Gelbe Karrees auf Bahnsteigen
Beobachtungen eines Nichtrauchers
Ehrlich, ich war nie ein militanter Nichtraucher. Ich habe keine Scheu vor dem Betreten einer verqualmten Kneipe, auch wenn es bedeutet, hinterher die gesamte Kleidung in die Waschmaschine und mich noch vor dem Zubettgehen unbedingt unter die Dusche zu befördern. Ich finde es angenehm, wenn – gesetzlich oder sonstwie geregelt – in Lokalen nicht mehr geraucht wird und werde „Opfer“ des Verbotes, wenn es mein Budget erlaubt, vielleicht sogar etwas häufiger aufsuchen.
Ob aber gerade im Suchen nach rauchender Gesellschaft ein Charme des Morbiden und auch etwas Arroganz des Überlegenen (oder Überlebenden?) liegt? Es könnte sein. Auf jeden Fall aber hatte ich immer die gesellschaftspolitische Überzeugung, daß es der Sicherung meiner erwarteten Rente dient, wenn sich genügend Menschen der Nikotinsucht ergeben und ihre Lungen asphaltieren.
Da ich jedoch zu selten vor einer rauchenden Gesellschaft das Weite gesucht habe, wird das häufige Mitrauchen zwar auch meine Lebenserwartung etwas reduzieren und meinen Lebensgewinn ein Stück schmälern. Doch was soll´s? Wir wollen das Kondensat nicht auf die Goldwaage legen. Die eigentlichen Gründe meiner Nichtraucherschaft sind völlig unromantisch und den Mediziner und Kulturhistoriker enttäuschend:
Mir war das Rauchen schon immer viel zu teuer, zu wenig schmackhaft und – einige Pfeifentabake ausgenommen – eher schlecht riechend. Deshalb habe ich das Rauchen für mich als unpassend betrachtet. So einfach ist das.
Ab dem 1. Juli 2008 darf ich mich also geschützt fühlen. Per Gesetz. Als Nichtraucher. Ich bin gespannt, ob mir, je nach Realität der durchgesetzten Vorschriften, etwas fehlen wird. Ganz selten – ich denke an die in Deutschland vorherrschenden Jahreszeiten Herbst und Winter – werde ich mich solidarisch erweisen und den Gang vor die Kneipentür mitmachen. Unsicher bin ich in der Frage, ob mir die Gesellschaft mit Rauchenden fehlen wird, ob sich der Begriff der Geselligkeit ändern oder gar aufteilen wird. Ob ich gar Mitglied in einem Raucherclub werde? Nicht nur die Gastronomie wandelt sich. Auch Kegelklubs kegeln nicht ständig, sie verreisen auch.
Raucherzone von außen
Leser des Online-Magazins Einseitig.info kennen bereits meinen fast allmorgendlichen Aufenthaltsort, den Bahnhof. Dort verbringe ich die Zeit mit Warten, mit Herumschauen, mit Beobachten und Wundern.
Da die Deutsche Bahn AG wenig Anstrengungen unternimmt, meine Wartezeit im physikalischen Sinne zur verkürzen, indem sie ihre Züge mit zunehmender Pünktlichkeit erscheinen läßt, sucht mein Geist nach emotionaler, nach philosophischer Kurzweil. Ich vermute, nicht zuletzt aus diesem Grunde hat man sich vor Monaten etwas Neues ausgedacht, das sich nicht auf die Zeit bezieht, sondern auf den Raum.
Die Bahnhofsdurchsage erklärt es den zahlreichen Messegästen meiner Heimatstadt in einem ganz speziellen Englisch: „Bikohs off Konsidderäischon fohr Nonnsmokers, Smoking in Düsseldorf-Staischen iß ällaud only in se designäitet Ärrias on se Plättform!“ Will sagen: „Aus Gründen der Sauberkeit und aus Rücksicht auf Nichtraucher ist das Rauchen im Düsseldorfer Hauptbahnhof nur in den markierten Bereichen der Bahnsteige erlaubt!“
Diese Bereiche muß man nicht suchen. Schon gar nicht in den Zeiten des Pendlerstromes. Sie fallen allein schon aufgrund ihrer erheblichen Besucherballung auf.
