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Jane Dunn – A very close conspiracy – Virginia Woolf und Vanessa Bell

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Virginia Woolf und Vanessa Bell standen sich als Schwestern besonders nah. Einerseits rivalisierten sie beruflich auf dem jeweilig eigenen Feld oder in ihren Beziehungen zu zum Teil denselben Männern, andererseits unterstützten sie sich künstlerisch, in Krisen, beim Verlust von Eltern, Geschwistern und Kindern. Gemeinsam waren sie ein wesentlicher Teil der Bloomsbury Group. Was Dunn, im Gegensatz zu vielen anderen Büchern über das Geschwisterpaar nicht auslässt, ist der sexuelle Missbrauch, den Virginia durch George Duckworth, ihren Stiefbruder, erlitt. Er hatte maßgeblich Einfluss auf ihre späteren Verhältnisse zu Männer und Frauen, die sie gleichermaßen liebte. Für viele LeserInnen greift auch diese Beschreibung immer noch zu kurz.

Jane Dunn – A very close conspiracy – Virginia Woolf und Vanessa Bell

Man unterstellt der Autorin, sie sehe beim Missbrauch zu wenig Zusammenhang zu Virginias und auch Vanessas psychischen Erkrankungen und gehe zu oberflächlich damit um. Ich halte es aber für eine steile These, eine bipolare Störung, unter der Virginia Woolf litt und eine Depression Vanessas einzig und allein auf den sexuellen Missbrauch zurückzuführen. Er hatte zweifellos einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtkonstitution des Geschwisterpaares. Die psychische Erkrankung findet sich aber auch in der Familiengeschichte wieder. So litt auch Leslie Stephen an einer Depression. Auslöser für Virginias Attacken waren außerdem oftmals außergewöhnliche Belastungen außerhalb des Beziehungsumfeldes.

Dunn gibt Einblick in die Herkunft und Familiengeschichte Virginias und Vanessas und geht dann über zu den Persönlichkeiten, die sich auf diesem Boden und entgegengesetzt zu ihm entwickelten. Sie schildert ihr Leben in Beziehung zu ihrem Umfeld – zum homosexuellen Duncan Grant, zum geradlinigen Leonard Woolf, zum belehrenden Clive Bell, zum inspirierenden Roger Fry und zur selbstbewussten Vita Sackville-West.

Dunn schildert Vanessa Bell zunächst als eine Frau, die ihren Kindern und ihren jeweiligen Partnern in besonderer Weise Beachtung schenkte. Virginia dagegen habe den Schwerpunkt auf den Geist gelegt, ein besonderes Bedürfnis nach Anerkennung gehabt und sei Vater und dem Bruder nachgeeifert. Ich kann diese Einschätzung nicht in Gänze teilen. Malende und schreibende Frauen hatten es zu Beginn des 20. Jahrhunderts schwer in einem männlich dominierten Umfeld Fuß zu fassen und Beachtung zu finden. Während Virginia sich naturgemäß mehr profilieren konnte, geriet Vanessa durch das Medium selbst leichter in den Hintergrund. Zumal Malerei als Freizeitbeschäftigung für gelangweilte Damen der Gesellschaft galt. Im Hause Stephen hatte die Beschäftigung mit dem geschriebenen Wort noch dazu außergewöhnliches Gewicht. Vanessa ging Beziehungen mit Malern ein, die – wenn man ihre Werke mit den ihren vergleicht – nicht begabter, als Männer aber, schon wegen ihres Geschlechts, mehr Berühmtheit erlangen konnten.

Ohne Zweifel waren Vanessa und Virginia bei aller Progressivität von den Werten des viktorianischen Zeitalters beeinflusst und manche Lebensentscheidung davon geprägt.  Es ist zu bewundern, wie die Schwestern sich, trotz der Umstände, die Frauen deutlich benachteiligten, mit ihren Lebensentwürfen durchgesetzt haben.

Vanessa Bells visuelle Ästhetik fand Einzug auch in Virginias Werk. Sie illustrierte viele ihrer Bücher, die sie mit Leonard Woolf über die Hogarth-Press veröffentlichte. Außerdem wird auch in Dunns Text deutlich, wie viel Einfluss sie, schon aufgrund gemeinsam durchgestandenen Leids, auf das Leben ihrer Schwester ausübte und umgekehrt. Es illustriert, wie durch die beiden Frauen die Bloomsbury Group erst entsteht, insbesondere durch Vanessa. Es zeigt, welche fantastisch-bahnbrechende künstlerische Vision Vanessa Bell in Charleston umzusetzen verstand.

Der Fokus des Werks liegt ein wenig zu sehr auf Virginia, dennoch lesenswerte Lektüre.




