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Elisabeth Alexander, Isabella Maidment, Andrea Schlieker – Lynette Yiadom-Boakye

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Ich hatte das große Glück, die Werkausstellung von Lynette Yiadom-Boakye im K20 zu besuchen. Seitdem hängen ein paar ihrer Bilder – leider nur als Postkarten oder Fotos – in unserer Wohnung. Auch an diesem Bildband, in dem 80 ihrer Werke abgebildet sind, konnte ich nicht vorbeigehen. Er begleitet die Ausstellung der Malerin und Schriftstellerin, die in London geboren und aufgewachsen ist.

Alexander, Maidment, Schlieker - Lynette Yiadom-Boakye - Fliegen im Verbund mit der Nacht

Ihre Bilder findet man in verschiedenen Sammlungen in Europa und den USA. In Düsseldorf waren außerdem einige bisher noch nicht veröffentliche Bilder zu sehen. Yiadom-Boakye malt Menschen, die es so nicht gibt. Etwas, das ich ihr in meiner Malerei nachtue. Was ihre Bilder für mich so besonders macht, ist die Lebendigkeit, mit der sie ihre Figuren darstellt. Bei Lynette Yiadom-Boakyes Personage tanzen Ruhe und Kraft miteinander. Für mich hatten diese Menschen eine unglaubliche Präsenz. Yiadom-Boakye schreibt außerdem Kurzgeschichten und sagt von sich selbst, sie schreibe über das, was sie nicht malen könne. Einige ihrer Texte findet man auch im Bildband. Eine tolle Künstlerin! Ich bin glücklich, sie für mich entdeckt zu haben!

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

Für alle hier besprochenen Bücher gilt: Unterstützt möglichst den lokalen Buchhandel!

Weitere Kurzrezensionen




Menschenskind in Ditzum

Bilder, eine Lesung und Musik

– Die anlässlich der 22. Ditzumer Kunsttage im Müllerhuus gezeigte Ausstellung mit Bildern von  Dirk Jürgensen aus der Serie »Meerblick« entstanden an der Ostsee, an der Nordsee, auf Lanzarote und an der Atlantikküste zwischen dem Baskenland und Galicien. Nicht fröhliches Strandleben, sondern die Wucht der Naturgewalt, die metaphorisch auch für die emotionale Bewegung im menschlichen Dasein steht, sind Gegenstand der Betrachtung. So finden sich gleichermaßen ruhige, getragene, nachdenkliche Stimmungen auf den Fotografien wieder, wie auch aufgewühlte, stürmische, fröhliche und bedrohliche. Nicht umsonst gilt das Meer als Allegorie für das Leben und die in ihm verborgenen Sehnsüchte. Menschenskind-DitzumEine zweite Sequenz von verfremdeten Fotografien nennt sich „Seltsame Wesen“, die ohne Verwendung langer Brennweiten, ohne direktes Anvisieren von Menschen am Düsseldorfer Rheinufer, in Parks und Straßen der Stadt entstanden. Menschen wurden aus dem Kontext ihrer Umgebung, die Teil und Bedingung ihres Agierens waren, herausgenommen und stehen in dieser Nicht-Umgebung, ihrer Gesichtszüge beraubt, auf das Wesentliche, das Menschsein reduziert, für sich.

Am Samstag, den 27.10.2018 um 18:00 Uhr greift der Künstler gemeinsam mit zwei Autoren das Thema „Menschenskind“ im Müllerhuus noch einmal auf. Das Trio aus Dirk und Maria Jürgensen und Michael Schumacher liest und singt über all das, was Menschen bewegt. Gewürzt werden Missgeschicke, Begegnungen, Skurrilitäten und Erinnerung mit einer guten Prise Chanson und einer großen Portion Melancholie und Witz.




Fotografische Entschleunigung

30 Sekunden – Eine halbe Minute Ewigkeit

 von Dirk Jürgensen …

Das Thema »Zeit« geht uns nicht aus den Köpfen. Ob wir unser Privatleben planen, die Arbeit uns Zeit stiehlt, versaut oder Erfüllung bringt, ob wir die Wochen und Tage bis zum Urlaub zählen oder das, was uns vom Leben übrig bleibt, ob wir auf den Bus warten oder im Stau stehen, die Zeit beschäftigt uns immer – besonders wenn wir von der so notwendigen »Entschleunigung« reden.

30 Sekunden © Jürgensen - DüsseldorfSo lag es für mich nicht fern, der Zeit ein Fotoprojekt zu widmen, eine künstlerische Annäherung an das Thema zu suchen. Denn besonders in der Fotografie ist die Zeit ein außerordentlich einflussreicher Aspekt.

Normalerweise, wir erwarten als Ergebnis in der Regel ein scharfes, nicht verwackeltes Bild, konserviert ein Foto einen Zeitabschnitt, der nur hundertstel oder tausendstel Sekunden währte. Es täuscht uns das, was mit dem Klacken des Verschlusses schon längst Vergangenheit wurde, als ewige Gegenwart vor. Mit ihrem Einfrieren des Bruchteils einer Sekunde ist die Fotografie ein Hilfsmittel für unsere oft zu fahrige Wahrnehmung und gleichzeitig eines für unsere unpräzise Erinnerung. Wir wollen das so und akzeptieren damit die zeitlich winzige Wirklichkeit eines Fotos als Wirklichkeit des Lebens.

