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Svenja Gräfen – Radikale Selbstfürsorge – jetzt!

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Selbstfürsorge. Ein Thema, das mich seit meinem Klinikaufenthalt beschäftigt.

Svenja Gräfen – Radikale Selbstfürsorge – jetzt!

Ich könnte dieses Wort auch mit „Verantwortung für sein eigenes Wohlbefinden übernehmen“ übersetzen. Und weil das so ist, bedeutet der Ansatz von Svenja Gräfen, dass man ruhig ein wenig über den Tellerrand schauen darf. Denn sie behauptet, dass das Verändern negativer Glaubenssätze nicht aus dem System der Selbstausbeutung hinausführt, sondern einen schlicht nur neu konditioniert und wieder fit macht, um dann wieder daran zu kranken. Da ist durchaus etwas dran, denn manchmal ist man nicht selbst oder das eigene Denkmuster das Problem, sondern das System, in das man sich begibt. Klug also, wer das zu unterscheiden versteht und für sich die Situation ändern kann.

Dennoch läuft sich ihr Buch irgendwann tot, insbesondere wenn es um Aktivismus und Feminismus geht. Eine Leseempfehlung gebe ich trotzdem.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

Für alle hier besprochenen Bücher gilt: Unterstützt möglichst den lokalen Buchhandel!

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Mareike Fallwickl – Die Wut, die bleibt

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Mareike Fallwickls Buch „Die Wut, die bleibt!“ sei jeder Frau empfohlen.

Die Geschichte beginnt mit einem Schock. Ein Ehemann fragt nach dem Salz und seine Frau steht vom Tisch, an dem ihre ganze Familie, zwei kleine Jungs, ein halbwüchsiges Mädchen und der Mann, sitzen, auf und springt vom Balkon in den Tod.

Mareike Fallwickl - Bleibt

Doch nicht die Ursachenermittlung ist Thema des Buches – obwohl im Verlauf des Buchs die Intention der Ehefrau und Mutter sehr klar wird – sondern das, was die übriggebliebenen Frauen in dieser Geschichte anschließend tun. Was passiert, wenn eine Mutter fehlt, die Emotionen ihrer Kinder aufgefangen, begleitet und verarbeitet hat, für Kindeswohl, Haushalt und Gleichgewicht sorgte? Und wie ist das mit der Anerkennung für diese große Menge Arbeit, die Mütter und Hausfrauen, aber auch Frauen im Beruf mit und ohne Mann oder Kindern leisten? Wie vereinnahmend ist die Gesellschaft bei Aufgaben, die Frauen traditionell immer noch wahrnehmen? Wie tief unter der Haut sitzt die eigene Akzeptanz von (prekären) Umständen, in denen Frauen ganz selbstverständlich dienende, unterstützende, begleitende Aufgaben wahrnehmen? Warum wehren sich so wenige Frauen gegen Vereinnahmung, die sogar bis hin zum eigenen Körper reicht? Für wen und warum sind sie schlank, fit, immer da?

Da ist Sarah, erfolgreiche Autorin, die mit ihrem Freund in ihrem Haus lebt, das er ganz selbstverständlich okkupiert und von jetzt auf gleich für ein ganzes Jahr die Rolle der Toten einnimmt, sogar während der Woche ins Haus der Freundin einzieht. Johannes, der Ehemann, sorgt für das Finanzielle, ist aber ansonsten abwesend und hält es für selbstverständlich, dass eine Frau ihn inmitten des Chaos unterstützt. Er ignoriert alle anderen Bedürfnisse, bleibt in seiner angestammten Rolle genauso gefangen wie sie es ist. Meist, weil er es nicht anders kennt. Er marginalisiert, lächelt weg, hört nicht zu, entzieht sich, übt verbal Gewalt aus oder agiert als viertes Kind der Familie.

Und da ist Lola, Stieftochter von Johannes, die gemeinsam mit ihrer Freundin von Jungs verprügelt wird und sich für einen Selbstverteidigungskurs anmeldet. Eine junge Frau, die sich aufzulehnt, Sarahs Emanzipationsselbstverständnis in Frage stellt, sich Raum nimmt und ihn verteidigt, die nicht zurückweicht und sogar zurückschlägt, die die Verhältnisse umkehrt, die klar macht, wie sehr wir Frauen in den alten Mustern festsitzen und es nicht einmal bemerken.

Jede von uns kennt das Gefühl, zu leisten und keine Anerkennung zu erfahren, weil die Gemeinschaft diese Leistung für selbstverständlich hält. Der Chef fragt nicht den Kollegen, ob der Kaffee gekocht werden kann, sondern die Kollegin. Das Lob für den Erfolg erhält der Kollege, selbst wenn die Kollegin die Verursacherin ist. Wer als Frau dick ist und gerne isst, bekommt das Label fett und faul und das auch überall gesagt. Selbstoptimierung ist ein Muss, Demut eine selbstverständliche Haltung und Zweifel an sich selbst sowieso.

Fallwickl markiert die Übergriffigkeit der Gesellschaft. Auch wenn mir der Schluss etwas zu romantisierend daher kommt, vielleicht weil mir die hochgestreckte geballte Faust so sehr im Kopf war, während ich las, das Kämpferische, die Deutlichkeit so gut gefiel, es ist ein wichtiges, richtiges, großartiges Buch.

Lesen!

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Emilie Pine – Botschaften an mich selbst

„Auch wenn ich keine Angst davor habe, öffentlich zu reden oder als ehrgeizig wahrgenommen zu werden, was beides klassische berufliche Stolpersteine für Frauen sind, falle ich doch einem ähnlich tückischen Problem zum Opfer: Ich gebe meine Macht ab, indem ich ausweiche, indem ich sexistische Bemerkungen nicht thematisiere, verhalte ich mich so, als ob ich keine Feministin wäre. Und, ehrlich gesagt, ich habe es satt, Feministin zu sein. Ich habe es satt, dafür verantwortlich zu sein, Sexismus zu benennen UND zu beheben. Ich habe es satt, dass das so notwendig und so schwierig ist.“

Emilie Pine – Botschaften an mich selbst

Emilie Pines „Botschaften an mich selbst“ sind eine sehr aufrichtige Auseinandersetzung mit sich selbst, sind eine Hoffnung und gelegentlich Spiegel.

Manchmal musste ich die Luft anhalten, das Buch nimmt mich ziemlich mit. Unbedingt: Empfehlung!

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