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Leslie Jamison – Es muss schreien, es muss brennen

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Der Waschzettel nennt Leslie Jamison „eine der originellsten Denkerinnen ihrer Generation.“ Ich halte das für etwas übertrieben, mochte ihr Buch: „Es muss schreien, es muss brennen“ aber trotzdem oder gerade deswegen.

Leslie Jamison – Es muss schreien, es muss brennen

In 13 Essays, die sie unter den Überschriften „Sehnen“, „Schauen“ und „Bleiben“ subsumiert, beschäftigt sie sich mit einem Walfisch, der zur Metapher von Menschen mit unterschiedlicher Leidensgeschichte wird, Geschichtenerzählen, Zwischenstopps und dem Internethype um Second Life. Sie wirft einen Blick auf James Agee, die Liebe und das Bleiben, besucht das Museum der gebrochenen Herzen und schlägt Purzelbäume bei der Geburt ihrer Tochter.

Manchmal ist es ein Abschnitt, manchmal ein Satz, der mich packt und festhält. Dann wieder stolpere ich über einen Gemeinplatz oder eine allzu sehr gewollte Pointe. Jamison wird mit Susan Sontag verglichen. Sie ist aber nicht und schreibt nicht wie Sontag, sondern wie Jamison. Ihr eigener Stil ist greifbar, wenn auch Bezüge vermuten lassen, dass sie Sontags Essays gut kennt.

Es gibt bessere EssayistInnen als Jamison, aber es gibt auch bessere und zeitgemäßere als Sontag. Was Jamison Sontag voraus hat, ist Empathie, den Blick für Schönheit im Hässlichen und das Entdecken des Wertes der kleinen, vermeintlich unbedeutenden Dinge, das Streben nach Verständnis und Erfüllung im eigenen, gegenwärtigen Dasein und die Fähigkeit zum Augenzwinkern. Wo man bei Sontag das unterschwellige Geltungsbedürfnis mitliest, tritt Jamison anteilnehmend hinter ihren ProtagonistInnen zurück, selbst dann, wenn es selbstbewusste Selbstbezüge gibt.

Jamison hat ein Händchen für Boulevard mit Stil.

Auch wenn es beim Lesen gelegentlich Hürden gab, so ist mein Resümee ein überzeugtes: „Daumen hoch“.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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