Mein S-Bahnsteig besitzt drei dieser Bereiche. Jeweils zwei an den vom Bahnhofsdach nur unzureichend bis gar nicht geschützten Enden und einer in der geographischen Mitte. Markiert wurden sie mit gelben Linien und einigen ebenfalls mit gelber Farbe auf den Boden gemalten Zigarettensymbolen. Warum ausgerechnet diese Farbe? Hat man, so kommt es mir unweigerlich in den Sinn, gerade in Deutschland nicht genügend Schindluder mit dieser Farbe getrieben?
Gelb, die Farbe der Ausgrenzung?
Ganz schön schweres Kaliber (für das ich um Entschuldigung bitte). Aber ich hätte schwarze Linien gezogen. Schwarze Linien auf grauem, mit Kaugummifleckchen gesprenkeltem Boden. Das ist neutral, doch sichtbar. Schwarz erinnert an die Lungeninnenseiten derer, die in den markierten Arealen Aufenthalt suchen sollen. Diese suchen jedoch nicht, sie finden, nehmen die neuen Vorschriften hin, rauchen brav in ihrem Gatter.
Der menschliche Besatz des Bahnsteiges pro Quadratmeter ist, wie bereits angedeutet, innerhalb der gelben Karrees um ein Vielfaches höher als jener außerhalb. Dieser Umstand fällt ohne langwierige Zählung sofort auf, entbindet vom prüfenden Blick auf den Boden, ob die farbliche Grenze denn auch wirklich wirkt. Man könnte meinen, die Rauchenden nähmen ihr Schicksal des Ein- beziehungsweise Ausgesperrtseins kommentarlos hin. Vielmehr, so mein innerer Einwand, bilden sie mit Hilfe öffentlich erzwungener Regelungen sogar Biotope, Reservate ihrer aussterbenden Art. Es steht sogar die Vermutung nahe, die Ausgrenzung der Rauchenden diente an erster Stelle ihrem Schutze.
Ich will einmal genauer hinschauen, nähere mich an einem auffallend ruhigen regnerischen Dienstag dem inneren und somit trockenen Raucherbezirk, postiere mich wenige Meter davon entfernt und fertige mir eine kleine geistige Statistik an:
Es befinden sich zu Beginn meiner Erhebung zwölf Menschen in ihrem Bereich. Sieben Frauen und fünf Männer. Dies nährt meine nach Bestätigung suchende Vermutung, daß das Rauchen inzwischen eine eher weibliche Domäne geworden ist. Die Gesichter der Insassen sind geschlechterübergreifend als gehetzter zu bezeichnen, als die der Externen. Ich vermute, es könnte an der Diskrepanz zwischen der Taktzeit der S-Bahnen und einer durchschnittlichen Fluppenlänge liegen. der Erwartung, der sonst immer verspätete Zug könnte ausgerechnet heute zu früh, also vor dem letzten, den Filter gerade noch verschonenden, Zug an der Zigarette einfahren.
Ja, sie leben in dreifacher Hetze, die Raucher. Gehetzt vom Alltag, von Vorschriften in menschenverachtende Gatter getrieben und in den qualmenden Kampf möglichst ökonomischer Verbrennung mit ihrer stets drängenden Sucht verstrickt.
Es gibt Augenblicke, da beneide ich sie nicht, die Süchtigen.
Persönliche Statistik
Der Besatz des Raucherbereichs wechselt stetig. Für eine intensive Beobachtung sollte ich mir einen Urlaubstag gönnen. Daher konzentriere ich mich jetzt auf wenige Probanten.
Eine ältere Dame, vornehm gekleidet, wohl kurz vor dem verdienten Ruhestand, keine typische S-Bahn-Nutzerin, zieht in auffallend gleichmäßigen Abständen an ihrer Zigarette. Sie macht nicht den Eindruck, als würde sie es genießen, zu mechanisch ist der Aktionsablauf. Ihre Lippen sind schmal, ihr Gesichtsausdruck ist ernst, ihre Augen blicken wiederholt auf die kleine goldene (silbern würde nicht zum Kostüm passen) Armbanduhr.
Sie läßt etwa ein Drittel des Glimmstengels uninhaliert, geht drei oder vier Schritte zum Edelstahl-Aschbehälter, drückt ihn nicht aus, sondern wirft ihn mit spitzen Fingern – bloß nichts Fremdes berühren – glühend hinein. Nein, sie will mit diesem bahnhöflichen Bereich des Schmutzes – eingerichtet „because of cleanyness“ des übrigen Bahnsteiges – nichts zu tun haben. Sie fühlt sich nicht zugehörig, überschreitet die gelbe Demarkationslinie, schreitet ins Freie, ins Saubere. Man raucht ja nicht immer, nur wenn es nötig ist.
