bestimmung des Wesens einer zu erklärenden Sache,
  2. die Bestimmung eines Begriffs,
  3. die Feststellung eines tatsächlich geübten Sprachgebrauchs, also wie ein Wort oder Begriff zu verstehen ist oder
  4. die Festsetzung oder Vereinbarung eines solchen in der Sprachwissenschaft,
  5. als Legaldefinition die Bestimmung eines Rechtsbegriffs in der Rechtswissenschaft.

Die in dieser Erklärung fehlende Neudefinition der »Definition« ist mir vor einiger Zeit in einem Werbespot aufgefallen, als es um eine vermutlich einzigartige Wimperntusche ging, von der behauptet wurde, dass sie die Wimpern der Zielgruppe definieren könne. Nicht betonen, besonders hervorheben, schöner machen, nein »definieren« soll das Zeug. Der Wimperntusche wurde von den Werbetätigen also eine linguistische oder juristische Unterscheidungsfähigkeit zugesprochen.

Ich denke, die kosmetische Farbe mag noch so hochwertige Inhaltsstoffe aufweisen und Schönheitswunder vollbringen, aber an dieser Stelle geht es wohl doch zu weit. Denn weder erklärt mir dieses Produkt das Wesen der Wimpern als solche oder was Wimpern im allgemeinen Sprachgebrauch beschreiben, noch hilft sie dem um Gerechtigkeit ringenden Richter bei einer sachgerechten Entscheidung.

So habe ich mich anlässlich dieses Textes zu einer weiteren Recherche verführen lassen. Wie ich dabei erfahren konnte, ist besonders in den einschlägigen Muckibuden der Republik davon die Rede, man müsse seinen Körper oder zumindest spezielle Muskeln und Muskelpartien »definieren«. Unbedarft, wie ich nun einmal bin, wollte ich total vergreister Gestriger schon den sich an den dortigen Folterinstrumenten Gefesselten gerne empfehlen, sich nicht dieser körperlichen Quälerei auszusetzen, sondern einen kleinen Ausflug in die Stadtbücherei zu wagen. Dort könne man sich ein einigermaßen populärwissenschaftliches Werk ausleihen, das die Leserin und den Leser in die Welt der Anatomie geleitet. Und das zu einem Preis, bei dem kein Fitnessabo standhalten könnte. In derartigen Büchern würde der Bizeps als Skelettmuskel des Oberarms und der Schließmuskel des Popos als Ringmuskel defininiert. Ganz ohne Schweiß. Vermutlich könnte beim Überfliegen der Einleitung bereits der ganze menschliche Körper definiert werden. Vielleicht in dieser Art:

Der (menschliche oder auch tierische) Körper ist die materielle Einheit, die Masse eines Lebewesens, in dem sich alle Knochen, Organe usw. befinden.

Definitionen bedürfen also eher geistigen als körperlichen Trainings und ein somit definierter Körper benötigt zur Untermauerung ihrer Abgrenzung von anderen Dingen keine Eiweißzufuhr. Man kann die Quantität und Qualität des Trainings definieren. Man kann den Körper als muskulös oder schwammig definieren, doch allein die Aussage, ein Körper, ein Muskel oder ein Wimpernhaar sei definiert, sagt überhaupt nichts aus. Ihr sollte bei Interesse immer die Frage folgen, als was dieses Objekt der Definition definiert ist. Auch kann man das Wort „Definition“ niemals im Komparativ gebrauchen. Etwas kann definiert werden, jedoch niemals definierter sein als. Oder neuerdings doch?

Sicher haben Sie längst bemerkt, worauf mein Beitrag hinaus möchte und Sie werden sagen, dass ich anhand meiner Rechercheergebnisse durchaus selber feststellen könnte, was ein selbsterkorenener Gangstarapper in seinem gelebten Traum, als echter Gangster im Knast zu sitzen oder bei einer Schießerein unter Gleichgesinnten ums Leben zu kommen, damit ausdrücken möchte, wenn er seinen Körper für definierter als den eines Opfers des Naziterrors (seines Opfers?) hält. Er hält ihn in erschreckender Banalität für durchtrainierter. Das ist ebenso doof wie respektlos. Und hätte es in meiner Jugend bereits die Variante dieser eher bildungsfernen Kunstrichtung des Sprechgesangs gegeben, wäre der Sixpack unter der Goldkette des Rappers wohl mit dem aufgedunsenen Bauch eines in Biafra verhungernden Kindes in Konkurrenz getreten. Beide Vergleiche sind gleichermaßen geschmacklos, menschenverachtend, frei von jeder Empathie, auf den bloßen Skandal aus und vor lauter Dummheit strotzend hemmungslos.

Die Frage ist natürlich, ob die auch noch mit einem Musikpreis ausgezeichneten Gangstas tatsächlich so bildungsfern sind, wie sie sich geben, oder ob sie in Wirklichkeit mit Intelligenz und Absicht ihre Botschaften in die Hirne ihrer kritiklosen Jünger setzen, die der Einfachheit halber Provokation für Revolte halten und faschistoide bis faschistische Parolen als vollkommen normal empfinden / begreifen / definieren.

Bei genauerer Überlegung ist es übrigens nichts Besonderes und der vor Kraft fast platzenden Ausdrucksweise der Rapper nicht gerecht werdend, seinen vom Wohlstand geprägten Körper für schöner oder irgendwie besser als den eines Verhungernden zu halten. Eine besondere Leistung, auf die man stolz sein kann, steckt ganz sicher nicht dahinter. Ganz im Gegenteil, sie ist lächerlich.

Es ist jedoch verharmlosend, die verwendeten Rhymes als bloße Hülsen, als sinnentleerte Sprüche anzusehen, die erst dann beängstigend wirken, wenn man sie zu definieren versucht. Sie sind allein schon daher beängstigend, weil sie nicht einmal Ironie beinhalten, ihre Autoren und Interpreten an keiner Stelle zur Selbstironie fähig sind, sie leichtfertig oder absichtlich Abgrenzung legitimieren. Zudem in einem Kontext, der vor antisemitischen Plattitüden und Parolen, Sexismus, Schwulenhetze, Gewaltphantasien und Entmenschlichung nicht zurückschreckt.

Der schlimmste Horror ist, dass all das auch noch marktkonform ist. Es findet Kunden, generiert Millionenumsätze und sichert damit den monetären Erfolg. Das suggeriert Qualität, wo keine ist. Kein anderes Ziel als die Unterstützung des jeweiligen Marktwertes und ökonomischen Erfolgs hat der Echo. Um diese Form der kapitalistisch orientierten Schwarmdummheit also im Komperativ der prämierten Gangstas auszudrücken:

Der Markt ist definierter als der Verstand.




Zurück zum Eisbein?

Wieviel Deutschland gehört zu Deutschland?

 von Dirk Jürgensen …

Angst vor dem Minarett?

»Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren, erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.«

Der Fußball gehört nicht zu Deutschland, der ist in England zuhaus.

Die Gotik gehört nicht zu Deutschland, sie ist in Frankreich entstanden.

Die Nudel gehört nicht zu Deutschland, vielleicht noch nicht einmal zu Italien, denn sie wurde in China erfunden.

Die Kartoffel, das weiß jeder, gehört keinesfalls zu Deutschland, denn die kommt aus Südamerika.

Der Wein gehört auch nicht zu Deutschland, der stammt aus dem Kaukasus.

Das Christentum gehört nicht zu Deutschland, das entwickelte sich aus dem Judentum im römisch beherrschten Israel.

Der Mensch gehört nicht zu Deutschland, der kommt aus Afrika. Es könnte sogar sein, dass nicht einmal die Bayern nicht zu Bayern gehören, denn die stammen vermutlich von den Elbgermanen ab. Die lebten vorher entlang der Elbe bis hinunter nach Böhmen und Mähren. Da wird also ein gehöriger Anteil auch nicht zu Deutschland gehören.

Ja, wieviel Deutschland gehört eigentlich zu Deutschland? Wollen wir angesichts dieser »Problematik« in letzter Konsequenz wirklich auf Sushi, Döner und Pizza verzichten und wieder regelmäßig zum Eisbein greifen – ohne zu wissen, ob das Spenderschwein überhaupt aus Deutschland stammt?

Immer, wenn wir etwas genauer hinschauen, gehört kaum etwas zu Deutschland, das sich heute in innerhalb der Landesgrenzen befindet. Aber trotz dieser Zugehörigkeitsverwirrung gibt es dieses Land noch und es leben Menschen darin. Manche sogar einigermaßen gerne und ohne ständing danach gefragt zu werden, ob sie dazugehören, dazugehören wollen oder nicht. Dabei ist es ganz einfach:

Wenn auch nur einer der hier Lebenden an die Wiederauferstehung des Großen Kürbisses glaubt, dann gehört auch sein Glaube zu Deutschland, wie auch der Spott der Übrigen dazugehört.

Große Geister der Geschichte, Kunst und Technik gehören zu Deutschland, wie ein schreckliches historisches Erbe mit seinem vegetarischen Despoten, eine Reihe kaum verständlicher Dialekte und Sprachen, eine Zeit des Friedens und der Aussöhnung mit den ehemaligen Feinden zu Deutschland gehört. German Angst, german Zuverlässigkeit, made in germany und leider – ich sage das nur schweren Herzens – gehört sogar Pegida zu Deutschland.

Sicher würden wir uns freuen, wenn nur positive, jedem Einzelnen genehme Dinge zu Deutschland gehörten, aber das kriegen wir doch nicht einmal mit unseren ganz eigenen, persönlichen Eigenschaften zwischen Fett- und Magersucht hin. Wie soll das denn mit Deutschland klappen?

Im Geiste der Aufklärung und Toleranz waren wir schon einmal viel weiter, als es unser aus seiner eigenen Heimat Bayern vertriebene Heimatminister Seehofer vermuten lässt.So wurde in Preußen einst die Frage aufgeworfen, ob römisch-katholische Schulen aufgrund ihrer Unverträglichkeit abgeschafft werden sollten. Die dazugehörige Eingabe kommentierte Friedrich der Große:

»Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, das keine der andern abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach seiner Fasson Selich werden.«

Ob es nun richtig war und ist, als Staat überhaupt religiös ausgerichtete Schulen und eine derart seltsame Orthographie zu dulden, sei dahingestellt, aber dieser Grundsatz der Toleranz, nach dem »jeder nach seiner Fasson glücklich« werden soll, bietet uns eine angenehm allgemeinverständliche Kurzfassung des kathegorischen Imperativ Kants, dessen Ethik ganz sicher zu Deutschland gehört. Und als im Jahr 1740 auch noch Vertreter der Stadt Frankfurt am Main in Potsdam anfragten, ob denn gar ein Katholik in einer evangelischen Stadt Bürgerrechte erhalten dürfe, erhielten sie vom Alten Fritz die passende und von großer Entspanntheit geprägte Antwort:

»Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren (= ausüben), erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren (= bevölkern), so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.«

Bekanntlich war Friedrich der Große Preuße. Ist es damit logisch, dass eine derart fortschrittliche Einstellung auch heute noch nicht zu Bayern gehört? Zu Deutschland – zum von den Deutschen bei jeder Gelegenheit so gern herbeizitierten »gesunden Menschenverstand« – sollte sie jedoch unbedingt gehören. Aber gehört Bayern – siehe oben – zu Deutschland? Es kommt immer drauf an.