Versucht man in der Fotografie Zeit sichtbar zu machen, gibt es die Möglichkeit mit Serienaufnahmen Veränderungen, Bewegungen und Abläufe in Sequenzen einzuteilen. Jedes Bild für sich ist dann wieder ein kurzer und für sich abgeschlossener Ausschnitt aus der Zeit. Den zwischen den einzelnen Bildern entstandene Zwischenraum füllt unsere Phantasie, so, wie auch ein Film aus vielen Einzelaufnahmen besteht und die Geschwindigkeit des Bildwechsels uns den lückenlosen Fluss des Geschehens vorgaukelt.

Eine andere Möglichkeit ist die, die Belichtungszeit zu verlängern, sie in einen Bereich zu bringen, den wir glauben, mit unserer Wahrnehmung erfassen zu können. Sagen wir, eine halbe Minute. Müssen wir eine halbe Minute warten, kann das eine Ewigkeit bedeuten, doch erleben wir gerade einen großen Genuss, gehen 30 Sekunden viel zu schnell vorbei. Beim Fotografieren selbst bedeuten 30 Sekunden oft eine Ewigkeit, eine Zeit, in der man sich mit dem Drücken des Auslösers dem Zufall aussetzt. Stellt man sein Kamerastativ beispielsweise in einer Fußgängerzone auf, möchte die Bewegung eines Passanten verfolgen, dreht er sich unerwartet um, ein Kind läuft ihm in die Quere und die eben noch schlaff am Mast hängende Fahne im Hintergrund wird von einer Windböe erfasst. Wer mit einer Belichtungszeit von einer halben Minute fotografiert, erfährt die Ewigkeit solcher Momente.

Wie sehr sich dieser Zufall sich auch an der Bildkomposition beteiligen mag, immer ist das Ergebnis ein Dokument dessen, was innerhalb seines Erfassens geschah, eines, das aber auch zeigt, wie flüchtig die Ausdehnung der Zeit dieses Geschehen macht. Menschen, Tiere, Dinge in Bewegung verwandeln sich in ihre eigenen Spuren, sie werden durchsichtig, verschwinden bei schneller Bewegung ganz. Was bleibt, ist die Position der Ruhe, nicht die der Eile. Die Hektik der Innenstadt verwandelt sich in eine indifferente Wolke, wird letzthin aufgelöst.

So würde ich mich freuen, wenn der Bildband mit einer Auswahl meiner Fotografien, die konsequenterweise alle mit einer Belichtungszeit von 30 Sekunden entstanden, der Wahrnehmung der Zeit ein kleines Stück Geschwindigkeit nehmen könnten.

Wir reden so viel von Entschleunigung. Auch sie ist eng mit einer bewussten Wahrnehmung von Zeit verbunden. Vielleicht mögen Sie in diesem Zusammenhang mein künstlerisches Experiment sogar für sich selbst fortsetzen, indem Sie sich einfach(?) die Zeit nehmen, sich eine der im Buch versammelten Fotografien herausgreifen und sie eine halbe Minute lang anschauen, so lange, wie die Kamera benötigt hat, das Bild aufzuzeichnen. Ich würde mich freuen zu erfahren, was Sie sehen, was bleibt.


Das Bilderbuch »30 Sekunden – Eine halbe Minute Ewigkeit« (ISBN:978-3-744-85498-6) hat 52 Seiten im handlichen Format von 21x15cm mit zahlreichen Schwarzweiß- und Farbaufnahmen und kann in Deutschland für 8.50 € überall dort erworben werden, wo es Bücher gibt. Ihr lokaler Buchhändler wird es gerne für Sie bestellen.

Wenn Sie es partout nicht vermeiden können, dürfen Sie es natürlich auch bei Amazon oder über die folgende Box beim BoD-Bookshop ordern.

Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie unter knipsenundtexten.de im Netz.

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Laid Back – Der große J. J. Cale lebt nicht mehr

von Dirk Jürgensen ...

J. J. Cale

(Foto: „To Tulsa and back – On tour with J.J. Cale”)

Als ich mir 1974 sechzehnjährig kurz nach dem Erscheinen Eric Claptons „Ocean Boulevard 461“ kaufte und seine Coverversion Bob Marleys „I Shot the Sheriff“ ein Hit auf jeder Kellerparty war, wusste ich noch nicht, an wessen Sound Clapton dieses Album ganz bewusst angelehnt hatte. Er begründete mit der Verbreitung des Songs zwar Marleys Ruhm in der Welt, doch er vertrat mit dem kompletten Album den Stil eines anderen. Dieser Stil sollte später den Namen „Laid Back“ erhalten. Die Zusammenhänge blieben mir damals verborgen. Ebenso erschien mir das „After Midnight“ seiner ersten Soloscheibe als echter Clapton. Aber wer liest schon das Kleingedruckte? Zudem gehörte Clapton immer in meine ganz persönliche Allstar-Band neben anderen Helden der frühen Siebziger. … Nun ist der große J. J. Cale gestorben. Er wird vielen Musikliebhabern fehlen. WeiterlesenToll, wie J.J. Cale hier Eric Clapton verunsichert, bis dieser dann erst sehr spät „seinen“ Hit erkennt. (Ausschnitt aus dem herrlichen Dokumentarfilm To Tulsa and back von Jörg Bundschuh.)