Stefanie H. Martin, Die Liebenden von Bloomsbury – Band 2 – Vanessa Bell und die Bloomsbury-Group

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Im Nachwort des Buches „Die Liebenden von Bloomsbury – Vanessa“ über die Malerin Vanessa Bell verrät uns Stefanie H. Martin (Stefanie Hohn), dass es sehr wenig Quellen über diese faszinierende Frau gibt. Sie wurde im Laufe der Lektüre für mich zur eigentlichen Entdeckung aus der Trilogie um die Bloomsbury Group, zumal dieser zweite Band brillant komponiert ist.

Stefanie H. Martin, Die Liebenden von Bloomsbury – Band 2

Während ihre Schwester, Virginia Woolf, es als Schriftstellerin zu Weltruhm brachte, blieb ihr Dasein, obschon eine talentierte, schaffensreiche Malerin und facettenreiche Frau, im Schatten ihrer Lebensgefährten verborgen. Zu vermuten ist, dass ihr freizügiger Lebensstil ihr einen Makel verlieh, den eine patriarchal geprägte Gesellschaft bis hinein in unsere Zeit selten gelten lässt. Darüber hinaus gehörte Vanessa Bell nicht zu den KünstlerInnen, die viel Material über das eigene Leben hinterlassen haben. Einiges lässt sich ihren Briefen entnehmen, anderes den Schilderungen ihrer Schwester, es gibt ein paar spärliche Aufzeichnungen aus ihrer Feder (Sketches in Ink and Pen), außerdem gibt es eine Biographie von Frances Spalding.

Während über Virginia Woolfs Missbrauch in der Kindheit einiges an die Oberfläche drang, weiß man wenig darüber, wie es Vanessa erging. Stefanies Roman füllt diese Lücke. Sie führt aus, dass es auch Vanessa sehr wahrscheinlich ähnlich erging, wie ihrer Schwester. Sie heiratet ein anderes Mitglied aus dem Kreis der Bloomsburys, Clive Bell, mit dem sie zwei Kinder hat. Doch die Ehe ist nicht glücklich und so wenden sich beide Ehepartner anderen Menschen zu. Vanessa genießt die Zweisamkeit mit dem Maler Roger Fry und lebt nach Ende dieser Beziehung mit dem Künstler Duncan Gray zusammen. Dessen Vorliebe gilt allerdings Männern, was dem Zusammenleben der beiden aber keinen Abbruch tut. Vanessa nimmt Duncans Verhältnisse hin und leidet gelegentlich darunter, eine unter Vielen zu sein. Aus der Beziehung wird es einige Zeit später allerdings ein Kind, Angelica, geben, das Clive Bell auf Bitte von Vanessa als seines akzeptiert, um einen Skandal zu vermeiden.

Ohne Vanessa Bells Initiative und die ihres Bruders Toby hätte es die Bloomsbury Group wohl nie gegeben. Ohne ihr künstlerisches Tun möglicherweise manch Bild der anderen Künstler ihres Kreises nicht. Sie ist mindestens als gleichwertig anzusehen und doch gab es gerade mal eine Einzelausstellung mit ihren Werken. Angeblich tat sie sich bei der Entwicklung ihrer Bilder schwerer, als ihre Kollegen. Ich bin jedoch der Ansicht, dass jede Künstlerin, jeder Künstler seine oder ihre eigene Art hat, zu malen und sich auszudrücken. Das gilt sowohl für die Art des Erfassens und Skizzierens wie für die Umsetzung. Vanessa mag sich an anderen Malern gemessen haben.

In einer Zeit, in der gerade mal das Frauenwahlrecht eingeführt wurde, weibliche Studenten kaum Zugang zu Universitäten hatten und weniger Rechte als Männer, hat sie, trotz der widrigen Umstände, vieles bewegt, Initiative, Stärke und herausragendes Talent gezeigt, das leider viel zu wenig gewürdigt wurde. Erfreulich ist zumindest, dass es einige Bildbände mit Abbildungen ihrer Kunstwerke gibt.

Neben Vanessa kommt in diesem Band Virginia wieder zu Wort, die gemeinsam mit ihrem Mann die Hogarth Press betreibt und zwischen Erfolgen, gesellschaftlichen Entwicklungen und Selbstzweifeln zerrieben wird.

Ich konnte das Buch nur schwer aus der Hand legen, eine echte Steigerung zum bereits sehr guten ersten Band. Lesen!

Stefanie H. Martin, Die Liebenden von Bloomsbury – Band 1

Mehr über Stefanie Hohn aka Stefanie H. Martin unter www.zeilenraum.de

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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