Ich habe übrigens in meiner Heimatstadt Düsseldorf noch niemanden fragen hören, ob denn der Buddhismus und der in Japan hauptsächlich ausgeübte Shintoismus zu Düsseldorf gehören. Hoffentlich liegt es nicht allein daran, dass die hier lebenden Japaner – die sogar immer wieder mit Stolz als Bereicherung der Landeshauptstadt erwähnt werden – einfach nur viel wohlhabender sind, als die meisten zugereisten Moslems. An der engen Verbindung des Shintoismus zum ultrarechten Nationalismus Japans, der viele seiner Anhänger noch immer die »Heldentaten« aus dem Zweiten Weltkrieg verherrlichen lässt, liegt es wohl nicht. Geld, ja diese Religion gehört zu Deutschland.

Eine Placebodiskussion

Doch genug davon. Ich tappe selber immer wieder in diese Falle, obwohl ich mir darin sicher bin: Wir sollten uns besser darüber klar werden, dass dieses ständige Fragen danach, ob irgendwelche Dinge, Glaubensrichtungen, Ideen oder sexuelle Praktiken zu Deutschland gehören, nur dazu da ist, Placeboprobleme zu schaffen, die von der Behebung tatsächlicher Missstände ablenken. Wer sich mit der Diskussion darüber, ob der Islam zu Deutschland gehört, die Zeit vertreibt, wird in all der Ausgrenzung von Realität kaum noch in der Lage sein, unsere sterbenden Sozialsysteme zu reformieren, sie zu neuem Leben zu erwecken.
Erst wenn alle etwas von ihnen haben und nicht nur Versicherungen und deren Anteilseigner, wenn beispielsweise ein Gesundheitsminister Spahn seine Politik nicht nach seinen gewinnorientierten Freunden in der Lobby ausrichtet, wenn Konzerne sich über Steuerzahlungen am Gemeinwohl beteiligen, haben wir in Deutschland endlich mehr Kraft und Muße, unsere Toleranz und die Integration von Minderheiten und schweigenden oder schimpfenden gefühlen wie tatsächlichen Mehrheiten in ein solidarisches Leben etwas intensiver zu pflegen. Denn sie gehört zu Deutschland, weil ich es so will, weil ich zu Deutschland gehöre, obwohl es mir manchmal verdammt schwerfällt.




2016 – Ein Jahr für Egomanen

Demokratie im Selbstzerstörungsprozess

 von Dirk Jürgensen ...

Der Autor dieser Zeilen hat sich entschieden, das Jahr 2016 nicht mit einem Rückblick zu versehen. Zu oft müsste er seinen recht deprimierten Rückblick auf das Jahr 2015 zitieren und noch ein paar weitere dunkle Töne beimischen. 2016 war ein Erfolgsjahr für Egomanen, der Nationalismus greift weiter und immer stärker um sich – sogar bei uns in Deutschland, wo wir es doch wirklich besser wissen müssten. Zuletzt hat dann auch die Präsidentschaftswahl in den USA bewiesen, dass es immer auch noch schlimmer kommen kann und der Begriff der Schwarmintelligenz zumindest im Politischen ein sehr fragwürdiger ist.

Der Schwarm ist es, der den weltweiten Selbstzerstörungsprozess der Demokratien beschleunigt. Zerstörung und Zurückentwicklung statt Verbesserung und Fortschritt heißt die Devise, die mit diffusen Ängsten legitimiert wird, die man uns viel zu lange hieß ernst zu nehmen. Dabei hat das Umtätscheln der höchst informationsresistenten besorgten Bürger sie zum Schwarm werden lassen. „Postfaktisch“ wurde auch in diesem Zusammenhang zum würdigen Wort des Jahres 2016. Es scheint so, dass die jahrelange Lektüre der Bildzeitung und das Zurückziehen in eine ganz eigene kleine Welt des ach so einflusslosen „kleinen Mannes“ zu einer Überforderung angesichts der heutigen Informationsvielfalt geführt hat. Erschwerend kommt hinzu, dass das die Presse längst ablösende Medium Facebook immer nur die eigene Meinung stärkt, anstatt das Weltbild zu entfalten. Sogar dumme und falsche „Fakten“ dienen dem Jeweiligen Status quo. Nebenbei sei die Frage erlaubt, ob die derzeit aufkeimenden Debatte um die Verhinderung von „Fake News“ auch in der Redaktion der Bildzeitung als Drohung empfunden wird?

Establishment? Welches Establishment?

Der Autor, der in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts politisch sozialisiert wurde, der dem Establishment als Klasse einer reichen Machtelite durchaus immer kritisch begegnete, fragt sich, was die heutigen Kritiker des Establishments überhaupt unter diesem recht englischen Wort verstehen. Was ist das für ein Establishment, das überall und jetzt bekämpft werden soll, wenn man einen Donald Trump zum Präsidenten wählt? Einen, der genau jener Clique angehört, die man zu bekämpfen vorgibt. Wählt man ihn nur, weil er sich einer Ausdrucksweise bedient, die außer Dummschwätzerei und gröbster Beleidigung kaum Alternativen kennt, weil er ein so herrlich unerzogener und gemeiner Egomane ist, wie man es nie sein durfte? Political correctness ist zum Schimpfwort mutiert und niemand stellt die Frage, ob diese neue incorrectness hilft, wenn sie größtenteils aus Lügen und Blendereien besteht?

Protestwahl dient keinem Selbstzweck

Immerhin zeigt Trump schon jetzt ganz deutlich, wozu es führt, wenn man politisch ahnungslos allein aus Protest irgendjemanden, den lautesten und frechsten Kandidaten wählt. Protestwahl dient niemals einem Selbstzweck, hinterher kommt es genau anders herum, als man es wollte. Trump holt einen Außenminister aus der Ölindustrie, der sich herrlich mit dem anderen Egomanen in Russland versteht. Trump holt einen Finanzminister aus dem Umfeld genau jener Bank, die eine der Hauptrollen in der Krisenauslösung gespielt hat, die so viele seiner Wähler in die Armut trieb. Ein Kabinett reinen Establishments. Noch jubeln seine Anhänger, er würde die Regierung endlich wie eine Firma führen wollen. Eine Firma, das wird nur zu gerne übersehen, die auch pleitegehen kann, wie es auch Trump mit einigen seiner Firmen erlebt erlebt und erfolgreich verdrängen konnte.

Trump ist das Sinnbild für den absoluten Sieg des Kapitalismus, wenn man will, auch des Ablegers mit dem Namen Neoliberalismus. Der sogenannte Amerikanische Traum, in dem unzählige Tellerwäscher zu Millionären wurden, soll wieder im ganzen Land geträumt werden. Wohlgemerkt, geträumt soll er werden. Gelebt wurde er noch nie, denn dass der Kapitalismus immer nur temporär zu einem breit angelegten Wohlstand führt, wenn man ihn nicht mit ganz engen Zügeln fasst, dass er immer ein Spiel von wenigen Gewinnern und vielen Verlierern ist, gelangt immer erst in das Bewusstsein seiner Jünger, wenn die nächste Krise auch sie erreicht. Ewiges Wachstum ist auch so ein Wunschtraum, der nicht Realität werden kann, der uns aber von jenen wenigen Gewinnern als Realität „verkauft“ wird, die in einer Krise nicht wieder bei Null beginnen müssen.

Kein Meister rettet den Zauberlehrling

Wir in Europa sollten uns einfach wieder an die paar Jahre Geschichtsunterricht in der Schule erinnern und daran denken, dass lauter Protest immer dann angemessen ist, wenn er der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Toleranz dient. Der Ruf nach einem starken Mann als Äußerung des Protests ist fatal. Die demokratisch gewählten Trump, Putin und Erdogan (es sind die markantesten Beispiele und die Liste könnte durchaus viel länger sein) sollten Mahnung genug sein.

Vielleicht ist der Wahlerfolg Trumps zumindest einigen Europäern eine Lehre, eine, die einen Wilders in den Niederlanden, eine Le Pen in Frankreich oder die unsäglichen Nein-ich-bin-kein-Nazi-aber-Verharmloser der AfD verhindern.

Political correctness heißt nicht, dass man sich in großen Koalitionen bis zum Tode kompromissbereit zeigt. Im Sinne der Grundrechte – der Menschenrechte – darf es keine Kompromisse geben. Das sollten auch jene Parteienvertreter und Kommentatoren wissen, die derzeit hoffen, dem Rechtsrutsch und den Rufen der „besorgten“ Bürger mit Thesen aus dem braunen Umfeld begegnen zu müssen. Mischt man einem Eimer mit roter oder schwarzer Farbe Braun hinzu, kann das Rot oder Schwarz hinterher nur schmutziger aussehen – eine nachträgliche Korrektur ist schwierig.

Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.

Das ist ein oft verwendetes und passendes Zitat, doch wir sollten nicht zu fest damit rechnen, dass den politischen Zauberlehrlingen im Parlament und auf der Straße mitten im größten Schlamassel Goethes Meister zu Hilfe kommt.

Populisten verbreiten keinen Spaß

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass „Die Zeit“ kurz vor dem Jahresende in ihrer 52. Ausgabe an ein Jubiläum erinnert hat, das mir sehr am Herzen liegt. Zugegebenermaßen etwas uninspiriert – aber immerhin – erinnert die Wochenzeitung in ihrem Feuilleton an das vor 500 Jahren erschienene Werk „Utopia“ des Thomas Morus. Nun ist es sicher keine Binsenweisheit, dass „Die Zeit“ unter den „Lügenpresse“ skandierenden „besorgten“ Bürgern kaum Käufer findet, doch halte ich es für ein gutes Zeichen, dass überhaupt eine Zeitung an dieses Thema erinnert. Die Gegenwart verlangt angesichts der von den Populisten unterstützten und in ihrem Sinne verwendeten Schreckensbildern nach einer Wiederkehr der Utopie, der Vorstellung davon, wie Gesellschaft besser, gerechter und friedlicher funktionieren kann. Populisten nutzen die Ziel- und Bilderlosigkeit einer Gesellschaft rücksichtslos und leider sehr erfolgreich aus.

Wer meine hier zu findenden Beiträge zum Utopie-Thema kennt, der weiß, dass ich eine Utopie für ein Mittel halte, ein verständliches Bild von einer besseren Welt zu zeichnen, das sich anzustreben lohnt. Und um den üblichen Einwänden zu entgegnen: Niemals sollte davon ausgegangen werden, dass eine Utopie eins zu eins umgesetzt werden kann. Zu kompliziert ist diese Welt. Aber was nützt der Weg, wenn es kein Ziel gibt, das zu erreichen Spaß macht? Haben sie schon festgestellt, wie wenig Spaß die rechten Populisten verbreiten? Ihr Hass und der Wunsch nach Herrschaft und Abgrenzung ist kein wünschenswertes Bild einer friedlichen und freien Zukunft! Utopien können hingegen Optimismus und positives Handeln fördern. Sie erzählen nicht von einem religiös begründeten Totenreich, von keinem Paradies, für das man sterben muss, um hinein zu gelangen und für das bislang niemand eine wirklich nachweisbar gültige Eintrittkarte vorliegen konnte.

