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Wir brauchen Utopien

von Dirk Jürgensen ...

Von der Notwendigkeit utopischen Denkens

Wo liegt Utopia? - ©Foto: Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Wo liegt Utopia?
©Foto: Dirk Jürgensen – Düsseldorf

– Utopien sind wichtig. Sie markieren ein Ziel, Hoffnungen auf einen Ort, den es nicht gibt – noch nicht gibt. In unseren neoliberal geprägten Zeiten, die von einem kurzfristigen ökonomischen Pragmatismus unzähliger Einzelkämpfer geprägt sind, in denen jeder seine Chance zu haben glaubt, ist das Wort Utopie zu einer Art Schimpfwort verkommen, wie auch Idealismus zur Unvernunft mutierte. Gedanken an eine bessere Welt, an einen gerechten Staat werden gern als Hirngespinste

Man beachte angesichts meist in der Zukunft angesiedelter Utopien den Widerspruch! Dem ewig Gestrigen wird von vermeintlichen Vernunftsmenschen der Gegenwart die Unfähigkeit nachgesagt, das Normative des Faktischen hinzunehmen.
oder unverbesserlicher
Auch der widersinnig negative Gebrauch des Wortes Gutmensch passt in dieses Schema, das uns Solidarität und Gerechtigkeit aufgrund historischer und aktueller Erfahrungen des menschlichen Verhaltens als gescheiterte Träume erklären soll. Gerne wird diese Bezeichnung von eher rechtskonservativen Menschen verwendet, um die Bemühungen und Aussagen anders Denkender als absurd darzustellen. Der Autor dieser Zeilen wurde einst in einem Forum als „grün-bolschewistischer Gutmensch“ beschimpft und rätselt, froh, nicht als Schlechtmensch tituliert zu werden, noch immer, was einen solchen auszeichnet.
abgetan.

Was ist der Mensch ohne Träume, ohne Hoffnungen anderes als ein trauriges, willfähriges Instrument? Allenfalls kleine, beinahe armselige Träume und Hoffnungen von beruflichem und finanziellem Aufstieg sind als Antriebsmittel des Einzelnen in unserem kapitalistischen System verschiedener Ausprägungen zwischen USA, Europa, Russland und China erlaubt. Bloß nicht davon sprechen, dass ein Markt nur allzu gerne jene Teilnehmer gewinnen lässt, deren Methode es ist, andere übers Ohr zu hauen. Lieber mitmachen, sich anpassen, vor dem mühevollen Anstoßen von Veränderungen resignieren. Andere tun es schließlich auch und allein hat man keine Chance. Bloß nicht in gesellschaftlichem Format hoffen und träumen, gar die Förderung des Guten im Menschen als Aspekt des Fortschritts in Erwägung ziehen. Dazu fehlt uns die Zeit und die kostet bekanntlich Geld, unser wichtigstes Gut.

Etwas überraschend taucht in den letzten Jahren vermehrt der Begriff des

Eine Bezeichnung, die in Wirtschaftskreisen dieser Tage eine gewisse modische Umdeutung erfährt, wenn es darum geht, ausgetretene Pfade zu verlassen, wenn diese nicht mehr den gewohnten Einnahmeüberschuss erzielen lassen. Genauer betrachtet sollen diese Querdenker nur eingefangen, domestiziert und an die erforderlichen Abläufe angepasst und möglichst nur Teile ihrer Ideen verwendet werden. Zu entschieden quer würden diese Denker den Weg zum ökonomischen (welchen auch sonst) Erfolg versperren, der letzthin doch wieder der ausgetretene zu sein hat. Zudem ist der Querdenker im heutigen Wortgebrauch der Nachfolger des etwas in die Jahre gekommenen und lange arg strapazierten Visionärs, der letzthin nur eine erfolgreiche Geschäftsidee hatte.
auf. Dabei sind gerade Utopisten Menschen, die ihr Querdenken und ihre Visionen umfassend formulieren, statt ihre im vorherrschenden Zeitgeist schräg zu nennenden Einfälle nur auf einen Arbeitsablauf oder eine Marketingstrategie auszurichten. Utopisten haben im Gespräch mit Personalverantwortlichen keine Chance, sind zu unbequem in einer bei gleichzeitiger Gewinnoptimierung nach „Convenience“ strebende Welt, in der es zählt „smart“, also pfiffig, flink, schlau, elegant, gerissen oder adrett zu sein.

Nach dem Wandel großer sozialistischer Projekte in Diktaturen, in Wirklichkeit gewordene

Machmal könnte man glauben, die Utopien wären uns verleidet, nachdem uns – natürich angesichts historischer und gegenwärtiger Erfahrungen – nur Dystopien präsentiert wurden. Diese Anti-Utopien kehren das Bild einer Utopie um, zeigen uns Diktaturen, Repression und totale Überwachung. Weitere Begriffserklärungen und Beispiele sind bei Wikipedia zu finden.
, ihrem Zusammenbruch und dem darauf folgenden globalen Siegs des Kapitalismus, der uns alltäglich im Misstrauen gegenüber jeden Begriff schulte, der das Präfix Sozial- besitzt, erscheint es kaum möglich, ausgerechnet neue Sozialutopien zu entwickeln.

So leben wir

Dass es gar nicht so wenige sind, beweist ein Buch mit Film von Isabelle Fremeaux und John Jordan, das bei Nautilus unter dem Titel Pfade durch Utopia erschien und von einer Reise kreuz und quer durch Europa zu ganz unterschiedlichen utopischen Projekten erzählt.
in einer Welt, in der uns Utopien fehlen und somit ohne ein Bild, auf dem es unsere Kindeskinder einst jenseits einer perfektionierten elektronischen Ausstattung ihres Lebensumfelds wirklich besser haben. Schließlich wird niemand behaupten, dass wir bereits heute in der besten aller möglichen oder gar wünschenswerten Welten leben. Oder doch? Hat das neoliberale Streben ein wünschenswertes Ziel jenseits des ökonomischen Prinzips (nach dem mit einem möglichst geringen Einsatz der größtmögliche Erfolg eingefahren werden soll) im allumfassenden Marktdenken?

Manager und Politiker erzeugen, verwalten und bekämpfen Krisen, langfristiges Denken findet keinen Platz im viel zu engen Terminkalender. Wir Kunden, Verbraucher, Arbeitnehmer, Wähler und Journalisten tragen eine große Mitschuld daran. Wir lassen es zu, weil auch wir es nicht besser wissen und nicht die Zeit nehmen, Ideen zu entwickeln.

So ist es wohl sinnvoll, sich an bereits verfasste Utopien und ihre Verfasser zu erinnern. Sie mögen uns manchmal etwas verstaubt, ihre Zukunftssicht technisch längst überholt vorkommen. Doch können sie uns helfen, neue Utopien, ein Ziel zu definieren, das uns glaubhaft und erstrebenswert erscheint. Gerne kann man die Lektüre mit Platons Politeia oder die erste wirkliche und dem Genre einen Namen gebende Sozialutopie von Thomas Morus Utopia beginnen, doch ich möchte auf ein in seiner Zeit außerordentlich erfolgreiches Werk aus dem Jahr 1887 erinnern, das erstaunlich aktuelle Züge aufweist und unbedingt lesenswert ist.

Originaltitel „Looking Backward: 2000-1887“
von Edward Bellamy wurde 2013 bei Goldkonda in einer sorgsam zusammengestellten Ausgabe mit der Übersetzung von Clara Zetkin neu herausgegeben.

Eine Besprechung des Romans Rückblick aus dem Jahre 2000 ist in Vorbereitung.