Wenn’s brennt, möchte ich kalauern und würde gern etwas Papier in den Aschebehälter werfen, es zu einigen offenen Flammen kommen lassen. Man würde denken, irgend so ein Jugendlicher hätte seine Zichte wieder nicht ordentlich ausgedrückt. Ich würde es besser wissen. Gedanken aus dem Hirn eines Aliens, gewiß.
Meine Abschweifung wird von einer Durchsage unterbrochen.
Die S-Bahn der Linie 7 trifft mit weiterer Verspätung ein.
Die Dame kramt in ihrer geräumigen Handtasche besten Leders, findet eine Schachtel und ein Feuerzeug, schüttelt ihren Kopf ob der zusätzlichen Verzögerung und steckt sich eine weitere Zigarette an. Das Schauspiel wird sich wiederholen.
Eine andere Raucherin, etwas füllig – „wenn ich das Rauchen aufgäbe, wäre ich nicht füllig, sondern dick!“ – kneift mit Daumen und Zeigefinger verdächtig nah am heißen Ende in ihre Zigarette und schmeißt sie mit erheblichen Schwung aus einer geschätzten Entfernung von fünfzig Zentimetern in den Abfall. Der Zug, vermutlich ihr Zug, ist in Sichtnähe und sie will sich, so stelle ich es mir vor, eine gute Position für das Einsteigen suchen.
Weit gefehlt! In Windeseile holt sie eine neue Zigarette hervor, steckt sie an und inhaliert mit großer Kraft. Der Zug fährt ein. Qualm verläßt ihre Nasenlöcher. Sie zieht noch einmal, noch fester. Die Türen des Zuges öffnen sich und ein Schwall von Menschen drängt heraus. Sie zieht als wollte sie ihr Lungenvolumen einem finalen Belastungstest unterziehen, zieht bis zum Ende.
Die ersten Fahrgäste steigen in die Bahn.
Das Gesicht der Frau ist mir verborgen, denn ihr blaugrau gefärbtes Lungenvolumen entweicht vollständig und zeitgleich Nase und Mund. Nun eilt sie zum Ascheimer, denn man schmeißt die Kippe bekanntlich nicht einfach auf den Boden. Sie drückt den Suchtgegenstand mit erheblichen Kraftaufwand aus. Dieser bleibt unansehnlich am Rand des Einwurfloches kleben. Sie eilt im offensichtlichen Blindflug zum Zug, um noch während des piependen Warnsignals der sich automatisch schließenden Türen, ohne auf noch nicht nachgezogene Beine, Handtaschen und kleine Kinder Rücksicht zu nehmen, gerade noch hineinzuhuschen.
Ich freue mich für sie.
Eigentlich hätte auch ich diesen Zug nehmen können, nehmen sollen.
Egal. Auf die paar Minuten kommt es mir nicht an und eigentlich fahre ich sowieso viel lieber mit der als nachfolgend angekündigten Bahn.
Wen picke ich mir in der nun für die Wissenschaft gewonnenen Zeit heraus?
Ich entscheide mich für den vielleicht zwanzigjährigen Punk im ölbeschmierten Blaumann. Auch er hält sich, sogar auffallend zentral innerhalb des ihm zugewiesenen Bereiches, an die Vorschriften. Punk, so denke ich, während meine leider bereits einfahrende Bahn die weiteren Erhebungen auf später verschiebt, ist heutzutage auch nur noch der Name einer Äußerlichkeit, ist kein Auflehnen der Jungen gegen uns angepaßte Alte, hat keinerlei politische Brisanz mehr. So ist sie halt, die schlaffe Jugend. Ob mit Krawatte oder Irokesenschnitt,…
Ich steige ein, finde sogar einen Sitzplatz und schaue zwischen dem Blau und dem Rot der nahezu geschlossen besprühten Fenster hinaus.
Der Punk hat seinen zentralen Standort verlassen. Ist er nach mir in dieselbe Bahn gestiegen? Ach nein, da sehe ich ihn und er straft meine voreilige Resignation bezüglich der heutigen Jugend:
Er hat, die brennende Zigarette in der Hand, das gelbe Karree verlassen. Nur um einen Meter, aber immerhin. Er steht selbstbewußt, der Protest ist im ins Gesicht geschrieben, genüßlich ziehend außerhalb des „designated Areas“!