Der Geist der Utopie gehört in den Politik- und in den Wirschaftsteil der Zeitung

Wir müssen die Utopie nur wieder in unser Leben holen und darüber sprechen, ob die Menschen tatsächlich immer nur schlecht und korrupt sind, eine Idee von Gerechtigkeit zur Dystopie kippen. Dabei sieht man sich selbst doch immer auf der Seite der Guten. Was hindert uns „Gutmenschen“ also daran, die Utopien der historischen Autoren – nicht die Dystopien, mit denen sie oft verwechselt oder gleichgesetzt werden – zur Hand zu nehmen und selbst an einer neuen Utopie zu bauen? Mit etwas Engagement könnte der Geist der Utopien dann aus dem Feuilleton heraus sogar die Seiten der Politik und der Wirtschaft inspirieren, denn da gehört er hin.

Dieser Gedanke soll mein – wenn auch nur eine winzig kleiner – Hoffnungsschimmer auf ein besseres 2017 sein. Ein Schimmer, der auch auf dieser Internetpräsenz einst sichtbar werden soll. Spätestens dann wird die Facebook-Präsenz darunter leiden.

Hoffnung Utopie - Bild: ©Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Bild: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf




Gotteskrieger? Nichts für mich.

Also, Gott, wie ist das jetzt mit Deiner Macht?

 von Dirk Jürgensen …

Wenn ein Gott von mir verlangte, seine Drecksarbeit zu übernehmen, indem ich Ungläubige töten oder versklaven sollte, um seine Herrschaft zu manifestieren oder sein beleidigtes Ego zu verteidigen, würde ich mich sofort vom Glauben an seine Göttlichkeit lossprechen.

Gott - © Foto: Jürgensen - Düsseldorf

… oder auch nicht. – ©Foto: Jürgensen – Düsseldorf

Wer ein Gott ist, der muss nichts delegieren, der kann mir und dem Rest der Menschheit seine göttliche Macht gefälligst persönlich glaubhaft demonstrieren. Er könnte zum Beispiel den, wie seine Jünger immer wieder vorgeben, von ihm geschaffenen Menschen in ein friedfertiges, in ein freies und tolerantes Wesen verwandeln. Er müsste ihm beibringen können, vernünftig und in Gerechtigkeit mit seinen Artgenossen zusammen zu leben und es wäre ihm aufgrund seiner Einzigartigkeit, seiner Güte und Souveränität gar nicht so wichtig, dass an ihn geglaubt wird. Was könnte ihn der menschliche Zweifel kratzen? Da stünde ein echter Gott drüber. Soviel Selbstbewusstsein müsste er doch besitzen; als Gott müsste er das wirklich hinbekommen. Er müsste es schaffen, aus Glauben Wissen zu machen, jene beiden Worte, deren Verwechslung die Religionen so gerne im Sinne ihrer gepachteten Wahrheit zelebrieren. Und wenn nicht, ja, was ist er dann anderes als ein Schaumschläger, an den zu glauben reine Verschwendung ist? Für ihn würde ich meine Hände nicht schmutzig machen und meine humanistischen Werte verraten.

Also, Gott, wie ist das jetzt mit Deiner Macht? Gehst Du jetzt endlich mal gegen die Mörder vor, die in Deinem Namen ihren Mist verzapfen und von Weltherrschaft träumen? Und vergiss dabei nicht all die Nazis und andere idiotischen Verbrecher und verbrecherische Idioten, die Deine ganze Schöpfung versauen.

Wie wäre es also jetzt endlich einmal mit einem Gottesbeweis, mit einem klaren Nachweis, dass Du gar keine Reservierungen für ein Paradies entgegen nimmst, dass die Sache mit den 40 Jungfrauen ein Einfall von Menschen ist?

Viel Zeit gebe ich Dir dazu nicht mehr, denn Du hast schonzu lange gewartet und ich fürchte, wir Menschen müssen den Mist ohne göttliche Hilfe wieder in die Reihe kriegen. Irgendwie.

Beten wird aufgrund der weiter zu erwartenden göttlichen Passivität wenig helfen. Gebete mögen dem Einzelnen vielleicht Trost schenken, ihn beruhigen. Der Nutzen ist allgemein allerdings gering, wenn man bedenkt, dass auch die religiös motivierten Terroristen vor ihrer Tat – wenn sie noch leben sollten, auch danach – beten. Lebensfreude hingegen, ist das, was den religiösen oder nationalistischen Fanatikern dieser Welt abgeht – und ihrer Ideologie schadet. So gehören Lebensfreude und Humor, jene wirklichen Beweise des Menschseins, unbedingt im Kampf gegen die Angst, die Dummheit, den Terror, den Faschismus, den Nationalismus und den religiösem Fundamentalismus jeder Couleur dazu. Aber das ist unser Problem.

Sicher wird es auch nach dem hoffentlich irgendwann gewonnenen Kampf immer wieder Menschen geben, die sich von einem Gott oder von ihren Überzeugungen verpflichtet fühlen, die Drecksarbeit zu erledigen. Ob es ein Anders Brevik oder die ISIS-Fanatiker in Paris sind, sie alle glauben und glauben zu wissen im Guten und im Dienste einer besseren Welt eine Drecksarbeit erledigt zu haben. Vermutlich helfen Medikamente in diesen Fällen mehr als jede Überzeugungsarbeit, aber für alle nicht so pathologischen Fälle hilft es, früh genug über die Frage nachzudenken, ob ein gerechter oder auch zorniger Gott, nicht auch ohne sie zurechtkommen kann und ein echter Gott keine Missionare braucht.




Wie Leder in der Kälte

Und dann hätte man der Pegida nicht einmal die Autobahnen zu verdanken

 von Dirk Jürgensen …

20.000 Menschen behaupten in Dresden einmal mehr das Volk zu sein. Damit meinen sie nicht das Volk der Pegida-Anhänger, sondern das Volk der Deutschen. Selbstverständlich bemerken sie nicht, dass sich 80 Millionen Deutsche nicht ohne weiteres von den kruden Ansichten dieser 20.000 vereinnahmen lassen wollen.
Das Volk? - © Jürgensen - DüsseldorfNun möchte ich die Menschen auf Dresdens Straßen nicht als Hochstapler oder gar Lügner titulieren. Wenn man sich inmitten einer größeren Menschenansammlung aufhält, kann sich schon mal eine gewisse Überheblichkeit einstellen, sich das Maß der Selbsteinschätzung verlogen gehen. Wer sich einmal im Fanblock eines Fußballstadions aufgehalten hat, wird verstehen, wie aus dem Erfolgswunsch für die eigene Mannschaft ein Wirgefühl entstehen und in der Masse explodieren kann. Anders wird es auf der Straße für einen durchschnittlich ungebildeten Mitbürger auch nicht sein, wenn, unterfüttert von der Hetze der Bildzeitung gegen die Griechen, vom Konkretisieren einst unterschwelliger Ängste gegen Europa und all die Ausländer dort, gegen Fremde allgemein, gegen unbekannte Religionen, die eigene Aussichtslosigkeit und überhaupt… durch Schuldzuweisungen nationalistischer Demagogen plötzlich alles Komplizierte dieser Welt so verständlich wird. Klar, dass die Begriffsverdrehungen, die brutalen Vereinfachungen, die alle Demagogen gerne verwenden, in der erlebten Masseneuphorie nicht bemerkt werden. So wird „Lügenpresse“ skandiert, oblgeich die Mehrzahl der Anwesenden ihren politischen Informationsstand ausgerechnet der Bildzeitung verdanken. Es werden Politiker beschimpft, die das Menschenrecht auf Asyl bewahren, nicht die, die Banken mit Milliardenbeträgen aus Steuergeldern retten und internationale Geldströme frei fließen lassen. Es wird die Angst vor Flüchtlingen geschürt, obwohl die Rüstungsindustrie ihr Geld auch damit verdient, dass in ihrer Heimat Krieg geführt werden kann. Menschen, die das Gute wollen – wähnen sich nicht alle Menschen auf der Seite der Guten? – und sich sogar dafür einsetzen, erhalten das zum Schimpfwort umgeformte Prädikat des Gutmenschen.

Ja, das Pegida-Volk auf Dresdens Straßen ist mit seinen 20.000 Volksgenossen ein sehr kleines Volk. Und so ein winziges Volk ist natürlich und immer vom Aussterben bedroht, es muss immer in der Angst leben, irgendwann inmitten einer Mehrheit als Volk nicht mehr wahrgenommen zu werden. Seine Sprache, seine Sitten und Gebräuche wären dann nur noch ein Thema für das Heimatmuseum, historische Schautafeln und folkloristische Tanzdarbietungen. Nun stellt sich die Frage: Ist das schlimm? Nein, ist es nicht! Auf die bislang bekannt gewordenen Sitten und Gebräuche kann man getrost verzichten. Und ja, das Pegida-Volk auf Dresdens Straßen ist mit seinen 20.000 Volksgenossen ein viel zu großes Volk, als das es jemals über einen Minderheitsstatus hinauskommen dürfte.

Rechte Schlägertrupps werden von diesem Volk geduldet, eine direkte Geistesverwandtschaft gerne bestritten – ein Vergleich mit der SA sei erlaubt, die einst die Schmutzarbeit für die NSDAP erledigte – und die Werfer von Brandsätzen, deren Motive den Parolen der Pegida-Anführer entsprechen, werden als Einzeltäter verharmlost, damit die Seele der „normalen“ Bürger rein bleiben kann. Dabei ist diese längst besudelt und kaum noch reinzuwaschen.

Vielmehr können und sollten wir uns bereits jetzt Gedanken darüber machen, was nach dem Hype um Pegida und die vorgebliche Angst vor einer Überfremdung geschehen muss.

Wie kriegen wir all die Menschen bloß wieder entnazifiziert?

Können und sollen wir sie überhaupt wieder in die Mitte der Gesellschaft integrieren, ohne ein zu großes Risiko eines Rückfalls einzugehen? Mir scheint das eine größere Herausforderung als die Integration einer Million Flüchtlinge zu sein.

Eine Investition in Bildung ist nie verkehrt. Sie können die jungen Pegidaer gut gebrauchen. Diese Bildung sollte immer auch eine im Sinne der Demokratie, des aufgeklärten Freiheitsgedankens politische sein. Den Älteren sei der Kontakt mit bislang fremden Kulturen empfohlen und natürlich die Lektüre anderer Veröffentlichungen als jene, die nur über die Faulheit der Griechen und anderer Nationalitäten berichten, um die Angst um unser Geld zu schüren. Doch leider, und daran wird es scheitern, ist das recht anstrengend.

So, genug der Ironie.

Naja, nicht ganz, denn da finde ich doch auf dem Online-Auftritt der Zeit – weit außerhalb des Surfverhaltens der besorgt-verängstigten Mittebürger – den Beitrag eines Toralf Stauds unter dem Titel „Björn Höcke ist kein Nazi“. Björn Höcke, das sei zur Erklärung eingeschoben, ist der Vorsitzende der AfD in Thüringen, der bundesweit aufgrund eines rhetorisch erfolgreichen, inhaltlich allerdings arg verschrobenen Fernsehauftritts bei Günther Jauch Aufsehen erregte.