Ein Nachwort

Dieser Beitrag ist der Beginn einer Reihe, in der ich mich mit dem Fehlen neuer Utopien befassen und ohne chronologische Rüchsichtnahme auf bisher verfasste Utopien verweisen werde. Manchmal mögen meine Gedanken etwas unbedarft ins Unreine formuliert sein, aber einen wissenschaftlichen Anspruch verfolgen sie ohnehin nie. Vielmehr möchte ich angesichts einer von ökonomischer Kurzfristigkeit geprägten Zeit ohne humanistische, soziale Ideale zu utopischem Denken anregen. Denn ohne Ziel bereitet der Weg nur begrenzten Spaß.

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Soll eine Sondersteuer fast alle Autofahrer schröpfen?

von Dirk Jürgensen ...

Ein bayrischer Geheimplan?

– Wer will behaupten, Politiker und deren Beratungsstäbe seien erst seit der Wiedervereinigung Deutschlands und der Schaffung des Euro-Stabilitätspakts ständig unterwegs, um neue Geldquellen zu erschließen? Früher, behaupten die Älteren gerne, war alles besser. Früher, beim dicken Wirtschaftsminister

Ludwig Wilhelm Erhard (* 4. Februar 1897 in Fürth; † 5. Mai 1977 in Bonn) war ein deutscher Politiker (CDU), von 1949 bis 1963 Bundesminister für Wirtschaft und von 1963 bis 1966 zweiter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Mehr auf Wikipedia
mit seiner Zigarre, da gab es noch Gerechtigkeit und ein Wirtschaftswunder. Ein richtiges, das mit unserem nicht zu spürenden Aufschwung aufgrund der tollen Krisenbewältigung nicht zu vergleichen war. Da sprudelte das Geld kräftig in die noch jugendlichen öffentlichen Kassen.

Quick - Eine neue Sondersteuer

Titel der Illustrieten Quick vom 22.11.1958

Denkste. Zum Beispiel im Jahre 1958. Deutschland wurde bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Schweden von Brasilien als Weltmeister abgelöst, obwohl man in der Vorrunde Argentinien klar mit 3:1 besiegte – kurz: Deutschland wurde so langsam wieder wer. Aus den nach und nach überbauten Ruinen wuchs die Wirtschaft zur Blüte. Trotzdem wuchsen wohl die Staatseinnahmen nicht wie erhofft oder erwartet mit und man begab sich auf die Suche nach neuen Einnahmequellen.

Torsten Albig (* 25. Mai 1963 in Bremen) ist ein SPD-Politiker. Von 2009 bis 2012 war er Oberbürgermeister der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel. Seit 12. Juni 2012 ist er Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein.
sollte erst fünf Jahre später das Licht der norddeutschen Welt erblicken, aber eine besondere Bevölkerungsgruppe um
“Otto Normalverbaucher ist eine fiktive Person mit den durchschnittlichen Bedürfnissen der Gesamtbevölkerung.“ Mehr auf Wikipedia.
herum begann sich dennoch schon damals als „Melkkuh der Nation“ zu fühlen. Wie sich die Zeiten nicht ändern…

Am 22. November 1958 titelte das Magazin

Quick war eine von 1948 bis 1992 wöchentlich erscheinende Illustrierte. Mehr auf Wikipedia
mit einer Schlagzeile, die die jüngst so viel Staub aufwirbelnde Albig-Idee eines „Schlagloch-Solidarbeitrags“ langweilig erscheinen lässt. Kein Wunder, denn die vom Quick aufgedeckte Ärgernis stammt aus Bayern. Dort ist man nicht erst seit
Horst Seehofer (* 4. Juli 1949 in Ingolstadt) ist ein CSU-Politiker. Seehofer war von 1992 bis 1998 Bundesminister für Gesundheit und von 2005 bis 2008 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Seit Oktober 2008 ist er Ministerpräsident des Freistaates Bayern und Vorsitzender der CSU.
immer auf einer anderen Spur unterwegs.

Hilferuf an alle: Eine neue Sondersteuer

Neuer Angriff auf unseren Geldbeutel geplant:

Laternen-Garagen-Steuer
Quick warnt vor einem neuen Steuerplan: Wer keine Garage hat und nachts sein Auto auf der Straße abstellt – der soll dafür zahlen. Vorerst droht diese Sondersteuer nur in Bayern, aber sie würde in anderen Bundesländern schnell Schule machen. […]

Die modernen Wegelagerer
Autofahrer, baut euch Garagen! Es kann teuer werden, den Wagen nachts auf der Straße abzustellen. Findige Beamte in Bayern hatten eine gefährlich-verführerische Idee: die „Laternengaragen-Gebühr“. Mit ihr, so glauben sie, lassen sich die chronisch leeren Steuersäckel der Städte und Gemeinden füllen. […]

Das Fundament
für eine neue Gebühr, die nichts anderes wäre als eine Sondersteuer, bildet der Artikel 14 Absatz 3 des bayerischen Straßen- und Wegegesetzes. (Gemeingebrauch liegt nicht mehr vor, wenn der Gemeingebrauch anderer ausgeschlossen oder mehr als unvermeidbar beschränkt wird. Das gleiche gilt, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu andern Zwecken benützt wird.) Wie der Artikel ausgelegt werden kann, sagt deutlich das „Organ der kommunalen Spitzenverbände in Bayern“. (Wegen der Verkehrsnot in den Städten war es deren besonders Anliegen, das Parken nicht uneingeschränkt zum Gemeingebrauch zu rechnen. Diesem Verlangen hat das BayStrWG in Art. 14 voll entsprochen, indem es bestimmt, daß dann kein Gemeingebrauch besteht, wenn der Gemeingebrauch anderer ausgeschlossen wird.) Ein Zeitungsbericht über eine Bürgermeisterversammlung ergänzt die Drohung an die Autofahrer. (…neue Gesetz und stellte dabei fest, daß die darin angeführten sogenannten Sondernutzungen „ausgezeichnete Möglichkeiten bieten, den Gemeindesäckel zu füllen“. Beispielsweise sei das Dauerparken unter öffentlichen Laternen mit dem Begriff „Gemeingebrauch“ nicht zu vereinbaren; die Gemeinden hätten also das Recht, für diese „Laternengaragen“ eine Gebühr zu erheben.)

Wer sich durch das mühselige Amtsdeutsch gearbeitet hat, wir nun vielleicht aufschreien und sagen: „Was soll denn diese Aufregung? Ich bezahle doch schon seit Jahren Geld an meine Stadt für diesen elenden Anwohner-Parkausweis.“ Stimmt genau! Nur bezahlt der Anwohnerparker, der übrigens heute korrekt ausgedrückt Bewohnerparker ist, weil das Bundesverwaltungsgericht 1998 das bisherige Verfahren des Anwohnerparkens für rechtswidrig gehalten hat, allein für sein Privileg dort zu parken, wo es andere nicht dürfen. So weit war man 1958 noch nicht. So einfach stellte man es sich nicht vor. Damals durfte man sich noch Gedanken darüber machen, wie unmöglich und mit welchem Aufwand verbunden das Eintreiben einer solchen Sondersteuer wäre. Einerseits wird die gewollte Ironie des Beitrages mit heutiger Erfahrung kaum noch spürbar, dafür gewinnt er eine neue, unfreiwillige:

Am Anfang ist das Amt
In diesem Fall das Laternen-Garagen-Aufsichts-Amt (LGAA). Ein Amt erfaßt. In diesem Fall die garagenlosen Autofahrer. Keine Statistik berichtet, wieviel Autofahrer es gibt, die keine Garage finden oder die einfach die Garagenkosten sparen wollen. Wie werden sie erfaßt? Entweder: Jeder Autofahrer muß sich melden und eine Garage nachweisen – oder keine. Oder: Viele Aufsichtsbeamte lauern Nacht für Nacht an den Rinnsteinen. Oder: Die neidischen Hausbewohner denunzieren die Autobesitzer. – Wie wird die Steuer kassiert? Entweder gibt das LGAA Laternen-Garagen-Nutzungs-Plaketten aus. Oder es vermietet abgegrenzte Parzellen am Straßenrand (für 20 Mark – heute ungefähr 10 Euro – im Monat beispielsweise). Oder es nagelt Schilde an die Hauswände. Oder es stellt besondere Park-Erlaubnisschilder auf. Oder jeder Ertappte muß an Ort und Stelle bezahlen. […] Rechtsanwalt Dr. Gritschneider sagt: „Der Steuerplan ist praktisch nicht durchführbar. Angenommen, alle ‚Garagenlosen’ werden erfaßt. Das allein kostet mehr, als die Steuer einbringen kann. […]

am Ende ein Auto-Krieg
Angenommen, es werden Plaketten für die Windschutzscheibe ausgegeben. Dann müssen sich die Gebühren für die Plaketten unterscheiden in: Gebühr für eine Laternen-Garage unter einem Laubbaum (Regenschutz im Sommer), unter einem Nadelbaum (Regenschutz im Sommer und im Winter), ohne Baum, Garagen unter Laternen, die bis morgens brennen, und Garagen unter Laternen, die früher ausgeschaltet werden. Angenommen, es werden Parzellen vermietet. Dann muß die Gebühr außerdem gestaffelt werden nach Breite und Länge des Wagens. Dann muß verhindert werden, daß geschäftstüchtige Leute ganze Straßen pachten und weitervermieten. Dann müssen die parkenden Fahrzeuge ständig kontrolliert werden. Das neue Amt würde zu einem Wasserkopf mit folgenden Abteilungen: Verwaltung, Erfassung, Plaketten-Ausgabe (bzw. Parzellen-Anmaler- bzw. Schildanbringungsrefarat), Kontrolle, Beschwerde, Fahndung, Revision. Ein solches Amt würde den wildesten Autokrieg auslösen. Es gibt nur ein Mittel, diesen juristischen Drahtverhau zu verhindern: Die steuerschwachen Gemeinden verzichten darauf, Hunderttausende Autofahrer auszunehmen…

Ach wie kompliziert! Dabei ist Einiges trotz der Befürchtungen und „provokanten“ Anmerkungen längst Wirklichkeit geworden, denn unsere Gegenwart macht es viel einfacher. Es könnte einem in den Sinn kommen, dass jetzt in Zeiten grenzenlos vernetzter Computer, GPS und satellitengestützter Mautstationen sogar noch viel mehr mit weniger Verwaltungsaufwand möglich wäre, als man es 1958 erahnen konnte.

Doch denken wir lieber nicht zu laut an Innovation! Die nächsten Legislaturperioden werden garantiert auch ohne unser Zutun vor Ideenreichtum glänzen. Und wenn gerade in kein Gammelfleischskandal, keine WM oder ein anderer Skandal in diesem unseren Lande die Sinne ablenkt, bekommen die Bürger es vielleicht sogar mit, bevor die Auswirkungen zu spüren sind. Herr Albig hatte wohl das Pech, dass NSA und Ukraine trotz immenser Medienpräsenz weit entfernt scheinen.




Europa wählen!

von Dirk Jürgensen ...

Eine Wahl gegen Ressentiments – und gegen den Lobbyismus

– Lange war ein vereintes und friedliches Europa ein Ziel, das unerreichbar schien. Immer wieder wurde das friedliche Neben- und Beieinander durch nationalistische Interessen durch das Fördern von Ressentiments, von tatsächlicher oder vermeintlicher Ungerechtigkeit verhindert. Inzwischen können wir unsere Nachbarn in Europa Freunde nennen, haben sogar eine gemeinsame Währung, können ohne Formalitäten quer durch unseren Teilkontinent bis nach Portugal reisen und sogar bleiben, wo es uns gefällt. Bei aller begründeter Kritik ist Europa ein Gut, das wir gegen alle nationalstaatlichen Rückwärtsbewegungen verteidigen müssen!

Am 25. Mai 2014 wählen wir ein neues Europa-Parlament.

Wir wählen ein Parlament, dessen Abgeordnete lernen müssen, wer die von uns so geschätzte Demokratie ausmacht, wer über die Politik zu bestimmen hat. Das Parlament wird nicht von global tätigen Konzernen, von Aktionären nach dem Gewicht ihrer Anteile und nicht von wirtschaftlichen Interessenverbänden gewählt, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Gangsterbank - Graffito in Düsseldorf - Foto ©Dirk Jürgensen

Graffito in Düsseldorf – Foto ©Dirk Jürgensen

Als „Das vergoldete Zeitalter“ 1876 in deutscher Sprache erschien, kannte hier noch niemand den „Lobbyisten“. Daher wurde dieser damals in den USA bereits gängige Begriff mit „Intriganten des Foyers“ übersetzt. Wir sollten diese Übersetzung wieder häufiger einsetzen, denn die bloße Übernahme aus dem Englischen kommt recht weichgespült daher, wenn man an die täglich zu beobachtenden Folgen des Lobbyismus betrachtet.

Ich denke, mehr noch als die ausufernde und fraglos einzudämmende Bürokratie sind es diese „Intriganten“, die uns den Spaß am vereinten Europa verderben, die unsere Parlamentarier dazu bringen, Lobbyinteressen vor Bürgerinteressen setzen und so europafeindliche Tendenzen schüren. Daher möchte ich auf eine E-Mail hinweisen, die ich eben von der Organisation LobbyControl erhielt, die mit einer neuen Kampagne Kandidaten der Europawahl an eine ihrer wesentlichsten Aufgaben erinnern und Einfluss auf sie nehmen will. Bitte machen Sie bei dieser Aktion mit, helfen Sie beim Erhalt der großen Idee Europa mit – und ganz wichtig.

Wählen gehen!

„Brüssel ist die Hauptstadt des Lobbyismus in Europa. Täglich nehmen dort schätzungsweise 15.000-25.000 Lobbyisten Einfluss auf die EU-Politik. Dabei dominieren Unternehmenslobbyisten und deren Interessen. Die Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern hingegen fallen oft unter den Tisch.
Damit sich daran etwas ändert, brauchen wir wachsame Europaabgeordnete, die sich für mehr Transparenz und gegen Lobbyismus der Banken und Konzerne in der EU einsetzen. Am 25. Mai wird das Europaparlament neu gewählt. Und hier können Sie einen Unterschied machen.
Fordern Sie jetzt, zu Beginn des Wahlkampfes, die Kandidaten auf, sich in den kommenden fünf Jahren für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen und Europa vor dem Einfluss der Unternehmenslobbyisten zu retten:

https://politicsforpeople.eu/germany/

Mit der Kampagne „Politics for People“ setzt sich LobbyControl in einem europaweiten Bündnis für striktere Regeln für Lobbyisten und mehr Transparenz ein. Die Kampagne ist ein gemeinsames Projekt unserer Allianz für Lobby-Transparenz und Ethische Regeln (ALTER-EU) und weiterer Partner. Wir hoffen, dass viele Menschen aus ganz Europa die kommenden Europaabgeordneten auffordern, sich gegen einseitigen Lobbyismus zu engagieren.
Denn viele Gesetze nehmen ihren Ausgang in Europa. Deshalb brauchen wir mehr Transparenz und Schranken für den Lobbyismus auf europäischer Ebene. Setzen Sie ein Zeichen und fordern Sie die Kandidaten auf, sich gegen den Lobbyismus von Konzernen und Banken einzusetzen:

https://politicsforpeople.eu/germany/

Vielen Dank für Ihre Unterstützung
Max Bank
EU-Referent“




Ostern – Die FDP geht voran!

von Dirk Jürgensen ...

Recycling, Sinnbild des Neubeginns

– Die Osterfeiertage eignen sich wunderbar, um sich von Dingen zu befreien, die einem lästig geworden sind und für deren Erledigung der Sommer viel zu schade und zu kurz ist. So schob ich am heutigen Ostermontag endlich die Steuerunterlagen in den Briefkasten des örtlichen Finanzamts. In Gedanken versunken, sinnierend, welche Wohltaten der Staat mit meinen Steuern schaffen könne, fiel mir auf, dass in Düsseldorf trotz der nahenden Kommunal- und Europawahl so gut wie keine Plakate der Parteien auf ihre Kandidatinnen und Kandidaten hinweisen. Vielleicht lohnt es sich aufgrund der ohnehin kaum nennenswerten Wahlbeteiligung nicht mehr? Vielleicht sind die Parteien auf der Suche nach anderen Wegen, die Wählerschaft zu überzeugen? Dabei, so kam es mir in den Sinn, benutzen die Parteien inzwischen auf Wellplastik gedruckte Bilder und Sprüche, die man im Gegensatz zu den herkömmlichen Papierplakaten wunderbar wiederverwenden kann. Wer darauf abgebildet ist, welches Argument uns überzeugen soll und die Frage, ob das Abgebildete überhaupt zur aktuellen Wahl passt, kann vernachlässigt werden. Wer betrachtet die Bilder, wer liest all die Versprechungen noch? Die CDU zeigt ohnehin meist die Kanzlerin, vollkommen egal, ob sie von der Kommune, in der gerade gewählt werden soll, überhaupt jemals etwas gehört hat, oder nicht. Sie gilt ohnehin inzwischen als Ikone gelebter demokratischer Resignation. Zwar wünscht man sich Veränderung und wählt sie unabhängig vom Kreis, den unser Kreuzchen markiert, mehrheitlich dennoch wieder.

Oberflächlich geht es um Monster-Trucks

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Einen anderen Weg geht die – die Jüngeren werden sich an diese in der Vergangenheit aus unerfindlichen Gründen fast immer mitregierende Kleinpartei erinnern – FDP. Diese Partei lässt sich nach all den schlechten Erfahrungen, die sie mit den jüngsten Wahlen machen musste, in ihrem ureigenen Geiste des liberalen Marktes im Kreislauf der Wirtschaft wiederverwerten. Politik ist gestrig und Recycling zukunftsweisend.

Besonders Dirk Niebel, jener legendäre Entwicklungshilfeminister, der dieses Ministerium einst vor seinem Amtsantritt abschaffen wollte, dieses aber in einer anderen Art des personellen Recyclings nach Amtsübernahme kräftig ausbaute, zeigt einmal mehr seine Innovative Kraft. Er ist sich nicht zu schade, einem mittelständigen Unternehmen der Monster-Truck-Branche den Rücken zu stärken. „Dirk Niebel wählen“, „Dirk Niebel kann es besser“ und „Leistung wählen“ sind abgedroschene Aussagen einer längst abgeschlossenen Vergangenheit. Was zählt, ist allein der „Jump“, die aktive Veränderung!

Hinten ist es die FDP – Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Die FDP beweist mit dieser hintergründigen Plakataktion, dass sie auch jenseits des politischen Tagesgeschehens und des Streits um Meinungen und Überzeugungen einen einen sinnvollen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft finden konnte. Sie hat bewiesen, dass eine demokratisch legitime Abwahl durchaus positive Folgen haben kann, denn Recycling schont die Ressourcen Aller.

So wurde mir ausgerechnet auf dem Weg zum Finanzamt klargemacht: Ostern ist ein Fest des Neubeginns. Die FDP geht voran.

Dirk Niebel kann es besser – Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf




Raps, die neue Osterglocke?

von Dirk Jürgensen ...

Rapsblüte - Foto: ©Dirk Jürgensen - Düsseldorf

Rapsblüte – Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Es  ist Ostern und beinahe alle Narzissen sind im Rheinland längst verblüht. Stattdessen steht der Raps in voller Blüte und verbreitet Ostseestimmung im Umland von Düsseldorf. Dieses Bild entstand gestern neben der Galopprennbahn von Grafenberg.

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf




Fehlende Nestwärme

 von Dirk Jürgensen ...

Keine NestwärmeEin Notfall, eine Frühgeburt? Auf den ersten Blick hat das Entenpaar vor dem Düsseldorfer Ständehaus  am Kaiserteich mit seiner Kunstsammlung des 21. Jahrhunderts – K21 einen prominenten Platz zur Eiablage gefunden. Wie jedoch dieses Bilddokument belegt, fehlt es in allzu nobler Umgebung bisweilen an Nestwärme – und es droht ständig der jähe Absturz.




Vergoldete Zeitalter und massives Gold

von Dirk Jürgensen ...

Vom Roman zum Magazin

Das vergoldete Zeitalter - Neuauflage

Das vergoldete Zeitalter – Die Neuauflage.

Dasvergoldetezeitalter.de ist entstanden, um auf die Neuerscheinung des gleichnamigen Romans von

Mark Twain, eigentlich Samuel Langhorne Clemens (*30.11.1835 in Florida, Missouri; †21.4.1910 in Redding, Connecticut), war ein US-amerikanischer Schriftsteller
und
Charles Dudley Warner (*12.9.1829 in Plainfield, Massachusetts; † 20.10.1900 in Hartford, Connecticut) war ein US-amerikanischer Jurist, Journalist und Schriftsteller.
hinzuweisen. Inzwischen besitzt dieser Internetauftritt ein Eigenleben und hat sich zu einem Magazin entwickelt, das beinahe wöchentlich um neue und alte Texte von Marie van Bilk (Maria Jürgensen) und mir, Dirk Jürgensen, erweitert wird. Wie weit sich die einzelnen Beiträge vom ursprünglichen Thema des Internetauftritts entfernen oder doch annähern, darf von Fall zu Fall entschieden werden. Unsere Fotos, Geschichten und Kommentare kratzen am Blattgold unserer Zeit. Oft kommt dabei bloß Talmi und manchmal, wenn die Oberfläche gar nicht golden schimmert, kommt massives Gold zutage.

Vorher war das Buch von Mark Twain und Charles Dudley Warner

Im Jahr 1873 erschien

Das vergoldete Zeitalter – The Gilded Age: A Tale of Today – Das Buch ist lt. Wikipedia aus zwei Gründen bemerkenswert: Es ist die einzige Geschichte, die Twain in Zusammenarbeit mit einem anderen Autor schrieb und eine, deren Titel sehr schnell ein Synonym für Bestechung, Materialismus und Korruption im öffentlichen Leben wurde.
von Mark Twain und Charles Dudley Warner in den USA. Es war, obgleich es oft so bezeichnet wird, kein Goldenes Zeitalter, denn es waren Jahre, in denen sich der aufstrebende Kapitalismus eine seiner wiederkehrenden Krisen nahm, um hinterher in einer goldenen Ära des
Wikipedia: Der Ausdruck Gilded Age („Vergoldetes Zeitalter“, also nicht etwa Goldenes Zeitalter) wurde von Mark Twain eingeführt und bezieht sich darauf, dass diese Zeit zwar nach außen hin eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs und technologischen Fortschritts war, aber zugleich auch mit großer Armut und Korruption, vor allem in den Städten, verbunden war.
zu glänzen, die uns grenzenloses Wachsen vorgaukelt. Finanzblasen platzten, Spekulanten verarmten oder profitierten, je nach Glück oder krimineller Energie. Einige Reiche wurden noch viel reicher und die Armen wurden immer ärmer. Das sollte uns bekannt vorkommen und zur Frage animieren, warum das im Westen und nun auch im ehemaligen Kommunismus des Ostens regierende System so unbelehrbar ist, warum wir es aus falsch verstandenem Freiheitsdrang immer wieder von der Leine lassen. Die Globalisierung ist nicht umkehrbar, nicht alles an ihr ist schlecht, aber muss ein Markt wirklich freier als der Mensch sein? Der Erfolg einer Wirtschaftsordnung sollte an der möglichst geringen Zahl ihrer Verlierer gemessen werden. Das Bilanzergebnis ist mies.