Ich bin erleichtert. Es gibt sie also doch noch, die jugendlichen Rebellen.
Raucherzone von innen?
Der jugendliche Punk-Rebell hat mich inspiriert. Er, der das Verbot ignorierte und in den vermeintlich sauberen Bereich der Nichtraucher einzudringen wagte, hat in mir die Lust geweckt, in die verrauchten – oder „verruchten“? – Areale der Raucher einzudringen.
Was ist da anders, was ist da vielleicht sogar besser, als in der übrigen Welt?
Gleich am folgenden Tag, also am Mittwoch, stehe ich etwas früher als gewohnt auf, nehme die überraschend pünktliche S-Bahn, die mich ohne Umsteigen bis an meinen Arbeitsort bringen könnte und steige dennoch am Hauptbahnhof wieder aus. Mein Ziel: das Raucherkarree.
Ich zögere angesichts der gelben Markierung. Soll ich wirklich hineintreten und… nicht rauchen?
Wo ist mein Mut geblieben? Soll ich es wagen, oder nicht? Mein Gott, sage ich mir und argumentiere, so weit mir die Gesetzeslage geläufig ist, steht nirgendwo etwas von einem Verbot für Nichtraucher, eingezeichnete Raucherbereiche zu betreten.
Niemand wird mich also strafen können. Außerdem ist die Fluktuation auf einem Bahnsteig so hoch, daß jeder, der mich dort stehen sieht, denken muß, ich machte gerade eine kurze Pause zwischen zwei zu rauchenden Zigaretten. Ein Raucher ist per Definition ein Kettenraucher. Nicht vollständig überzeugt (doch warum sollte ich den Wecker sonst auf eine so unmenschliche Alarmzeit eingestellt haben) wage ich den Schritt über den Strich und sogar noch einige Schritte tiefer in die Rauchzone hinein.
Jeder Mensch sehnt sich nach Heimat
Da stehe ich nun. Die Beobachtung der übrigen Insassen fällt mir aufgrund des natürlichen Gesichtsfeldes schwerer als gestern von außerhalb.
Eines wird mir allerdings sofort klar. Ich bin ein Fremdkörper.
Ich spüre die Blicke derer an meinen Händen kleben, die hier ihren angestammten Platz gefunden haben, die hier dürfen, was sie wollen, was ihre Sucht von ihnen verlangt, ohne diese neunmalkluge Dreinrede lebensferner Gesundheitsapostel. Jeder Mensch sehnt sich nach Heimat. Ich bin die ausgesetzte mittelamerikanische Rotwangenschildkröte in einem mitteleuropäischen Krötenteich.
Meine Hände suchen die Hosentasche. Dort bleiben sie nicht lange. Sie suchen – ich weiß natürlich, wo es zu finden wäre – nach meinem Handy. Alle suchen nach ihrem Handy, wenn die Möglichkeit des Beobachtetwerdens besteht. Alle tippen eine SMS oder geben zumindest das Tippen einer SMS vor. Was haben bloß all die Generationen getan, denen die Erfindung des mobilen Telefonierens noch vorenthalten wurde? Sie haben nach einer Zigarettenschachtel oder nach Streichölzern oder einem Feuerzeug oder allem gleichzeitig gesucht. Sie waren Raucher und die Nichtraucher waren die Exoten.
Ich, der Exot, stecke mein Handy wieder in die Tasche. Ich suche nach keinem Gegenstand mehr, ich suche nach Lässigkeit, nach Ausgeglichenheit und glaube sie mit einem Male in der Gegenseitigkeit des Betrachtens zu finden. In der gefühlten Gegenseitigkeit. All die Raucher und die wieder in einer deutlichen Mehrheit vertretenen Raucherinnen um mich herum, machen ihre gehetzten Gesichter, während ihre Gedanken wohl nur um Schachtel, Kippe, Schachtel, Kippe kreisen. Sie leben in ihrer Wartezeit zwischen Hoffen und Bangen.
Und so langsam wächst in mir die Sicherheit, denn sie haben gar nicht die Muße des Betrachtens. Sie kümmern sich gar nicht um mich.