Im streng wissenschaftlichen Sinn mag Staud richtig liegen, wenn er darauf hinweist, dass sich die Neue Rechte – damit eben auch Thüringens AfD-Vorsitzender Björn Höcke – auf die sogenannte Konservative Revolution bezieht, die anhand ihres ideologischen Vokabulars samt Drittem und Tausendjährigem Reich und ihrem auch sonst völkischen Weltbild „nur“ Vorlagen für die spätere NSDAP bot.

Leider bleibt die Belehrung, dass Höcke eben kein Nazi und auch kein Neonazi sei, eine historisch begründete Randnotiz, die in unseren Zeiten allgemeiner Vereinfachungen und Oberflächlichkeiten niemandem dient, in sich sogar die Gefahr der Verharmlosung birgt. Staud schreibt

„Vieles, was der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke sagt, klingt absonderlich. Doch wer ihn in die Nazi-Ecke stellt, hat ihn nicht verstanden – sondern hilft ihm nur. (Toralf Staud – Zeit)“

Eine schlüssige Begründung, wie er darauf kommt, dass ihm das Abstellen in die Nazi-Ecke helfen könnte, bleibt er uns schuldig.

Es nützt nichts, ein Messerattentat, die Brandanschläge und gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlingsheime als Taten einiger Durchgeknallter zu reduzieren, wenn sich diese immer wieder auf die von Patriotismus durchsetzten Rhetorik der elitären Minderheit einer Neuen Rechten berufen können – und von dieser nicht zurückgewiesen werden. Wenn die Aufrufe zur Gewalt nur Missverständnisse sind, wenn die intellektuellen Vorbeter des Nationalismus eine andere Wirkung, eine friedfertige Diskussion erzielen wollen, sollten sie ihren Intellekt gefälligst derart einsetzen, dass ihre Gebete von den eher einfach gestrickten Gemütern nicht mehr ganz so leicht missverstanden werden.

Hier darf allerdings der Zweifel an den Motiven der Pegida-, AdD- und sonstwie neuen rechten Anführerinnen und Anführern überwiegen. Wer glaubt tatsächlich, dass Lutz Bachmann die Folgen nicht absehen konnte, als er Akif Pirinçci zum Hauptredner seiner Demonstration in Dresden machte? Niemand, der sich einigermaßen über die Aussagen Pirinçcis aus den letzten Jahren informierte, konnte damit rechnen, dass dieser inzwischen wirklich durchgeknallte Autor einen Auszug aus seinen Katzenkrimis vortragen würde. Vielmehr könnte man vermuten, der Auftritt sei ein Versuch Bachmanns gewesen, wie weit man von den 20.000 „besorgten Bürgern aus der Mitte unserer Bevölkerung“ gehen kann. Das Ergebnis lautet: 1. Die Polizei schritt nicht ein und der nächste Pegida-Aufmarsch dürfte nicht verboten werden. 2. Es gab einige „Aufhören!“-Rufe, aber 3. auch Beifall. Kleinvieh macht auch Mist und der düngt bekanntlich gut. Um das zu bewirken, kann man 4. einen Pirinçci gerne mal opfern.

Geistige Brandstifter legen nur die Lunte, angezündet wird diese von willfährigen Gehilfen, deren Namen niemand kennen muss. So agiert der moderne Faschismus wie ein Drogenkartell: Verhaftet werden höchstens die kleinen Dealer, die mit dem Handel nur ihr kleines Überleben sichern wollen. An die Mächtigen hinter ihnen kommt man nicht heran. Die verschanzen sich als Saubermänner hinter ihren Fassaden ehrbarer Geschäfte und tragen für die Gewalt keinerlei Verantwortung.

Wie also soll man die Vertreter der Neuen Rechten oder der Patrioten eines abendländischen Europas, das irgendwie doch nur Deutschland bedeutet, bezeichnen, damit auch der nur verhältnismäßig wenig politisch Aufgeklärte versteht, welche Gefahr von ihnen ausgeht, wenn nicht als Nazi? Ja, einer wie Höcke hat mit dem Sozialismusanteil nichts am Hut. Dazu ist er zu konservativ. Aber so weit war es mit dem Sozialismusgedanken bei den Nationalsozialisten auch nie. Begriffe und Inhalte driften oft auseinander, bekommen neue Bedeutungen. Soll man ihn bescheiden als Patrioten bezeichnen? Das hätte er sicher gern. Das klingt so umsorgend, so wehrhaft heimelig. Gut, seit den Zeiten des Fußball-Sommermärchens kommt uns bei der Verwendung dieses aus gutem Grund lange verpönten Ausdrucks schnell der offene, ach so gastfreundliche „Partyotismus“ in den Sinn. So erfolgreich gelang die Reinwaschung eines Begriffs, der weiterhin mehr Unheil als Frieden stiftet.

„Der Patriotismus der Deutschen […] besteht darin, dass sein Herz enger wird, dass es sich zusammenzieht wie Leder in der Kälte, dass er das Fremdländische hasst, dass er nicht mehr Weltbürger, nicht mehr Europäer, sonder nur ein enger Teutscher sein will.“

Dieser Satz stammt von Heinrich Heine. Bereits mit dem Wissen von vor 150 Jahren ist demnach zu erkennen, welche geistige Enge im Jahre 2015 20.000 Menschen in Dresden versammeln lässt. Das uralte Zitat entlarvt die Neue Rechte als ein nur äußerlich aufpoliertes Auslaufmodell, das schnellstens auf den Schrottplatz der Geschichte gehört, damit es nicht schon wieder Unheil anrichtet. Hinterher will es bekanntlich wieder niemand so gewollt haben, hinterher hat wieder niemand etwas davon mitbekommen. Und dann hätte man der Pegida nicht einmal die Autobahnen zu verdanken.




Düsseldorf traut sich was

von Dirk Jürgensen ...

Bilder vom Rosenmontagszug 2015

Rosenmontagszug Düsseldorf 2015 - © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

All den Xxgidas wird klar gesagt, worin der tatsächliche Untergang des Abendlands liegt. – © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Rosenmontagszug 2015 - Düsseldorf ist Charlie! - © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Düsseldorf ist Charlie! Denn Satire ist ein wesentlicher Bestandteil des Karnevals und Angst kein guter Ratgeber. – © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Das unsägliche Freihandelsabkommen TTIP. Dieser Wagen zeigt die Gefahren, über die viel zu wenig gesprochen wird. - © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Das unsägliche Freihandelsabkommen TTIP. Dieser Wagen zeigt die Gefahren, über die viel zu wenig gesprochen wird. – © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Ob es Griechenland schafft, sich gegen den Zyklop Merkel durchsetzen kann? - © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Ob es Griechenland schafft, sich gegen den Zyklop Merkel durchsetzen kann? – © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Der Terrormarkt ist ein hart umkämpfter. Selbst als Tod kommt man ins Schwitzen. © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Der Terrormarkt ist ein hart umkämpfter. Selbst als Tod kommt man ins Schwitzen. © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Die Friedensmerkel stellt sich dem Ukraine-Krieg entgegen. Nicht, dass es ihren Schmabel stutzt. © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Die Friedensmerkel stellt sich dem Ukraine-Krieg entgegen. Nicht, dass es ihren Schnabel stutzt. © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Terror hat nichts mit Religion zu tun. Sie - egal, welche - wird nur gerne vom Terror instrumentalisiert, könnte man hinzufügen. © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Terror hat nichts mit Religion zu tun. Sie – egal, welche – wird nur gerne vom Terror instrumentalisiert, könnte man hinzufügen. © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Und wer es noch immer nicht verstanden hat, den verprügelt der Papst - mit würdevollen Schlägen. © Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Und wer es noch immer nicht verstanden hat, den verprügelt der so christliche Papst – mit seinen würdevollen Schlägen. © Dirk Jürgensen – Düsseldorf

– Wie schon so oft treffen die mutigen von Jaques Tilly gestalteten Wagen des Düsseldorfer Rosenmontagszugs auch 2015 wieder den richtigen Nerv. Es gibt so viele Dinge, gegen die man auf die Straße gehen kann. Fremdenfeindlichkeit gehört nicht dazu. Verstehen wir den Rosenmontagszug, den sich vermutlich wieder um die 1 Million Menschen auf den Straßen Düsseldorfs anschauten, als größte Demonstration, die all die Dügida-, Pegida-, Kögida- und Legida-Originale und deren Derivate in die Bedeutungslosigkeit drängt!




Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden!

von Dirk Jürgensen ...

Je suis Charlie

Wir sollten uns gerade anlässlich des schlimmen Mordanschlags gegen die Pressefreiheit und gegen den Humanismus einmal kurz daran erinnern, dass die meisten Opfer islamistischer Gewalt selber Moslems sind. Ist das nicht ein Grund, sich an die Seite der Opfer zu stellen, gleichgültig, welcher Religion man sich zugehörig fühlt oder ob man Atheist ist?

Ich habe keine Angst vor dem Islam, wie ich auch keine Angst vor dem Christentum habe. Ich habe Angst vor durchgeknallten Gewalttätern und Verbrechern, die mir aus Missverständnis oder einer bestimmten Auslegung altertümlicher oder mittelalterlicher Schriften oder politischer Theorien heraus nach dem Leben trachten. Da gibt es zwischen Brevik, NSU und IS auf unserem kleinen Planeten verdammt viele Zeitgenossen, die mir Angst bereiten.
Und ich habe – mehr noch, als vor den Initiatoren – Angst vor den tumben Mitläufern der Pegida, Dügida, Vokuhila oder Köhida, die sich in den Dienst einer Ideologie begeben, die unser Land schon einmal nach Strich und Faden ruiniert hat.

Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden!

Charlie Hebdo - Le Pen

Quelle: https://charliehebdo.files.wordpress.com/2012/01/affiche-lepen.jpg

Das Einhalten dieses Grundsatzes kann sehr anstrengend sein, bedeutet manchmal persönliches Beleidigtsein, Ärger, Streit und auch juristische Auseinandersetzung – aber es ist all das wert. Das sollten auch die Pegida-Anhänger aus dieser ominösen Mitte der Gesellschaft wissen, schließlich lesen sie doch ganz bestimmt mehr als nur die Bildzeitung, jenem Fanal des Widerstands gegen die allgegenwärtige Lügenpresse? Dass einige Bekloppte und Fanatiker jedweder Couleur mit der eigenen Freiheit oder der des Nachbarn nichts anfangen können, sollte uns klar sein, aber gegen die hilft keine Pauschalverurteilung.
In den meisten Kriegen kämpfen Arschlöcher gegen Arschlöcher. Arschlöcher hat es immer gegeben und wird es immer geben. In jeder Religion, in jeder Partei, in jeder Stadt und in jedem Land, vielleicht sogar in jeder Familie. Das ist kein Grund dafür, diejenigen, die keine Arschlöcher sind, mit ihnen in einen Topf zu werfen! Vielmehr sollten wir die Arschlöcher der Lächerlich preisgeben. Dafür müssen wir Satire immer aushalten können, auch wenn sie uns persönlich nicht gefällt.

PS: Frau Le Pen fordert inzwischen die Einführung der Todesstrafe für islamistische Terroristen. Tja, die Frau weiß eben, wie man religiös verblendete Mörder belohnen kann, indem man sie zu Märtyren macht. Sogar so unterstützen Rechtsradikale den Islamismus. Die sind also gar nicht so weit voneinander entfernt und sicher fühlt sich der eine oder andere Pegida-Aktivist oder AfD-Parteigänger schon wie in einer deutschen Front National. Schlimm.




Und hinterher haben sie wieder von nichts gewusst!

von Dirk Jürgensen ...

Wer Faschisten auf den Leim geht, hat kein Verständnis verdient

 – „Aber“ ist das Unwort des Jahrzehnts. Ich will es einfach nicht mehr hören. So, wie ich auch von all diesem Verständnis nichts mehr hören will, von dem Politiker und im Fernsehen interviewte Fachleute angesichts der Vielzahl von Normalos auf diesen unsäglichen Pegida- oder Vokuhila-Demonstrationen schwafeln. Die Fremdenfeindlichkeit ist verabscheuungswürdig, „aber“ man müsse Verständnis für die Sorgen und Ängste dieser Menschen haben. Unfug!

Keinerlei Verständnis darf man haben!

Die Bekloppten des Islamischen Staates sind zu bekämpfen, keine Frage – gleichzeitig dienen sie hervorragend als Propagandamittel zur Radikalisierung nach Rechts. IS ist eine super Kampagne für die NPD und die Neo-Montagsdemonstranten merken das nicht? Ach was, niemand in Deutschland ist heute noch so ungebildet und so dumm, Faschisten so einfach auf den Leim gehen. Und wenn doch, dann darf es nicht vor Häme schützen.

Wo waren diese ängstlichen und sorgenvollen Wesen, als man Banken rettete und gleichzeitig Sozialetats kürzte? Wo ist diese furchtsame Mitte der Gesellschaft zu finden, wenn Millionen von Euro abgreifende Manager einmal mehr die Notwendigkeit von Entlassungen aufzeigen und über die Schädlichkeit von Mindestlöhnen dozieren? Wo demonstrieren diese armen Angstbürger, wenn ausgerechnet diejenigen, die sich Solidarität finanziell gut leisten könnten, aus dem Sozialsystem heraus schleichen und mehr Selbstverantwortung des Einzelnen fordern, um im Krankheitsfall oder im Alter einigermaßen versorgt zu sein?

Mit kurzem Nachdenken finde ich sicher noch viele andere Dinge, die in unserem Staat nicht richtig laufen, gegen die man auf die Straße gehen könnte und eigentlich auch sollte – doch ausgerechnet die vermeintliche Islamisierung unseres ach so geliebten Abendlandes motiviert Couch-Kartoffeln plötzlich zur öffentlichen Meinungsäußerung. Meinungsäußerung, dass ich nicht lache. Gemeinsam mit Hooligans, Neo- und Altnazis und stets im Geiste eines Sarrazin – das darf doch wohl mal gesagt werden – zeigt man sich europäischer Patriot und nennt das Meinungsäußerung.

Wer hat Angst vor der Hispanisierung Deutschlands

Weihnachten in fremder Sprache – Wer hat Angst vor der Hispanisierung Deutschlands?

Es ist halt immer einfacher, sich einen schwachen, zumindest etwas anders aussehenden Sündenbock oder auch Feind zu suchen. Da bieten sich die Ausländer, die Flüchtlinge und die Menschen anderen Glaubens (wer ist denn noch „hiesigen“ Glaubens? Ist das Christentum nicht auch nur ein Import aus dem Orient?) schnell an. „Halt!“ So wird man mir entgegen rufen. „Wir haben doch gar nichts gegen Ausländer, schon gar nicht gegen Flüchtlinge, aber …“ „Wir haben auch nichts gegen Moslems, wenn sie sich benehmen, aber …“ Und schon geht es wieder mit diesem „aber“ los. „Wir wollen nicht, dass dieser IS zu uns kommt und unseren Kindern die Köpfe abschneidet.“ Sicher, wer will das schon? Der allergrößte Teil der Moslems dieser Welt ganz sicher auch nicht.

In Deutschland gab es einst viele Menschen, die „nichts gegen Juden“ hatten, „aber“ … Diese Menschen „waren keine Nazis, aber …“ „Hitler (diese seltsame Einzelperson unserer dunklen Geschichte) hat Autobahnen bauen lassen, aber das mit den Juden war ein Fehler. Und wir haben von all dem nichts gewusst und schon gar nicht gewollt.“

Es lohnt nicht, sich über die unverbesserlichen Nazis zu wettern, die wie Rattenfänger agieren und mit kruden Parolen schlummernde Fremdenängste der Normalbürger wecken. Was viel schlimmer ist, ist die Dummheit, mit der diese Normalbürger in die gleichen Fallen wie die Generationen unserer Großeltern oder Urgroßeltern getappt sind. Doch das kümmert die demonstrierenden Spießer wenig und die von ihnen gerufenen Geister freuen sich über die neue Machtoption. Weihnachtslieder singend ins Deutsche Reich!

Hinterher würden sie im Notfall behaupten, DAS nun wirklich nicht gewollt zu haben oder von allem nichts gewusst zu haben. Ich werde mit ihnen kein Mitleid haben, denn schließlich sind auch die einfachsten Gemüter unter ihnen einst zur Schule gegangen. Und so klug, dass man sich nicht in die Hände der Faschisten begibt, sollte jeder seine Schule verlassen haben. Darüber nachzudenken, was ein unüberlegtes „aber“ bedeutet und dass die einstigen christlichen Werte Toleranz und Teilen hießen, würde vermutlich eine Überforderung bedeuten.




2014 – Freie Bahn den Bekloppten!

von Dirk Jürgensen ...

Ein Jahresrückblick auf ein rückwärtiges 2014

2014, das Jahr der Bekloppten - Foto: © Jürgensen - Düsseldorf

Foto: © Jürgensen – Düsseldorf

– Der Jahresrückblick auf das nun auslaufende Jahr 2014 fällt recht kurz aus: Demokratien wie Diktaturen haben sich weltweit darauf geeinigt, zwischen Nationalismus, religiösem Fanatismus und Marktradikalität angesiedelten Bekloppten alle Freiheiten zu gewähren. Kein Zeitgenosse wird sich an mehr Krisenherde oder gar Kriege erinnern können, was nicht allein an der größeren Durchdringung unseres Bewusstseins durch weltweite Nachrichten liegt. Vernunft ist nur noch das Leitbild einer schweigenden Mehrheit – oder gar Minderheit? Man weiß es nicht, denn schweigend degeneriert jede Mehrheit zu Minderheit. Auch in diesem Sinne war 2014 zu großen Teilen ein Jahr der Rückwärtsbewegung.

Eine auszugsweise Auflistung der Beklopptheiten:

  • Den Islamischen Staat ausrufende Dumpfbacken mit Minderwertigkeitskomplex errichten eine mittelalterliche Macho-Gewaltherrschaft, die anhand ihrer in Echtzeit und 3D gerenderten Grafikleistung jeden Ego-Shooter zum Märchenquartett schrumpfen lässt. Religion ist zu einer Phantasy-Orgie mutiert, in deren höchsten Level dem Gewinner 72 Jungfrauen versprochen werden. Ob der Hersteller des Spiels das wirklich liefern kann?

  • Wer aufgrund dieser Idiotie einmal mehr den Untergang des hiesigen Abendlandes befürchtet, schließt sich der

    Selbstverständlich weiß der Autor, dass Vokuhila die Abkürzung für eine seltsame Haarmode aus den Achtzigern ist. Er hat sich sehr bewusst für die Verwechslung mit der lokal etwas variierenden „Bürgerbewegung“ entschieden, um dieser keine weitere Popularität zu verschaffen.
    oder einer ähnlich umständlich abgekürzten und von Neonazis gesteuerten Initiative an, um seine Fremdenängste endlich auf der Straße ausleben zu können. Man bezeichnet sich als „bürgerliche Mitte“, trägt seinen braunen Kern endlich wieder offen, will kein Nazi sein, hat nichts gegen Ausländer, aber… Verschwiegen wird in all der Angstdemonstration, dass die Opfer der islamistischen Gewalt in der Mehrzahl Muslime sind. Doch übersehen wir nicht den einen Vorteil dieser fragwürdigen Protestbewegung: Endlich braucht der gepflegte Hooligan keinen Bundesligaspielplan mehr zur Terminierung seiner Freizeitaktivitäten.

  • Wer in der Ostukraine und drumherum ein Friedensengel, ein Faschist oder relativ harmloser Nationalist oder gar Freiheitskämpfer ist, was Schwärmerei von den vermeintlichen Vorzügen einer untergegangenen UdSSR ist bei einem inzwischen ultrakapitalistischen und nationalistischen Russlands ist und welche von den Massenmedien verbreitete Nachrichten Demagogie oder oder einigermaßen ungefärbte Neutralität darstellen, interessiert nicht mehr. Wenn beide Seiten lügen, wird bestenfalls weggehört.

  • Der Nahostkonflikt, der Nahostkonflikt. Der ist irgendwie immer da und immer gleich. Ob man nun die Seite der Palästinenser oder die der Israelis unterstützen oder verurteilen mag, ist inzwischen relativ unbedeutend. Zu sehr sind auf beiden Seiten die vernünftigen Kräfte ge- oder verschwunden. Allerdings scheint es in der Region trotz der Dauer des Konflikts noch Waffen, Sprengstoff und Menschenmaterial in ausreichender Menge zu geben, wie es zu meinem Erstaunen auch noch genügend zu zerstörende Wohnhäuser zu geben scheint. Da die jeweiligen Bevölkerungen ihre Wahlzettel immer radikaleren Gruppierungen widmen, werden noch ein paar Generationen über den Nahostkonflikt diskutieren dürfen. Das Gebiet ist ein wunderbares Biotop, in dem studiert werden kann, dass Menschen, die keinen anderen als den Kriegszustand kennen, nicht unbedingt die Motivation zum Frieden entwickeln.

  • Als die Bürger der USA einen afroamerikanischen Präsidenten wählten, schien der Rassismus endlich besiegt, höchstens noch in den Köpfen einer zu vernachlässigenden Minderheit vorhanden. Nun erlebt das Land Proteste und Unruhen wie schon lange nicht mehr, denn das Land der Freien muss erkennen, wie der latente Rassismus in Polizei und Justiz anhand der Todesopfer jüngster Zeit nach außen tritt. Wäre die Waffenlobby nicht derart im Konservativen verwurzelt, würden sicher jetzt perfide Parolen laut werden, nach dem beispielsweise der 18-jährige Michael Brown noch leben könnte, wenn er denn im Besitz einer Handfeuerwaffe gewesen wäre, um sich gegen den Polizisten zu wehren. Ein bekloppter Gedanke, von dem sich der Autor sofort distanzieren möchte.

  • Europa war einst ein großes Ziel. Etwas ist schief gelaufen. Inzwischen wird Europa als bürokratische, nicht als demokratische Einheit wahrgenommen. Die Bevorzugung von Wirtschaftsinteressen behindert die gesellschaftliche Entwicklung und wir lassen uns ständig mit Arbeitsplatzkeulen bedrohen und von Heiligsprechungen eines allgegenwärtigen Marktes blenden. Der europäische Geist erscheint hingegen viel zu selten und separatistische Gedanken, nationalistische Idealbilder geben längst überwunden geglaubte Alternativen vor. Europagegner werden im Parlament Europas immer mehr und fördern den Zersetzungsprozess. Anstatt nun im Gegenzug Europa voranzubringen, kümmert sich die von den Wählern kaum noch geforderte Politikkaste weiter für die Interessen der Interessenverbände. Die Lobbyisten kümmern sich wenigstens noch um Politik. Die Demokratie muss aufpassen, dass die Lethargie nicht zur Agonie wird.

  • In Japan, einem Land, das es besser wissen müsste, soll 2015 der stillgelegter Atommeiler Sendai wieder hochgefahren werden. So hat es die Präfektur Kagoshima trotz zahlreicher Protesten aus der Bevölkerung mehrheitlich entschieden. Nur 70 km vom Standort des Kraftwerks entfernt befindet sich der aktive Vulkan Sakurjima. Schön bekloppt, sollte man meinen. Fast so bekloppt wie die Briten, die ihr neues Kernkaftwerk Hinkley Point in Somerset 35 Jahre lang subventionieren werden und dafür auch noch die Freigabe der EU erhalten haben. Zur Begründung der Genehmigung schreibt die deutsch Vertretung der EU-Kommission auf ihrer Homepage: „Im Verlauf der der eingehenden Unetersuchung konnten die britischen Behörden nachweisen, dass mit der Beihilfemaßnahme ein echtes Marktversagen behoben wird, und die anfänglichen Zweifel der Kommission ausräumen. Insbesondere könnten die Projektträger aufgrund der beispiellosen Art und Tragweite des Projekts nicht die erforderlichen Finanzmittel beschaffen.“ Da reagiert der Markt ausnahmsweise einmal richtig, wird ihm ein Versagen unterstellt. So einfach geht das in einer Lobbykratie. Was nach den 35 Jahren sein wird und wer die unermesslichen Kosten nach der Stilllegung – wenn keine Katastrophe die Laufzeit verkürzt – in 60 Jahren tragen wird, ist leicht zu erraten. Es wird vermutlich nicht der Betreiber sein (können). Auch in diesem Sinne wird dann wieder der Markt versagen.

  • Wenn auch viele innenpolitische Themen zwischen PKW-Maut und dem geduldeten Herausmogeln aus dem sozialen Netz die allgemeine Beklopptheit begründen könnten, darf das Ebolafieber auch in diesem Jahresrückblick nicht fehlen. Seit 1976 ist es bekannt, als im damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, 280 Menschen an ihm starben. Zwischendurch tauchte der Erreger immer wieder auf und ließ in Afrika immer wieder Menschen sterben, bis er 2014 dann zum großen Schlag ausholte und Menschen in Guinea, Liberia, Sierra Leone, Nigeria, dem Senegal, der Demokratischen Republik Kongo und Mali befiel. Als dann auch noch Infizierte in die USA und nach Spanien reisten, wurde die Sache auch für uns brenzlig. Schließlich hielt sich das Virus bislang an die kontinentalen Grenzen Afrikas, einem ökonomisch – und daher menschlich – eher unergiebigen Erdteil. Viren sind clever. Würden sie ihre Wirte vornehmlich in den USA oder in Europa dahinraffen, hätte die Pharma-Industrie längst genügend Pillen oder Spritzen im Angebot. Wer zahlen kann, dem wird geholfen. Solidarität ist ein Begriff längst vergangener Zeiten und auf den Märkten hinderlich.

Wenn sich Fortschritt weiterhin technisch anhand einer höheren Auflösung in der Bilddarstellung eines Handy-Displays definiert und nicht gesellschaftlich durch wachsende Freiheit und Gerechtigkeit, wird 2015 ebenso nach hinten losgehen. Wir werden Regierungen wählen, die uns schaden, wir werden aktiv oder passiv Entwicklungen unterstützen, die wir nicht wollen und wir werden uns von Unternehmen und Staaten aushorchen lassen, weil alles so unüberschaubar und irgendwie bequem ist. Die Bekloppten dieser Welt freuen sich darüber und haben weiterhin freie Bahn. 2014 dürfte ihnen Mut gemacht haben und da hilft es auch nichts, dass ganz Deutschland Fußball-Weltmeister geworden ist.




Kapitalverbrechen und Raubzug

von Dirk Jürgensen ...

Prof. H. Lesch über die Finanzkrise und den sonstigen Irrsinn des Lebens in der ökonomisch dominierten Welt.

Dieser Beitrag aus der Serie „Pelzig hält sich“ ist im Sinne unserer schnelllebigen Zeit zwar schon alt, er stammt vom 03.07.2012, er bleibt dennoch aktuell und sehenswert. Damals war die Finanzkrise ein uns alle beschäftigendes Thema, doch scheint all das, was unbedingt geändert werden sollte und auch die Krise selbst, längst vergessen. Dabei wird die nächste Finanzkrise ganz sicher wieder kommen. Vielleicht ist sie aber auch gar nicht beendet, sondern aufgrund all der Kriege, Flüchtlichgsdramen und Seuchen nur nicht mehr ausreichend Schlagzeilen gerecht?




Welche Alternative eigentlich? Da verlierste hinterher immer.

von Dirk Jürgensen ...

Ein Thekengespräch über die AfD

– – –

Mann 1: Jupp, mach mal ganz schnell zwei Bier.

Mann 2: Aber auf meinen Deckel. Mein Kumpel macht ja ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Was ist denn los?

Mann 1: Ach, waren doch wieder Wahlen im Osten. Mittlerweile machen die mir mit ihren Wahlerfolgen richtig Angst.

Mann 2: Wer?

Mann 1: Die von der AfD.

Mann 2: Von wem?

Mann 1: Von der AfD, Alternative für Deutschland, diese irgendwie Rechten und irgendwie radikal neoliberalen Marktverherrlicher.

Mann 2: Ach die. Das Neoliberale hat auch die FDP sterben lassen. Das will niemand mehr. Hat auf Dauer keine Chance. Und was das Rechte bei denen angeht, … Ich glaube, so schlimm sind die gar nicht.

Mann 1: Wie kommst Du denn da drauf?

Mann 2: Ist doch ganz einfach. Die können sich doch nicht Alternative für Deutschland nennen, wenn sie hintenrum nur Deutschland, Deutschland über alles wollen. Mit dem Namen können die keine Nazis sein.

Mann 1: Versteh‘ ich nicht.

Mann 2: Ist doch ganz einfach. Die wollen oder versprechen uns eine Alternative für Deutschland. Und das kann dann logischerweise nicht Deutschland sein. Sondern ein anders Land.

Mann 1:  Häh, wie jetzt?

Mann 2:  Denk‘ mal an deinen Urlaub. Fährste da immer in Deutschland rum?

Mann 1:  Natürlich nicht. Bei dem unsicheren Sommerwetter.

Mann 2:  Eben. Du findest eine Alternative und die ist …?

Mann 1:  Meistens Mallorca, also Spanien. Da scheint immer die Sonne, die Leute sind viel entspannter als bei uns und überhaupt, … Wenn ich in zehn Jahren so weit bin, lass ich mir die Rente da hinschicken. Ich war auch schon mal in der Türkei, aber da habe ich das Essen nicht vertragen.

Spanien, eine Alternative für Deutschland? - Foto: © Jürgensen - Düssseldorf

Spanien (Mallorca), eine Alternative für Deutschland?
Foto: © Jürgensen – Düssseldorf

Mann 2:  Siehste.

Mann 1:  Was sehe ich?

Mann 2:  Dass Du ne Altenative für Deutschland kennst. Und die heißt in Deinem Fall Spanien.

Mann 1:  Und so eine Alternative für Deutschland will uns auch die AfD bieten?

Mann 2:  Vermutlich. Ich habe deren Parteiprogramm nicht gelesen, aber dem Namen nach wollen die uns immerhin eine Alternative bieten. Und die sollte doch vermutlich nicht schlechter als Deutschland sein. Wäre dann ja keine Alternative.

Mann 1:  Vielleicht Holland?

Mann 2:  Wieso Holland?

Mann 1:  Die machen bessere Pommes als der Jupp und haben super Strände. Wir fahren auch immer nach Venlo und kaufen Kaffee. Der ist da billiger. Holland wäre auch schon eine Alternative. Außerdem haben die tolle Radwege. Meine Frau und ich fahren doch in der letzten Zeit mehr mit dem Rad. Will die AfD die Radwege ausbauen. Wäre doch ein Anfang?

Mann 2:  Weiß ich nicht. Aber wenn man bedenkt, wie viele Deutsche ständig ins Ausland reisen, gibt es eine Menge Vorstellungen, wie eine Alternative zu dem aussehen könnte, das wir hier ständig erleben. Frankreich, Wein, savoir-vivre, gutes Essen, schöne Frauen. Italien, Pizza, Pasta, Amore. Einmal mit dem Finger durch den Atlas und man hat tausend Alternativen für Deutschland.

Mann 1:  Ist ja gut, aber kommen die denn mit ihren Vorstellungen überhaupt durch? Demnächst kommt es sicher zur ersten Koalition mit der CDU.

Mann 2:  Sicher nicht.

Mann 1:  Und warum?

Mann 2:  Die Merkel gibt denen einen unbedeutenden Ministerposten und sagt dann ganz einfach: Deutschland ist alternativlos. Und Ende mit der AfD.

Mann 1:  Ist vielleicht auch besser so, denn die wollen auch den Euro abschaffen. Dann wird das bestimmt hinterher schwieriger mit meiner Rente.

Mann 2:  Schwieriger?

Mann 1:  Ja, denk doch mal an die elende Umrechnerei in Peseten. Da verlierste hinterher immer.

Mann 2:  Jupp, noch zwei Bier!




Vom Vorwurf der Parteinahme in Kriegszeiten

von Dirk Jürgensen ...

Oder: Wem nützt die ständige Vereinfachung und Zuweisung vorgeblicher Parteinahme?

Foto: ©Jürgensen - Düssseldorf

Foto: ©Jürgensen – Düssseldorf

Ich halte Putin für einen gefährlichen Macho mit sehr fragwürdiger Geheimdienstvergangenheit und den russischen Kapitalismus für mindestens so menschenverachtend wie den us-amerikanischen. Merkels Ergebenheit gegenüber Bush und Obama widert mich an. Ich kritisiere die Politik der israelischen Regierung und hasse keinen Juden, wie ich auch die Russen nicht hasse, obwohl ich nicht verstehen mag, warum sie mehrheitlich so einen wie Putin wählen. Muss man Homophobie und die Unterdrückung von Opposition in seine Kritik einbeziehen, wenn man viel zu liberale Waffengesetze und das noch immer nicht geschlossene Gefangenenlager in Guantanamo anprangert? Sind amerikanische Fundamentalisten christlicher Art schlimmere oder bessere Menschen als liberale, aber Steuern hinterziehende Bankvorstände? Wenn ich die demokratisch gewählte Regierung Israels kritisiere, weil sie mit ihrem Verhalten den radikalen Islamismus fördert, will ich übrigens nicht automatisch die mindestens ebenso bekloppten radikalen Kämpfer auf der anderen Seite vergessen zu kritisieren. Das klappt nur nicht immer im gleichen Satz. Man mag mir in diesem Sinne übrigens gerne vorwerfen, das gerechtfertigte Beschimpfen der Faschisten unter den Ukrainern unterlassen zu haben, als ich meine Ansicht über Putin und die von ihm zumindest geduldeten Separatisten erwähnte. Wie, ich hatte Letztere gar nicht erwähnt? Dann eben jetzt.

Immer, wenn ich der einen Seite eine verbale Ohrfeige verpasse, verschone ich die andere unbedingt abzuwatschende Seite. Oft weiß ich noch nicht einmal mehr, wer den jeweiligen Konflikt einst ausgelöste, doch habe ich vor vielen Jahren lernen müssen, dass das Nachsitzen nach einer Schulhofkeilerei beide Kontrahenten gleichermaßen und ohne Klärung der Schuldfrage trifft. Denn die Keilerei selbst war das Vergehen und von der Beteiligung daran konnte sich keine Seite freisprechen. Das könnte beruhigen.

Sicher ist das Verhältnis zwischen pubertär aufgeheizten weniger komplex und schon gar nicht so historisch aufgeladen als jenes zwischen Staaten oder ethnischen Mehr- und Minderheiten, aber eine Sache ist unbedingt festzuhalten:

In den meisten Kriegen kämpfen Arschlöcher gegen Arschlöcher. Das ist in der Ukraine so, in Syrien und anderswo im gleichen Maße.

Auch Deutschland ist noch lange keine arschlochfreie Zone. Im Gegenteil – und ich will noch nicht einmal ausschließen, dass ich in den Augen mancher Mitbürger selber eines bin. Wie auch immer ihr/Ihr Urteil ausfällt, bin ich überzeugt ein viel kleineres Arschloch zu sein, als es der Handelsvertreter eines Rüstungskonzerns ist, der sein Geld damit verdient. den kriegführenden Arschlöchern das gegenseitig massenhafte Unterdrücken und Mordenzu  ermöglichen. Letzthin ist es sogar fast egal, ob es besoffene Separatisten mit oder ohne Beteiligung russischer Söldner, ob überforderte oder ebenfalls besoffene Soldaten der ukrainischen Armee waren, die MH-17 abschossen, wer den Befehl dazu gab, wenn nicht geklärt wird, wer diesen Idioten die Raketen geliefert hat. Klären wir das, wenn wir wissen, dass tatsächlich ein Abschuss vorlag.

Trotz aller Offenheit und massenhaften Meinungsverbreitung dieser Tage, leben Kritiker in ihren weltweiten Foren und Blogs in einer schweren Zeit. Wer seine Kritik als Denkanstoß versteht, kann angesichts der schnellen und oft übermäßigen Reaktionen schnell den Mut verlieren. Ob die Kritik vollständig gelesen oder gar verstanden wurde, bleibt ungeklärt und das Denken verkommt zur Nebensache. Neben einem „like“ wird ihm in zunehmendem Maße und unabhängig von der Argumentationskette Ignoranz, Parteinahme und Blindheit auf dem ganz selbstverständlich falschen Auge vorgeworfen. Russenhass und Amerikahörigkeit lautet die Anklage der einen Seite, Ignorieren der Nazis in der Ukraine und bezahlte oder verblendete Putinversteherschaft die der anderen. Im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt wird ihm entweder das Einknicken vor dem sich ausbreitenden Islam oder andererseits Antisemitismus vorgeworfen. Wer achtet schon darauf, dass auch Araber und Palästinenser als Semiten gelten und darauf, dass diese Bezeichnung eine sprachgeschichtliche Bedeutung und keinesfalls eine religiöse hat. Meinung, Ansicht, Glaube, Vorurteil und Wissen. Manchmal wünscht man sich einen globalen Klassenlehrer, der alle Seiten nachsitzen lässt.

Die Ausgewogenheit eines Beobachters mindert keinen kriegerischen Konflikt, da die Fronten verhärtet sind. Ausgewogenheit ist dennoch ein wichtiger Aspekt. Besonders dann, wenn man seine Kritik mit einer Recherche an möglichst unterschiedlichen Quellen untermauert. Vollständig kann Ausgewogenheit niemals sein, denn kein Mensch und kein Prozess der Meinungsbildung ist perfekt und als endgültig richtig anzusehen. Der Irrtum liegt immer im Bereich des menschlich Wahrscheinlichen, wenn man ihn auch nach bestem Wissen und Gewissen zu vermeiden sucht. Hingegen ist eine gehörige Portion Einseitigkeit nötig, um eine Kritik griffig und genügend schmerzhaft zu gestalten. Einseitigkeit macht die andere Seite für Konter anfällig. Das sollte man hinnehmen. Diese Konter kommen mit Glück in sachlich stimmiger Form und ansonsten, so ist es aktuell in allen Foren zu beobachten, als simple Zuweisung vorgeblicher Parteinahme für die andere, für die „dunkle Seite der Macht“. Um es also mit einer Antwort auf die einleitende Frage zu versuchen:

Wer keine Diskussion will, wer eine Meinung nur duldet, wenn sie der eigenen entspricht, wer seinen Starrsinn oder seine indoktrinierte Sichtweise für unumstößlich und sogar für das Ergebnis eigener Erfahrungen hält, wer keine Argumente vorzubringen hat, nutzt es zur Schaffung seines Selbstwertgefühls, den anders Denkenden als parteilich zu bezeichnen.

Wer dem Glauben verfallen ist, dass der Feind eines Arschlochs automatisch keines ist, hat ein großes Problem.

In den meisten Fällen merkt er es aber nicht und ist somit unser aller Problem.




Brot und Spiele ohne Brot

von Dirk Jürgensen ...

Friedlicher Nationalismus?

Ich gebe es ja zu: Auch ich habe Spaß an der Fußball-WM.

Nationales Nervensägen - Überall SRGDoch manchmal überfällt mich eine Angst. Immer dann, wenn vor dem Spiel von Mal zu Mal inbrünstiger die Hymne eines Landes gesungen wird, wie es mir beim spielerisch begeisternden Achtelfinalspiel zwischen Brasilien und Uruguay besonders aufgefallen ist. Ja, es herrscht in den Stadien dieser WM ein friedliches Gemisch verschiedenster (oder doch immer wieder gleichartiger?) Nationalismen. Diese WM bietet uns ein klassisches und immer deutlicher werdendes Bild, dass ein Volk mit Spiel und Nationalstolz erfolgreich davon abgehalten kann, nach Brot zu schreien. Brasilien – nur ein Beispiel – ist ein stolzes Land mit stolzen Menschen.

Aber was bedeutet dieser Stolz?

Worauf beruht sich dieser Stolz und was macht ihn zum Opiat? Die Fähigkeiten einiger Fußballspieler können eigentlich nicht ausreichend sein, um ihn zu begründen. Sie sind es aber, wie es scheint. Wo sind all die Proteste gegen die Regierung, gegen die Korruption, gegen die Machenschaften der Fifa, den Bau ungemein teurer Stadien und das gleichzeitige Vertreiben der Ärmsten aus ihren Favelas geblieben? Kann erst ein Ausscheiden der Mannschaft Brasiliens, sagen wir aufgrund eines offensichtlichen Versagens des Heilbringers Neymar, den Betrug aufdecken, das Aufbegehren aufflammen lassen? Was sollen wir hoffen? Menschen, die unter der Einwirkung von Opium stehen sind friedlich, doch wir wissen nicht, wie lange die Wirkung der Droge anhält und ihnen auffällt, dass Nationalstolz auf Dauer kein Brot ersetzen kann.

Der bei der WM gezeigte Nationalismus ist ein friedlicher. Die Fans aus allen Ländern feiern mehr oder weniger gemeinsam in ihren Trikots. Doch immer ist Nationalismus ein Tanz auf der Rasierklinge, kann schnell umschlagen. Ein kleiner Fehltritt aus Angst, Überheblichkeit oder individueller Dummheit ist tödlich und niemand ist in der Lage seine Art und seinen Zeitpunkt vorherzusagen. Das begründet meine Angst, wenn ich die Inbrunst erlebe, in der die nationalen Hymnen vorgetragen werden. Dazu muss ich noch nicht einmal an all das erinnern, was der Nationalismus zwischen Sarajevo 1914 und der Ukraine 2014 angerichtet hat.

Die Fifa lässt Banner der Fans abhängen. Sei es, um teuer bezahlte Werbebanner sichtbar zu halten, sei es aus dem verständlichen Geist heraus, nationale Symbole aus der (vorgeblich?) unpolitischen Veranstaltung herauszuhalten. Sie lässt auch Banner entfernen, die sich gegen Rassismus und politische Unterdrückung richten. Aber sie lässt vor jedem Spiel eine Nationalhymne spielen, die immmer ein politisches Symbol darstellt und oftmals sehr martialisch und die Nation verherrlichend daherkommt. Ich halte das für einen Widerspruch.

Ich träume von einer Fußball-Weltmeisterschaft ohne Nationalhymnen im Russland des Jahres 2018 und weiß, dass Träume gar keinen Sarkasmus kennen.

 

Lesen Sie weiter, wie mich dieses Thema bereits 2006 anlässlich des beginnenden „Sommermärchens“ beschäftigte: Nationales Nervensägen




Wir brauchen Utopien

von Dirk Jürgensen ...

Von der Notwendigkeit utopischen Denkens

Wo liegt Utopia? - ©Foto: Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Wo liegt Utopia?
©Foto: Dirk Jürgensen – Düsseldorf

– Utopien sind wichtig. Sie markieren ein Ziel, Hoffnungen auf einen Ort, den es nicht gibt – noch nicht gibt. In unseren neoliberal geprägten Zeiten, die von einem kurzfristigen ökonomischen Pragmatismus unzähliger Einzelkämpfer geprägt sind, in denen jeder seine Chance zu haben glaubt, ist das Wort Utopie zu einer Art Schimpfwort verkommen, wie auch Idealismus zur Unvernunft mutierte. Gedanken an eine bessere Welt, an einen gerechten Staat werden gern als Hirngespinste

Man beachte angesichts meist in der Zukunft angesiedelter Utopien den Widerspruch! Dem ewig Gestrigen wird von vermeintlichen Vernunftsmenschen der Gegenwart die Unfähigkeit nachgesagt, das Normative des Faktischen hinzunehmen.
oder unverbesserlicher
Auch der widersinnig negative Gebrauch des Wortes Gutmensch passt in dieses Schema, das uns Solidarität und Gerechtigkeit aufgrund historischer und aktueller Erfahrungen des menschlichen Verhaltens als gescheiterte Träume erklären soll. Gerne wird diese Bezeichnung von eher rechtskonservativen Menschen verwendet, um die Bemühungen und Aussagen anders Denkender als absurd darzustellen. Der Autor dieser Zeilen wurde einst in einem Forum als „grün-bolschewistischer Gutmensch“ beschimpft und rätselt, froh, nicht als Schlechtmensch tituliert zu werden, noch immer, was einen solchen auszeichnet.
abgetan.

Was ist der Mensch ohne Träume, ohne Hoffnungen anderes als ein trauriges, willfähriges Instrument? Allenfalls kleine, beinahe armselige Träume und Hoffnungen von beruflichem und finanziellem Aufstieg sind als Antriebsmittel des Einzelnen in unserem kapitalistischen System verschiedener Ausprägungen zwischen USA, Europa, Russland und China erlaubt. Bloß nicht davon sprechen, dass ein Markt nur allzu gerne jene Teilnehmer gewinnen lässt, deren Methode es ist, andere übers Ohr zu hauen. Lieber mitmachen, sich anpassen, vor dem mühevollen Anstoßen von Veränderungen resignieren. Andere tun es schließlich auch und allein hat man keine Chance. Bloß nicht in gesellschaftlichem Format hoffen und träumen, gar die Förderung des Guten im Menschen als Aspekt des Fortschritts in Erwägung ziehen. Dazu fehlt uns die Zeit und die kostet bekanntlich Geld, unser wichtigstes Gut.

Etwas überraschend taucht in den letzten Jahren vermehrt der Begriff des

Eine Bezeichnung, die in Wirtschaftskreisen dieser Tage eine gewisse modische Umdeutung erfährt, wenn es darum geht, ausgetretene Pfade zu verlassen, wenn diese nicht mehr den gewohnten Einnahmeüberschuss erzielen lassen. Genauer betrachtet sollen diese Querdenker nur eingefangen, domestiziert und an die erforderlichen Abläufe angepasst und möglichst nur Teile ihrer Ideen verwendet werden. Zu entschieden quer würden diese Denker den Weg zum ökonomischen (welchen auch sonst) Erfolg versperren, der letzthin doch wieder der ausgetretene zu sein hat. Zudem ist der Querdenker im heutigen Wortgebrauch der Nachfolger des etwas in die Jahre gekommenen und lange arg strapazierten Visionärs, der letzthin nur eine erfolgreiche Geschäftsidee hatte.
auf. Dabei sind gerade Utopisten Menschen, die ihr Querdenken und ihre Visionen umfassend formulieren, statt ihre im vorherrschenden Zeitgeist schräg zu nennenden Einfälle nur auf einen Arbeitsablauf oder eine Marketingstrategie auszurichten. Utopisten haben im Gespräch mit Personalverantwortlichen keine Chance, sind zu unbequem in einer bei gleichzeitiger Gewinnoptimierung nach „Convenience“ strebende Welt, in der es zählt „smart“, also pfiffig, flink, schlau, elegant, gerissen oder adrett zu sein.

Nach dem Wandel großer sozialistischer Projekte in Diktaturen, in Wirklichkeit gewordene

Machmal könnte man glauben, die Utopien wären uns verleidet, nachdem uns – natürich angesichts historischer und gegenwärtiger Erfahrungen – nur Dystopien präsentiert wurden. Diese Anti-Utopien kehren das Bild einer Utopie um, zeigen uns Diktaturen, Repression und totale Überwachung. Weitere Begriffserklärungen und Beispiele sind bei Wikipedia zu finden.
, ihrem Zusammenbruch und dem darauf folgenden globalen Siegs des Kapitalismus, der uns alltäglich im Misstrauen gegenüber jeden Begriff schulte, der das Präfix Sozial- besitzt, erscheint es kaum möglich, ausgerechnet neue Sozialutopien zu entwickeln.

So leben wir

Dass es gar nicht so wenige sind, beweist ein Buch mit Film von Isabelle Fremeaux und John Jordan, das bei Nautilus unter dem Titel Pfade durch Utopia erschien und von einer Reise kreuz und quer durch Europa zu ganz unterschiedlichen utopischen Projekten erzählt.
in einer Welt, in der uns Utopien fehlen und somit ohne ein Bild, auf dem es unsere Kindeskinder einst jenseits einer perfektionierten elektronischen Ausstattung ihres Lebensumfelds wirklich besser haben. Schließlich wird niemand behaupten, dass wir bereits heute in der besten aller möglichen oder gar wünschenswerten Welten leben. Oder doch? Hat das neoliberale Streben ein wünschenswertes Ziel jenseits des ökonomischen Prinzips (nach dem mit einem möglichst geringen Einsatz der größtmögliche Erfolg eingefahren werden soll) im allumfassenden Marktdenken?

Manager und Politiker erzeugen, verwalten und bekämpfen Krisen, langfristiges Denken findet keinen Platz im viel zu engen Terminkalender. Wir Kunden, Verbraucher, Arbeitnehmer, Wähler und Journalisten tragen eine große Mitschuld daran. Wir lassen es zu, weil auch wir es nicht besser wissen und nicht die Zeit nehmen, Ideen zu entwickeln.

So ist es wohl sinnvoll, sich an bereits verfasste Utopien und ihre Verfasser zu erinnern. Sie mögen uns manchmal etwas verstaubt, ihre Zukunftssicht technisch längst überholt vorkommen. Doch können sie uns helfen, neue Utopien, ein Ziel zu definieren, das uns glaubhaft und erstrebenswert erscheint. Gerne kann man die Lektüre mit Platons Politeia oder die erste wirkliche und dem Genre einen Namen gebende Sozialutopie von Thomas Morus Utopia beginnen, doch ich möchte auf ein in seiner Zeit außerordentlich erfolgreiches Werk aus dem Jahr 1887 erinnern, das erstaunlich aktuelle Züge aufweist und unbedingt lesenswert ist.

Originaltitel „Looking Backward: 2000-1887“
von Edward Bellamy wurde 2013 bei Goldkonda in einer sorgsam zusammengestellten Ausgabe mit der Übersetzung von Clara Zetkin neu herausgegeben.

Eine Besprechung des Romans Rückblick aus dem Jahre 2000 ist in Vorbereitung.

Ein Nachwort

Dieser Beitrag ist der Beginn einer Reihe, in der ich mich mit dem Fehlen neuer Utopien befassen und ohne chronologische Rüchsichtnahme auf bisher verfasste Utopien verweisen werde. Manchmal mögen meine Gedanken etwas unbedarft ins Unreine formuliert sein, aber einen wissenschaftlichen Anspruch verfolgen sie ohnehin nie. Vielmehr möchte ich angesichts einer von ökonomischer Kurzfristigkeit geprägten Zeit ohne humanistische, soziale Ideale zu utopischem Denken anregen. Denn ohne Ziel bereitet der Weg nur begrenzten Spaß.

Hier geht es weiter: Wir brauchen Utopien




Europa wählen!

von Dirk Jürgensen ...

Eine Wahl gegen Ressentiments – und gegen den Lobbyismus

– Lange war ein vereintes und friedliches Europa ein Ziel, das unerreichbar schien. Immer wieder wurde das friedliche Neben- und Beieinander durch nationalistische Interessen durch das Fördern von Ressentiments, von tatsächlicher oder vermeintlicher Ungerechtigkeit verhindert. Inzwischen können wir unsere Nachbarn in Europa Freunde nennen, haben sogar eine gemeinsame Währung, können ohne Formalitäten quer durch unseren Teilkontinent bis nach Portugal reisen und sogar bleiben, wo es uns gefällt. Bei aller begründeter Kritik ist Europa ein Gut, das wir gegen alle nationalstaatlichen Rückwärtsbewegungen verteidigen müssen!

Am 25. Mai 2014 wählen wir ein neues Europa-Parlament.

Wir wählen ein Parlament, dessen Abgeordnete lernen müssen, wer die von uns so geschätzte Demokratie ausmacht, wer über die Politik zu bestimmen hat. Das Parlament wird nicht von global tätigen Konzernen, von Aktionären nach dem Gewicht ihrer Anteile und nicht von wirtschaftlichen Interessenverbänden gewählt, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Gangsterbank - Graffito in Düsseldorf - Foto ©Dirk Jürgensen

Graffito in Düsseldorf – Foto ©Dirk Jürgensen

Als „Das vergoldete Zeitalter“ 1876 in deutscher Sprache erschien, kannte hier noch niemand den „Lobbyisten“. Daher wurde dieser damals in den USA bereits gängige Begriff mit „Intriganten des Foyers“ übersetzt. Wir sollten diese Übersetzung wieder häufiger einsetzen, denn die bloße Übernahme aus dem Englischen kommt recht weichgespült daher, wenn man an die täglich zu beobachtenden Folgen des Lobbyismus betrachtet.

Ich denke, mehr noch als die ausufernde und fraglos einzudämmende Bürokratie sind es diese „Intriganten“, die uns den Spaß am vereinten Europa verderben, die unsere Parlamentarier dazu bringen, Lobbyinteressen vor Bürgerinteressen setzen und so europafeindliche Tendenzen schüren. Daher möchte ich auf eine E-Mail hinweisen, die ich eben von der Organisation LobbyControl erhielt, die mit einer neuen Kampagne Kandidaten der Europawahl an eine ihrer wesentlichsten Aufgaben erinnern und Einfluss auf sie nehmen will. Bitte machen Sie bei dieser Aktion mit, helfen Sie beim Erhalt der großen Idee Europa mit – und ganz wichtig.

Wählen gehen!

„Brüssel ist die Hauptstadt des Lobbyismus in Europa. Täglich nehmen dort schätzungsweise 15.000-25.000 Lobbyisten Einfluss auf die EU-Politik. Dabei dominieren Unternehmenslobbyisten und deren Interessen. Die Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern hingegen fallen oft unter den Tisch.
Damit sich daran etwas ändert, brauchen wir wachsame Europaabgeordnete, die sich für mehr Transparenz und gegen Lobbyismus der Banken und Konzerne in der EU einsetzen. Am 25. Mai wird das Europaparlament neu gewählt. Und hier können Sie einen Unterschied machen.
Fordern Sie jetzt, zu Beginn des Wahlkampfes, die Kandidaten auf, sich in den kommenden fünf Jahren für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen und Europa vor dem Einfluss der Unternehmenslobbyisten zu retten:

https://politicsforpeople.eu/germany/

Mit der Kampagne „Politics for People“ setzt sich LobbyControl in einem europaweiten Bündnis für striktere Regeln für Lobbyisten und mehr Transparenz ein. Die Kampagne ist ein gemeinsames Projekt unserer Allianz für Lobby-Transparenz und Ethische Regeln (ALTER-EU) und weiterer Partner. Wir hoffen, dass viele Menschen aus ganz Europa die kommenden Europaabgeordneten auffordern, sich gegen einseitigen Lobbyismus zu engagieren.
Denn viele Gesetze nehmen ihren Ausgang in Europa. Deshalb brauchen wir mehr Transparenz und Schranken für den Lobbyismus auf europäischer Ebene. Setzen Sie ein Zeichen und fordern Sie die Kandidaten auf, sich gegen den Lobbyismus von Konzernen und Banken einzusetzen:

https://politicsforpeople.eu/germany/

Vielen Dank für Ihre Unterstützung
Max Bank
EU-Referent“