Als sich vor einigen Jahren die amerikanische Immobilienkrise zur weltweiten Bankenkrise ausweitete, wurde »Das vergoldete Zeitalter« wiederholt in verschiedenen Medien erwähnt. Dadurch neugierig gemacht hat es mich gewundert, dass es in Deutschland nur im englischsprachigen Original verfügbar war. Dabei war bereits 1876 in der Reihe »Amerikanische Humoristen« bei Fr. Wilh. Grunow in Leipzig eine von Moritz Busch übersetzte deutschsprachige Ausgabe von »The Gilded Age – A Tale of Today« erschienen. Kein Verlag kümmerte sich seither um eine Neuauflage. Also opferte ich für ein Dreivierteljahr einen großen Teil meiner Freizeit und setzte ich mich daran, diese Fassung sanft zu modernisieren, die Übersetzung an erforderlichen Stellen zu korrigieren und unter Umgehung der Verlage wieder in deutscher Sprache verfügbar zu machen. Mit der Vorgabe, dass ich mit der Veröffentlichung auf »Ozeane und Ozeane von Geld« spekulierte, zitiere ich gerne einen Helden des Romans – Colonel Sellers. Dass meine Füße auf absehbarer Zeit trocken bleiben, ist gewiss und keine Niederlage. Ihn hingegen würde es zur nächsten Spekulation treiben.

Wenn es ihn noch gibt, unterstützen Sie bitte den örtlichen Buchhandel und fragen dort nach der ISBN 978-3-83918-446-2. Trotz aller berechtigter Kritik ist das Werk natürlich auch bei Amazon zu bestellen.

Weitere Informationen zum Buch

Eine aktuelle Anmerkung:

Die zweite und verbesserte Auflage ist in Arbeit

Ziel ist es, sie dem Handel pünktlich zum Weihnachtsgeschäft zur Verfügung zu stellen.




Wolken für Düsseldorf

von Dirk Jürgensen ...

©Dirk Jürgensen - Düsseldorf

©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Die Wolkenfabriken

Da gibt es Menschen, die behaupten, die Braunkohlekraftwerke der RWE in Grevenbroich (das ist, wie man hier sieht, nicht weit von Düsseldorf entfernt ist) würden das Wetter im Umkreis nicht beeinflussen.

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Irgendwo ist der Rhein

©Dirk Jürgensen – Düsseldorf




Medaillenspiegelei – Wie Deutschland wieder gut dasteht

von Dirk Jürgensen ...

Vom Nutzwert eines Medaillenspiegels

Dass derzeit die Paralympics in Sotschi ohne nennenswerte politische Meinungsäußerung der Athletinnen und Athleten stattfinden, ist ein nicht zu vernachlässigendes Thema. Der Hunger nach Bestätigung der eigenen Leistung macht aus Sportlern Egoisten. Dass zudem die deutschen Massenmedien immer dann ihre Kritik zurückfahren, wenn Medaillenerfolge „unserer“ Olympiamannschaft zu vermelden sind, verstärkt mein Unwohlsein und gibt mir Hinweise darauf, dass ein propagandistischer Erfolg der Spiele nicht von der Hand zu weisen ist. Bei vorliegendem Erfolg mag man nicht mehr die Umstände anprangern und bei einer Enttäuschung will man von ihnen auch nichts mehr wissen.

Die Olympiaflagge. Eigentlich zählt doch nur der eigene Erfolg.

Die Olympiaflagge. Eigentlich zählt doch nur der eigene Erfolg.

Totalitäre Regime und Demokratien nutzen den Medaillenspiegel gleichermaßen als Reklame für sich und ihre positive Ausstrahlung auf die Welt und noch mehr auf die eigene Bevölkerung. Wenn die Leistung im Sport stimmt, dann kann es mit dem Leid politischer Gefangener, der Unterdrückung von Minderheiten, der Einschränkung der Meinungsfreiheit und der rücksichtslosen Verhängung der Todesstrafe nicht so schlimm sein.

Wie gehen wir mit den uns vorgelegten Medaillenspiegeln um? Was sind sie uns wert und wie gehen wir mit der Ablenkung um, für die sie verwendet werden? Am Ende der Olympiade in Athen 2004 war das Wehklagen beispielsweise groß. Dort, so meldeten die Gazetten damals, hätten die deutschen Olympioniken jämmerlich versagt. Sie jammerten in einer Zeit, da sie uns gleichzeitig immer wieder in Bereichen der Politik und der Wirtschaft ein typisch deutsches Jammer vorwarfen, das uns am Aufschwung hindern sollte.
Ich konnte damals nur mit meiner Provokation unter dem Titel „Medaillenspiegelei – Wie Deutschland wieder gut dasteht“ reagieren und fühle mich heute aufgrund ihrer weiterhin bestehenden Aktualität bestätigt. Obwohl. Werden Medaillenspiegel überhaupt noch wahrgenommen? Weiterlesen




Abriss am Rosenmontag – Düsseldorf duldet keine Pause

von Dirk Jürgensen ...

Abriss von Auto Becker

Während der Rosenmontagszug noch farbenfroh durch Düsseldorf zieht, arbeiten auf dem ehemaligen Auto-Becker-Gelände die Abrissbagger und sichern den Ruf der Stadt, die Baustellenhauptstadt des Landes Nordrhein-Westfalen zu sein. Der Karneval und besonders der Rosenmontag als wohl höchster Feiertag des Landes, scheint selbst in einer Karnevalshochburg nichts mehr wert zu sein, wenn es um einen Abriss geht. Eine Pause wird nicht geduldet. Glücklicherweise kommen die Arbeiter aus karnevalsfernen Gegenden, aber hätte man sie nicht einfach mal einladen können? (In den Schaufenstern des noch stehenden Gebäudes spiegeln sich die gegenüberliegenden Häuser.) – Foto: © Dirk Jürgensen – Düsseldorf




Vor einem Jahr nahm Düsseldorf Abschied vom Tausendfüßler

Tausendfüßler

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

von Dirk Jürgensen ...

Februar 2014. Vor ziemlich genau einem Jahr nahmen wir Düsseldorfer in schlimmstem Schmuddelwetter Abschied von unserem Tausendfüßler, den Ahnungslose einfach nur als Hochstraße bezeichnet hätten, wenn sie ihn nie erleben durfen. Er war Teil des stets so empfundenen Ensembles mit dem Schauspielhaus und dem Dreischeibenhochhaus, einem Sinnbild der modernen, aufstrebenden, hellen Stadt Düsseldorf.

Tausendfüßler

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Einige Jahre hatte es gedauert, bis die Oberen der Stadt einem Teil der Bürger glaubhaft machen konnten, dass es sich bei diesem Baudenkmal um einen Schandfleck handeln sollte. Immer wieder wurde behauptet, die vergleichslos grazile Hochstraße sei ein Hindernis für den freien Blick, dabei sah man aus zahlreichen Perspektiven kaum. Eine dieser vorgeblichen Sichtbehinderungen betraf auch das Schauspielhaus. Dabei plante man gleichzeitig, natürlich von der Mehrzahl der Bürger unbemerkt, ein paar Gebäude, vor diesen – ähnlich, wie es der Tausendfüßler war – geschwungenen Baukunstwerk. Eine „notwendige Umfassung des Gründgensplatzes“ nannte man das und drohte dabei ungesagt das Schauspielhaus in einem öden Hinterhof verschwinden zu lassen. Was kümmern Sichtachsen, wenn man als Immobilienmakler wieder ein paar umbaute Kubikmeter zum Vermitteln erhält?

Elbers

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Ein Jahr ist es her und Düsseldorf geht, geleitet vom kurzfristigen Denken des Immobilienmarktes, unvermindert weiter in die Beliebigkeit ach so vieler Städte. Da hilft es auch nicht, dass der Architekt des Luxuskaufhauses am sogenannten Köbogen Daniel Libeskind heißt, jenes Neubaus, der erstaunlicherweise auch den Schwung des einstigen Tausendfüßlers aufzugreifen sucht, jedoch an dieser Stelle nur einen schroffen Klotz vor dem wunderbaren Hofgarten darstellt.

Tausendfüßler

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Die Besucherzahlen am Köbogen mögen meine Kritik als Irrtum darstellen. Doch dort, wo man seinen begeisterten Gästen einst wenige Sekunden erhabenen Gefühls und Übersicht vom Auto aus präsentieren konnte und nun durch verschiedene Tunnelröhren geschickt wird, dort, wo man zu Fuß oder mit dem Rad bequem an einem Saxophonisten vorbei durch die Jägerhofpassage von einem Teil des Hofgartens in den anderen gelangte, wird man demnächst Straßenbahnschienen überqueren müssen. Dabei behauptete man die Hofgartenteile zusammenführen und einen Angstraum beseitigen zu wollen, den allein als Scheinargument existierte.

Tausendfüßler

Foto: ©Dirk Jürgensen – Düsseldorf

Für die von mir so ungeliebte Entwicklung der Stadt Düsseldorf sind die beiden Oberbürgermeister Erwin und dessen Nachfolger Elbers verantwortlich. Beide OB konnten und können nicht anders, denn beide hatten und haben keinen Sinn für das, was urbanes Lebensgefühl, was Stadtteilkultur, was Lebensqualität jenseits der Luxushotels und Glasfassaden und Kultur jenseits der Massenevents bedeutet. Sie bedienten und bedienen die Reichen und Schönen, die nach der Vergoldung ihres Zeitalters lechzen und den bloßen Schein für ein erstrebenswertes Sein halten. Wird ihnen Düsseldorf einmal langweilig, findet man sie schnell woanders. Wurzeln sind ihnen zu schmutzig.

Bei der Kommunalwahl am 25.05.2014 werden wir in Düsseldorf zwar nicht mehr die Chance zur Rettung aller Kinder haben, die in den tiefen städtischen Brunnen gefallen sind, aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass „meine“ Stadt am Rhein sich wieder ein bisschen mehr nach mir und meinen Vorstellung einer lebens- und liebenswerten Stadt richtet. Ist das zu egoistisch gedacht?




Düsseldorf, reiche Stadt

von Dirk Jürgensen ...

Düsseldorf, reiche Stadt  - Foto: © Dirk JürgensenDüsseldorf. Reich und schön.

Die Stadt der Reichen und der Schönen, kulturell etwas behäbig, wenig mutig, oft spießig, erkennt nur Teures als gut, dafür ein beliebtes Shoppingrevier. Düsseldorf ist schuldenfrei, behaupten die, die sich damit rühmen wollen, weil sie die Stadt verwalten. Dabei kennen diese Verwalter „ihre“ Stadt gar nicht, leben in und vielleicht auch von den Klischees, die man sich über sie erzählt. Sie glauben metropolenhaft zu stolzieren und stolpern ungeschickt provinziell. Von der kleinen, weichen Anforderung, ihre Stadt zu lieben, ist in allem nichts zu hören, zu sehen, zu spüren, wenn man sie liebt, die Stadt. Glasfassaden, Autotunnel, Luxushotels und edle Wohnquartiere taugen nicht für einen Liebesbeweis. Die Chance wird stets aus Mangel an Phantasie vertan. Den Reichen und den Schönen ist es egal. Wird es zu langweilig, wandert der Hype weiter, sind auch sie ganz schnell woanders. Düsseldorf? Ach ja, meine Düsseldorfer Zeit. Vergessen.

Die Sonne scheint auch in Düsseldorf und dieser Winter ist nicht besonders kalt. In Düsseldorf. Zum Glück.




Wen interessiert die Olympiade in Sotschi?

von Dirk Jürgensen ...

Eishockey

„Höchstens Eishockey gucke ich mir an. Aber sind die Deutschen überhaupt dabei?“
Foto: ©Dirk Jürgensen

Der mediale Hype um eine Olympiade voller Nischensportarten läuft heiß. Satte 740 Stunden wollen ARD und ZDF live aus dem subtropischen Sotschi und den etwas kühleren Bergen der weiteren Umgebung berichten. Mehr als je zuvor anlässlich von Winterspielen. Dabei werde ich das Gefühl nicht los, dass es sich um vergebene Liebesmüh, um rücksichtslose Verschwendung von Werbegeldern und Rundfunkgebühren handelt. Ich vermute auch, dass es eine verschwindend kleine Minderheit sein wird, die nur einen Bruchteil dieses Sendemarathons hinter sich bringen mag. Stehe ich mit meiner Ansicht allein im ewigen Herbst des Winters 2013/2014? Um zu prüfen, ob die „Putiniade“ wirklich ein mediales Desaster werden könnte oder ob der Brutalkapitalismus Russlands sein hübsches Gesicht zu zeigen imstande ist, habe ich eine kleine und daher nicht repräsentative Umfrage gestartet und dabei solche Antworten geerntet:„Nö, Sommerolympiade geht noch, aber die im Winter interessiert mich nicht.“

„Meine Frau will immer Eiskunstlaufen angucken, weil man sich so herrlich über die Schiebung bei der Punktevergabe aufregen kann. Ich habe im Keller einen Zweitfernseher.“

„Vielleicht Eisstockschießen oder Curling, wie das jetzt heißt. Das ist so komisch, wenn die mit den Besen das Eis fegen und irgendwie diesen Quatsch so wichtig nehmen.“

„Ohne Fußball ist Sport öde. Bundesliga und Zweite Liga sind wichtiger. Läuft ja zum Glück weiter.“

„Ich hoffe ja noch immer darauf, dass sich ein paar Sportlerinnen und Sportler bei der Siegerehrung die Regenbogenfahne ans Trikot heften. Aber vermutlich sind alle zu feige“

„Das sind alles Sportarten, die sonst auch kaum jemanden interessieren. Warum sollte das ausgerechnet zur Olympiade anders sein?“

„Nein, die Zeiten von ‚Wo ist Behle‘ und ‚Sie standen an den Hängen und Pisten/pissten‘ sind längst passé.“

„Höchstens Eishockey gucke ich mir an. Aber sind die Deutschen überhaupt dabei?“

Das klingt recht eindeutig. Auch ich würde mich freuen, wenn „unsere“ Athletinnen und Sportler ihre Solidarität mit ihren schwulen und lesbischen Kolleginnen und Kollegen bekundeten. Es wäre kaum vorstellbar, dass Putin sie nach dem Wettkampf verhaften ließe. Andere haben nicht diese Möglichkeiten der gefahrlosen Meinungsäußerung. Der folgende Ärger mit dem eigenen Verband dürfte zu ertragen sein.

Die Diskussion sollte nun eröffnet sein.




Wuschsch und Klönggg sind keine Kunstgriffe!

von Dirk Jürgensen ...