Sie rauchen, ziehen sich damit zurück, spüren in dieser Zurückgezogenheit auch gar nicht die Diskriminierung ihres gelben Karrees. Ihr Rauchen steht im Mittelpunkt und die einzige Wahrnehmung jenseits des Nikotin-Autismus bezieht sich auf das eventuelle Einfahren ihrer Bahn. Gut, es gibt sich unterhaltende Zweiergrüppchen, doch bezieht sich deren Gespräch meist nur auf den engen Kreis der eigentlich längst gewohnten Zugverspätungen. Die Konversation dient nur dem gegenseitigen Ansporn, den Takt der Tabakverbrennungen zu beschleunigen.
Das Leben hier im gelben Gatter ist autark. Dieses dunstige Krötenbiotop verkraftet meine Anwesenheit, es nimmt sie hin, da ich allein keine Gefahr für sie bedeute. Allein bin ich keine Gefahr.
Da meldet sich mein Hang zur Utopie!
Die Anarchie des Nichtrauchens
Was wäre, wenn ich nicht alleine bliebe? Was wäre, wenn mehr und immer mehr Nichtraucherinnen und Nichtraucher die Raucherzonen bevölkerten, wenn sie, die von mir gefundene Gesetzeslücke ausnutzend, den Raucherinnen und Rauchern den Platz einengten? Heh, würden sie sagen, das ist unser Bereich, hier wird geraucht und nichts anderes. Sie würden auf mich, auf uns zeigen, ihr habt diese Räume gefordert und uns eingezwängt mit euren Verboten.
Ich werde mich aufschwingen und mit voller Überzeugung ausrufen, nie Raucherbereiche auf Bahnsteigen gefordert zu haben. Auch ich sei ein freier Mensch, der überall Nichtrauchen dürfe, selbst in gelb umrandeten Rechtecken.
Es dauert nicht lange, da werden den Bahnhofsverwaltungen und den zuständigen Politikern angesichts der von mir eingeleiteten Entwicklungen neue Lösungsansätze abgerungen.
Erstens könnte man den Nichtrauchern das Betreten der Raucherzonen untersagen, ihnen einen eigens – sagen wir weiß – markierten Bereich zuweisen. Wobei zu klären wäre, ob ein gerade für einen kurzen Zeitraum nicht rauchender Raucher der Vorschrift nach als Nichtraucher anzusehen sei und an welcher Stelle – bei, vor oder nach dem Betreten des Areals – der Tabak anzuzünden sei. Oder ob man diesem temporär nicht rauchenden Raucher unbedingt auferlegen sollte, innerhalb einer zu klärenden Frist den Rauchbereich zu verlassen oder aber eine neue Zigarette anzuzünden. Hinterher, ich ahne es, wird alle Welt wieder vom Regulierungswahn reden und Europa die Schuld geben.
Doch zweitens ergäbe sich eine wahrscheinlichere Möglichkeit. Man würde, angesichts der vorherrschenden Enge eines Bahnsteiges, die Deutschlands Raucherkarrees vergrößern. Man würde bei positiver Entwicklung und zunehmender Macht meiner Bewegung, Schritt für Schritt den größten Teil des Bahnsteiges zur (nunmehr gemischten) Raucherzone erklären. Endergebnis würde sein, daß ganze Bahnsteige, umrandet mit gelben Linien, zur nunmehr vollends gemischten Raucherlaubszone erklärt werden müßten. Die Reservate würden aufgelöst.
Presse, Politik und Menschenrechtler würden auf diese Innovation stolz sein, Deutschland zum europäischen Musterland erheben und darauf verweisen, daß immer weniger rauchten, da diese Tätigkeit und Suchtausübung den Ruf des Besonderen nun vollends verloren hätte.
Nachteilig wäre bei dieser Regelung nur die zu Beginn der großen Freiheit größere Kippenstreuung auf dem Boden, was nur sehr kostenintensiv zu bereinigen wäre. Die Einhaltung einer Verpflichtung, die Kippen restlos aufzurauchen sähe man als nicht durchsetzbar an und man überlege daher ein vollständiges Rauchverbot im Öffentlichen Raum. (Letzteres ist natürlich eine Konsequenz, die ich aus sicher verständlichen Gründen vorerst im Geheimen behalten und daher von der redigierenden Person als gestrichen wissen möchte.)
Aber so machen wir das.
Ersterscheinungsdatum: 31.07.2008 – zuerst auf Einseitig.info
© Dirk Jürgensen – Veröffentlichungen des Texts, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors.