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Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Zwei Bücher über das ungleiche Paar

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Ingeborg Bachmann und Max Frisch lernen sich in Paris kennen. Nachdem Frisch das Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ kennt, schreibt er ihr. Und als Max Frisch in Paris weilt, um der Aufführung seines Stückes „Biedermann und die Brandstifter“ beizuwohnen, trifft man sich. Statt ins Theater zu gehen, verbringen sie die Nacht redend auf einer Parkbank. Bachmann hat gerade den verheirateten Paul Celan verlassen und ist sich gar nicht sicher, was sie von Frisch will. Und auch Frisch ist nicht besonders eindeutig, als er den Kontakt mit Bachmann fortsetzt. Er sei nicht verliebt, schreibt er, aber er liebe sie. Nur wenige Zeit später zieht die Schriftstellerin zu Frisch in die Schweiz. Sie bewohnt eine eigene Wohnung, aus der man sie fast herauswirft, weil man eine „Hure“ nicht zu beherbergen gedenkt. Die Schweiz ist konservativ, engstirnig und Ende der 50er wenig begeistert von Paaren, die unverheiratet eindeutigen Tätigkeiten nachgehen. Schon das Aufhängen der Wäsche im Bademantel wird Bachmann angekreidet.

Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Zwei Bücher über das ungleiche Paar

Bachmann hat zuvor lange Zeit in Rom gelebt, Philosophie, Psychologie, Germanistik und Rechtswissenschaften an den Universitäten Innsbruck, Graz und Wien studiert. Sie ist eine selbstständige und erfolgreiche Lyrikerin, Librettistin, Hörspielautorin, Rednerin, Journalistin und Übersetzerin. Gerade hat sie begonnen, sich eigener Prosa zuzuwenden. Sie raucht wie ein Schlot, trinkt wie ein Maurer und nimmt Tabletten um zu schlafen oder in Schwung zu kommen. Sie ist mit vielen Künstlern, vornehmlich Männern befreundet. Mit dem Komponisten Henze zum Beispiel, für den sie die Texte zu seinen Opern schreibt. Mit Enzensberger, Grass, Walser, ihrem Lektor, Reinhard Baumgard, später Johnson und vor allem nach wie vor mit Paul Celan. Sie reist, ist umtriebig und unbestreitbar begabt und klug.

Bachmann erkämpft sich jedes Wort, schreibt mühsam, hat mit manch einer Blockade zu kämpfen. Ihre Texte sind unverkennbar Bachmann, stark, bildhaft, besonders. Sie lebt für sprachliche Perfektion. Und sie schreibt meist nachts.

Max Frisch hat seinen Durchbruch noch vor sich, erntet bereits Anerkennung für die ersten Werke, schließt sein Architekturbüro und kann bald von der Schriftstellerei leben. Als sein Roman „Stiller“ erscheint, kennt ihn bald die ganze Welt. Er ist frisch geschieden, hat Kinder und lebt nach wie vor in ihrer Nähe. Die Schweiz empfindet er als Heimat, lebt gerne dort, wandert, gilt als bodenständig und verwurzelt. Frisch macht Bachmann einen Heiratsantrag, den sie vehement ablehnt. Als seine Faru bräuchte sie seine Erlaubnis, um zu arbeiten. Sie sei keine selbstständige Frau mehr und würde immer im Verhältnis zu ihm gesehen. Es sei bereits jetzt schwierig, sich als Frau auf einem von Männern dominierten Parkett zu bewegen. Sie gebe das Erreichte nicht auf. Das führt zu einem großen Eklat und Frisch fühlt sich verletzt.

Frisch und die Frauen – ein großes Thema und eines, das seine Unfähigkeit zur Beständigkeit in Liebesdingen zeigt. Er liebt den Anfang und erliegt nur zu oft dem Charme einer Dame, mit der er auch dann, wenn er in einer Beziehung ist, ohne schlechtes Gewissen seine Nächte verbringt. Selbst wenn es eine Vereinbarung mit den ständigen Partnerinnen gibt, so zeigt er sich den ausgesuchten Frauen gegenüber in der Regel wenig empathisch. Gleichzeitig ist er unfassbar eifersüchtig und unterstellt seinen Frauen, insbesondere Bachmann, der viele Männer unverkennbar zugetan sind, nicht treu zu sein. Das hält er schwer aus und macht so manche Szene.

Bachmann und Frisch ziehen zusammen, denn sie können trotzdem nicht voneinander lassen. Das geht nicht lange gut. Man einigt sich schließlich darauf, in Rom einen neuen Lebensmittelpunkt zu etablieren und bewohnt dort zuletzt ein prachtvolles Anwesen, in dem Bachmann so gut wie nie verweilt. Frisch arbeitet in festen Intervallen über Tag und sie kann, obwohl sie ihren eigenen Arbeitsbereich hat, sein Getippe kaum ertragen. Noch schwerer macht es ihr sein Misstrauen. Sie flieht. Zum Einkaufen. Zum Friseur. Auf eine Lesung. Zu Freunden. Ihre Abwesenheit wiederrum nährt Frischs Eifersucht und macht ihn einsam. Zwar hat man sich inzwischen auf eine offene Beziehung geeinigt, die keine Liebe zu anderen zulässt. Doch die Praxis sieht anders aus.

Bachmann beginnt eine Beziehung zu Hans Magnus Enzensberger und Paolo Chiarini. Als schließlich Tankred Dorst seine Freundin Marianne Oellers zu einem Essen bei Frisch und Bachmann mitbringt, umgarnt der Schriftsteller offen die wieder mal sehr viel jüngere Frau. Da ahnt Bachmann noch nicht, dass diese Affäre endgültig das Ende der Beziehung zu Frisch bedeutet. Das Unglück geschieht. Oellers und Frisch werden ein Paar. Max Frisch trennt sich und Ingeborg Bachmann kann es nicht fassen.

Sie muss in die Klinik, wird operiert. Ihre Seele ist beschädigt und sie verwindet die Trennung kaum. Alkohol,-, Zigaretten,- und Tablettenkonsum nehmen zu. Sie schreibt, unter anderem ihren Todesarten-Zyklus, von dem nur „Malina“ vollendet wird. Der letzte Satz lässt sich allzu leicht auf das Verhältnis anwenden. Denn dort steht: „Es war Mord.“ Sie klagt Frisch an, vor allem, nachdem „Mein Name sei Gantenbein“ veröffentlicht wird. Frisch hatte ihn ihr zur Freigabe geschickt. Offenbar hat sie sogar vorab Teile gelesen und sie gutgeheißen. Jetzt glaubt sie sich in der Protagonistin Lila wiederzuerkennen. Möglicherweise ist das ihre Art, das Entsetzen über Frischs neue Beziehung loszuwerden, das Scheiden voneinander zu verwinden.

Am 17. Oktober 1973 stirbt Ingeborg Bachmann an den Folgen eines Brandes und an unerkannten Entzugserscheinungen in Rom. Der Brand wurde durch eine brennende Zigarette ausgelöst. Frisch kann noch Jahrzehnte später schwer über die Beziehung zu Ingeborg Bachmann reden. Man habe es nicht gut gemacht, konstatiert er. Viel von dieser Frau findet Einzug in sein Werk. Doch das tun auch all seine anderen Beziehungen.

Bettina Storks Buch „Poesie der Liebe“ ist ein Roman über diese Liebe, sofern man diese Abhängigkeit voneinander denn so nennen mag. Die Aufmachung des Buches ist nun wirklich nicht meins. Zwar ist „Poesie der Liebe“ ein Zitat von Frisch, jedoch wirkt das Titelbild eher wie das Cover für eine Schmonzette. Das ist schade.

Der Roman ist unterhaltsam und verarbeitet viele Details aus dem Leben der beiden Künstler auf einem Niveau, das ihn für eine breite Leserschicht interessant macht. Zwar wird in Storks Buch die Ambivalenz der Charaktere nicht ganz so deutlich, wie in einer Biographie, aber dafür die Interaktion in der Paarkonstellation deutlich.

In Ingeborg Gleichaufs Buch „Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit“ ist diese Diskrepanz, die in der Beziehung herrscht, sehr viel artikulierter. Sie nähert sich der Gefühlswelt der beiden an und unterlegt deren gemeinsamen Lebensweg mit ihrer Interpretation. Sehr fundiert, sehr fein, hervorragend formuliert.

Für beide Bücher in jedem Fall eine dicke Empfehlung. Macht Lust auf mehr!

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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