Eine offene Schelte an CSI und CIS

Liebe Produzenten von Krimiserien, liebe Kriminal-Redakteure der Fernsehsender,

Wuschsch und Klönggg

Ich bin, sollte das Drehbuch tatsächlich einer einigermaßen sinnvoll konstruierten Geschichte folgen, nicht zu blöd, einen Szenenwechsel als solchen mitzubekommen. Dieser muss nicht durch ein den Schnitt begleitendes Geräusch erklärt werden. – Text und Foto: © Dirk Jürgensen

mir gehen all Eure CSI/CIS-Originale und -Derivate gehörig auf die Nerven. Länger als nur wenige Minuten kann ich ihnen nicht beiwohnen. Diese ach so modernen amerikanischen Filme erzeugen genervte Langeweile. Doch ihre Machart sowie die unweigerliche Werbeunterbrechung, die der Erholung dienen soll, nein, der Bestätigung, dass ein Um- oder Ausschalten die beste Wahl ist, sollte eingehend betrachtet werden.

Sollten Ihr mich fragen, warum ich so ungehalten reagiere, liste ich gerne einige meiner Hauptärgernisse auf:

1. Meine in Würde gealterten Augen sind noch immer in der Lage, einen Kameraschwenk als solchen zu registrieren. Dessen akustische Untermalung mit einem „Wuschsch“, so, als würde die Bewegung des Aufnahmegeräts eine extreme Luftverwirbelung mit einem entsprechenden Geräusch erzeugen, ist nicht nur als überflüssig anzusehen, sondern lenkt mich mit der Frage über dessen Ursprung und Sinn vom vorgeführten Kriminalfall ab.

2. bin ich, sollte das Drehbuch tatsächlich einer einigermaßen sinnvoll konstruierten Geschichte folgen, nicht zu blöd, einen Szenenwechsel als solchen mitzubekommen. Dieser muss nicht durch ein den Schnitt begleitendes Geräusch erklärt werden. Ich meine jenes Geräusch, das mir seit einiger Zeit auch aus der Autowerbung (Audi oder BMW, Vorsprung durch Technik bei Freude am Fahren – ich weiß es nicht mehr und es ist mir egal) bekannt ist. Wem ist es nicht bekannt? Es klingt, als würde der Heizungsmonteur im Keller gegen die Rohre schlagen, um dem Hausmeister auf der Etage das Ende seiner Frühstückspause zu dokumentieren. Ein nachhallendes „Klönggg“ – schon wechselt der Blick vom Präsidium zum Tatort, oder es wird ein neues Datum eingeblendet. Geht das nicht auch ohne, oder will man die längst eingeschlafenen Zuschauer pünktlich vor der nächsten Werbung geweckt wissen?

3. verstehe ich überhaupt nicht, warum und auch wann die Serienkommissariate trotz international verbreiteter Haushaltsschwäche der Kommunen mit transparenten Flipcharts ausgerüstet wurden. Ich akzeptiere den eventuellen Einwand der Filmemacher, die Realität sei viel zu langweilig und trist und müsse aufgepeppt werden, doch es geht sicher mit etwas mehr Glaubwürdigkeit. Zugegeben, einen Vorteil haben die Dinger: Die Kamera kann von der Rückseite hindurchschauen und somit ungemein spannende Blickwinkel auf die attraktive, möglichst aus allen ethnologischen Gruppierungen des Handlungslandes bestehende Polizistencrew bieten. Einen anderen, der Arbeit dieser Ermittler dienenden und daher sinnvollen Grund, können Anschaffungen solcher sicher nicht billigen Tafeln nicht haben.

4. Ebenso halte ich es, da die hier kritisierten Sendungen nicht der Science Fiction zugeordnet werden können, für einen übertriebenen Modernismus und aufgrund ihrer fehlenden ergonomischen Vorzüge für bloße Effekthascherei, wenn die eben erwähnten gläsernen Flipcharts auch noch mit transparenten Touch-Screens ausgestattet werden, auf denen Fotos von Verdächtigen, Opfern und sonstigen Fundstücken unter fadenscheinigen Begründungen in Beziehung gesetzt und entsprechend verschoben werden.

5. nerven mich ständige Rückblenden und Erinnerungsfetzen oder schlimmstenfalls gar Visionen der Täter oder Ermittler. Diese werden ebenfalls mit dem unter Punkt 1 angeführten „Wuschsch“ und zusätzlich mit einer veränderten Bildauflösung oder Farbpalette dokumentiert. Was vielleicht in den Anfangsjahren des elektronischen Effekts noch als Kunstgriff galt, ist heute nur noch eine Notlösung und ein Beweis von Phantasielosigkeit. Ist der Regisseur also ratlos und weiß nicht, wie man eine Geschichte durch Handlung, durch Agieren der Schauspieler, durch geschickte Dialoge innerhalb einer viel zu kurzen Folge entwickeln, darstellen oder fortführen soll, „Wuschsch“ blendet man ein paar Bildfetzen ein. Ziemlich billig.

6. können Computer in Krimis ganz einfach zu viel. So, wie Fotos beim Heranzoomen immer schärfer und nicht immer verpixelter werden, recherchieren und kombinieren sie selbständig und ohne jede Datenschutzüberprüfung in allen Datenbanken überall, sodass die um sie herum versammelten Cops eigentlich arbeitslos sein müssten. Sicher, schon Sherlock Holmes ließ die Leser seiner Fälle aufgrund vollkommen unerwarteter Kombinationen mitsamt vorher nicht bekannter Einzelheiten über seine Intelligenz staunen, aber muss man das auch noch in einer heutigen Krimiserie dulden?

7. Wie die Computer zu intelligent sind, sind auch die Labore der Gerichtsmediziner viel zu sehr einem Raumschiff des 23. Jahrhunderts zuzuordnen. Wer die Gelegenheit erhält, ein real existierendes Polizeipräsidium oder Universitätsinstitut zu besuchen, kommt völlig entgegengesetzt ins Staunen.

8. sind Pathologen oder gerne auch Coroner stets verschrobene, schrullige Typen. Und wenn nicht, dann müssen sie diesem mühsam aufgebauten Klischee als außerordentlich attraktive Frau oder als Pippi Langstrumpf in Schwarz diametral entgegenstehen. Sie prüfen in höllischer Geschwindigkeit alles und viel mehr als man von ihnen erwarten kann.

9. scheint das Budget für ihre Arbeit grenzenlos und nicht durch die teuren Flipcharts der ermittelnden Kollegen beeinträchtigt.

10. besitzt jede oder jeder Einzelne von ihnen mindestens ausgereifte Kenntnisse in Gentechnik, Chemie, Physik, Statistik und Informatik, weiß alle internationalen Fälle aus der Vergangenheit auswendig, findet immer irgendwelche Nebensächlichkeiten, die niemand bisher untersuchte. Zudem werfen Pathologen eher verschleiernd denn erklärend mit Fachbegriffen um sich, deren Bedeutung ich gerne nachschlagen würde, doch macht das nächste „Wuschsch“ oder „Klönggg“ dem Ansinnen ein Ende und auch den Polizisten fehlt offenbar die Zeit dazu. Vermutlich nicht ohne Grund, denn hier verhalten sich moderne Krimis endlich einmal wie das wahre Leben, in dem manch Fremdwort nur ein flehender Schrei nach etwas Bewunderung ist. Und bewundern sollen wir sie doch, die Protagonisten. Ich gehe im Übrigen davon aus, dass die meisten im Film verwendeten fremdartigen Begriffe einer Überprüfung nicht standhalten könnten. Doch welchen Sinn hätten sie noch außer des Eindruckschindens? Meiner Vermutung nach soll der übertriebene Gebrauch von Fachtermini, vergleichbar mit der sinnfreien Verwendung stereotyper Bild- und Toneffekte, Mängel in der Geschichte ausbügeln. Kein Zuschauer wird nachfragen und wenn Nichterklärtes den nur rudimentär existierenden Handlungsstrang verkürzen hilft, bleibt mehr Zeit für die Werbung. „Wuschsch“ – nein, „Klönggg“.

Es mag sein, liebe Produzenten und TV-Krimi-Redakteure, dass die Mehrheit der Konsumenten meinen Unmut keinesfalls teilt oder gar der Meinung ist, Spannung sei einzig und allein mit Effekten zu erzielen. Sie würden mir mit diesem Argument den Erfolg Ihrer Sendungen erklären, wenn auch nicht rechtfertigen. Hitchcock unterschied einst Surprise (Überraschung – ein unerwartetes Ereignis) vom Suspense (Spannung – die Erwartung eines Ereignisses ohne sein Eintreffen), doch sogar die Wirkung der Überraschung geht im ach so modernen Effektgewitter unter. Dabei, da möge mir Hitchcock verzeihen, wäre selbst eine später nachvollziehbare Überraschung als positive Filmerfahrung zu bezeichnen.

Vielleicht aber schaut und hört einfach niemand mehr hin, vielleicht mag in einer Welt, in der so viel geschieht, niemand mehr mit seinen Gedanken einer Geschichte folgen? Das könnte Ihnen, liebe Verantwortliche, durchaus eine Sinnkrise bescheren, denn wozu machen Sie die Filme dann noch? Zur Unterbrechung der Dauerwerbung? Ich weise in diesem Fall mit klammheimlicher Freude jede Verantwortung von mir und betrachte die Sache als erledigt, … bis mir irgendwann einmal eine vertrauenswürdige Person erzählt, sie habe eine völlig neue Krimiserie origineller Machart entdeckt, die ich mir unbedingt einmal anschauen sollte. Bis dahin könnte das Warten vermutlich spannender als jeder Ihrer Krimis sein.

Am 31.10.2011 auf Einseitig.info fast genau so erschienen und noch immer aktuell.

 




Es gibt ihn noch, den Winter.

von Dirk Jürgensen ...

Winter in Greetsiel

Tatsächlich, es gibt ihn noch, den Winter. Heute haben wir ihn in Ostfriesland gesehen. Und diese uns Rheinländern inzwischen unbekannt gewordene Jahreszeit ist sogar hübsch anzusehen.
Jetzt sind wir wieder zurück im ewigen Herbst. Oder Frühling? 14 Grad Temperaturunterschied zwischen Greetsiel und Düsseldorf sind jedenfalls eine ganze Menge.
Foto: © Dirk Jürgensen




Der ADAC und seine Kernkompetenzen

von Dirk Jürgensen ...

Mein Lieblingsauto ist nicht das gekaufte

Hanomag Komissbrot
Hanomag 2/10 PS „Komissbrot“ – Foto: Ralf Roletschek

Der ADAC sollte als überbewertet gelten, wenn wir die Frage beantworten, warum er so viele Mitglieder hat und warum diese Menschen überhaupt Mitglieder in diesem als Verein getarnten Konzern sind. Sie wollen vom zugegebenermaßen gut organisierten Pannenschutz profitieren und sich ab und an ein paar Rabatte einheimsen. Als Verein im eigentlichen Sinne nimmt doch niemand dieses Unternehmen wahr und will es vielleicht auch gar nicht, wenn die eine Dienstleistung im Fokus steht. Der ADAC könnte also eine Menge Geld seiner Mitglieder sparen und die Beiträge senken, wenn man sich auf die Kernkompetenzen konzentrierte.Ich könnte beispielsweise gut auf die monatlich per Post zugestellte Fachzeitschrift für Treppenaufzüge verzichten. Die Anzahl der in der Motorwelt zu findenden Aufstiegshilfen sagt viel über die von den Anzeigenkunden vermuteten Leserschaft dieser Zeitung: Es sind die alten Mitglieder, die noch brav ihre Beiträge zahlen, aber längst kein Auto mehr fahren und somit keinen Pannenschutz mehr in Anspruch nehmen. Sicher sind auch eine Menge zahlender Witwen ohne Führerschein dabei, die die Abbuchungen von des seligen Opas Konto gar nicht bemerken.

Der ADAC testet Autos und veröffentlicht diese Tests in seiner Mitgliederzeitung. Wenn das absolut unabhängig geschieht, ist das für zukünftige Kaufentscheidungen wichtig und gut – eine Art Stiftung Warentest für Automobile. Doch das funktioniert nur, wenn sich die Autohersteller vor dem nächsten Test fürchten. Ob das so ist, mag ich zumindest bezüglich der deutschen Hersteller bezweifeln.

Der ADAC stellt sich als Interessenvertreter, also als Lobbyverband der Autofahrer dar. Autofahrer sind meist auch Fußgänger und Radfahrer, manchmal auch Rollstuhlfahrer. Die Fixierung auf nur eine Verkehrsteilnehmerschaft ist also zweifelhaft und irgendwie nicht mehr zeitgemäß. Auch aufgrund dieser einseitigen Ausrichtung steht zu befürchten, dass der ADAC in Wirklichkeit ein Lobbyverband der Autoindustrie ist, die mit diesem Verein einen weiteren branchenspezifischen Fuß in die Türen unserer Politiker schiebt. Das wäre eine recht perfide Methode, mit dem Pfund des Vertrauens der Mitglieder der Industrie zu dienen. Etwas plump kommt in diesem Zusammenhang die Verleihung des Gelben Engels zur Persönlichkeit des Jahres daher, bei der in der Regel ausgerechnet Vertreter jener Konzerne ausgezeichnet werden, die die Entwicklung sparsamer Fahrzeugmotoren mit Erfolg immer wieder bremsten.

Ich vermute, der derzeitige Skandal um die Wahl des Lieblingsauto der Deutschen offenbart nur die Spitze eines Eisbergs von Verstrickungen und einem im Grunde wenig mit einem Verein in Verbindung zu bringendem Geschäftssinn. Die Wahl, mit Verlaub, hätte man auch lassen können, wenn man dann doch nur das auf dem Markt erfolgreichste Auto küren wollte. Ein Blick in die jährlichen Zulassungszahlen hätte genügt, um diesen missverstandenen Begriff des Lieblingsautos im Sinne geschickter Vermarktung zu untermauern.

Ein Lieblingsauto, das ist man vielleicht in der Studentenzeit gefahren, hieß R4 oder 2CV oder es ist eines, das man sich niemals im Leben leisten kann. Praktische Erwägungen, die dann mit aller Ernüchterung zum Kauf führen, haben wenig mit einem Lieblingsfahrzeug gemein. Früher, da entstammte mein Lieblingsauto übrigens einem Traumautoquartett. Es war zwischen all den Luxusgefährten schwach motorisiert, im Grunde eher hässlich und konnte höchstens mit seinem Baujahr punkten. Es war ein Hanomag 2/10 PS und hörte auf den Namen „Komissbrot“. Würde man mich heute fragen, wäre ein Landrover Defender mein Favorit. Ein Auto, das noch als solches zu erkennen ist, doch leider demnächst verschwinden wird, weil das Management seines Herstellers Stil nicht mit moderner Motorentechnik kombinieren mag. Ob ich ihn jemals besitzen werde?

Ach, ADAC, kümmere Dich mit Deinen Gelben Engeln darum, dass Deinen Mitgliedern bei einer Panne geholfen wird, verschwende nicht deren Geld bei Autorennen und teste Fahrzeuge ohne Rücksicht auf eventuelle Persönlichkeiten des Jahres. Reisen kann man auch woanders buchen und Preisverleihungen sind auch nur teure Image-Veranstaltungen, die den Mitgliedern nicht dienen. Sei ein gemeinnütziger Verein, überlege, warum man Mitglied geworden ist – oder sei ehrlich und trenne Dich vom Vereinsstatus. Hinterher darfst Du auch Geschäfte machen.