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Zadie Smith – Intimations

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...
Zadie Smith – Intimations

Zadie Smith hat mit Kurzgeschichten während des Studiums angefangen und mit „May Anthologies“ ihren ersten Band veröffentlicht. Bekannt wurde sie allerdings mit „White Teeth“, das sie ebenfalls noch an der Uni schrieb. Ihr zweiter Roman „The Autograph Man“ war nicht ganz so erfolgreich, jedoch begann sie kurz danach mit ihrer ersten Essaysammlung „The Morality of the Novel“, mit denen sie bereits ihr Talent, auch in dieser Disziplin beweist. Ihr dritter Roman „On Beauty“ wurde für den Man Booker Prize nominiert und 2006 für den Orange Prize for Fiction ausgezeichnet. In der Folge schrieb sie wiederum eine ganze Reihe von hervorragenden Essays, bevor sie ihren Roman „NW“ veröffentlichte. Es folgten „swing Time“ und „Grand Union“.

Die sechs Essays im Band „Intimations“ von Zadie Smith wurden in der ersten Zeit des Lockdowns geschrieben und sind sehr berührend.

Was bedeutet es, sich einer neuen Wirklichkeit zu stellen oder auch sich ihr zu entziehen, dagegen anzukämpfen? Was ging wem wo in der Krise verloren, was gewannen wir an Erkenntnis und welche anderen Themen birgt diese Zeit, die durch die Pandemie eine weitere Nuance erfahren haben, nicht übersehen werden dürfen? Feminismus, Rasse, Klassenunterschiede, das Schicksal nächster Generationen und auch ganz persönliche Orte in Zadie Smith‘ Denken und Fühlen werden in großartige Texte verwandelt.

Empfehlung!

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Virginia Woolf – Ein Zimmer für sich allein

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Ein Zimmer für sich allein… welch ein Luxus und welche Lust!

Virginia Woolf – Ein Zimmer für sich allein

Virginia Woolfs Essay basiert auf zwei Vorträgen, die sie im Jahr 1928 am Girton College und am Newnham College, die beide zur Universität Cambridge gehörten, hielt. Hier studierten Frauen, allerdings bei männlichen Professoren. Die Vorträge wurden im Nachgang und für unterschiedliche Medien von Virginia Woolf nochmals überarbeitet. Um die Schwierigkeit, im Literaturbetrieb als Frau Fuß zu fassen, ja überhaupt schriftstellerisch tätig zu sein, geht es bei Virginia Woolf genauso, wie um die Notwendigkeiten und Voraussetzungen für ein literarisches Werk. In den 20er Jahren widmeten, und auch davon berichtet Virginia Woolfs Essay, sich immer mehr Frauen dem professionellen Schreiben und konnten zumindest mit einer gewissen Anerkennung rechnen, wenngleich sie ihren männlichen Kollegen immer noch nachstanden. Der Zugang zu gewissen Bibliotheken und Universitäten blieb ihnen versagt. Wer unter dem Namen einer Frau schrieb, wurde immer noch anders beurteilt, als ein Mann. Duncan Grant, der bis 1961 mit Vanessa Bell zusammenlebte, war als Maler wesentlich erfolgreicher als seine nicht weniger talentierte Freundin.

Virginia Woolf widmet sich diesen Missständen und betont, dass nicht nur Männern und Frauen gleiche Rechte, finanzielle Mittel und Räume bei der Schaffung von Kunst zugestanden werden müssen, sondern dass es keine Unterscheidung zwischen männlicher und weiblicher Kunst geben dürfe. Nur die androgyne Seele mit weiblichen und männlichen Anteilen ermögliche literarisches Genie, so Woolf. Ein eigener Raum zum Schreiben war lange Zeit keine Selbstverständlichkeit. In Wohnräumen der Häuser versammelte sich meist die gesamte Familie. Schriftstellerinnen wie die Brontës oder Jane Austen schrieben nicht im Verborgenen, sondern noch inmitten der familiären Turbulenzsphäre. Erst in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts durften Frauen eigenen Besitz haben, 1919 gestand man ihnen schließlich, nicht ohne, dass dafür Aktivistinnen auf die Straße gehen mussten, das Wahlrecht zu.

In Virginia Woolfs „Ein Zimmer für sich allein“ kommen die Frauen zu Wort. So spricht sie aus der Perspektive von Judith Shakespeare, der Tochter William Shakespeares, der sie schriftstellerisches Talent und einen Selbstmord andichtet. Die historische Figur war, so vermutet man, Analphabetin. Ihrer Judith jedoch unterstellt Virginia Woolf ein tragisches Schicksal, hätte sie ein Talent wie ihr Vater besessen. Sie wäre, so mutmaßt Woolf, erniedrigt worden und hätte sich anschließend das Leben genommen.

Woolf unterstellt, dass Frauen immer auch ihre Wut und ihre Verzweiflung über die Umstände mitschreiben. Man müsse unbelastet von äußeren Umständen und nicht aus einer männlich beeinflussten Sicht, sondern aus Perspektive und in Art und Weise der Frau über Frauen schreiben können. Dabei solle man nicht ihr Verhältnis zu Männern in den Mittelpunkt rücken, sondern das Leben von Frauen abbilden, wie es sonst nirgendwo beschrieben werde.

Virginia Woolf selbst verlegt sich in ihren Romanen oft auf Frauenfiguren und skizziert ihre Wahrnehmung. Zu ihrer Zeit gibt es an starken Frauenfiguren in Romanen noch sehr wenige, obschon ständig von Männern über Frauen geschrieben wird. Frauen seien in Schriften von Männern Mittel zum Zweck, Spiegel der Männlichkeit, von Männern genutzt, um ihre eigene Größe wiederzugeben.

Woolfs Blick fällt auf Schriftstellerinnen wie Aphra Behn, Christina Rossetti, Mary Carmichael, Dorothy Osborne, Jane Austen oder Emily Brontë oder Margaret Cavendish, wenn sie davon schreibt, dass es eine weibliche Literaturgeschichte gibt.

Virginia Woolfs Essay hat bis in die heutigen Tage nachgewirkt und die Frauenbewegung, die Frauenliteratur nachhaltig beeinflusst. Woolf wurde zur Ikone des Feminismus. „A Room for Ones Own“ ist ein Zeitzeugnis und als solches, so denke ich, auch zu lesen. Denn einige Dinge würde ich heute so nicht unterschreiben. So halte ich zum Beispiel die Wut für einen wichtigen Antrieb. Sie ist ein Teil der weiblichen Geschichte, die erzählt werden soll und muss. Denn auch heute leben Frauen in einer nach wie vor patriarchal geprägten Welt und dürfen nicht nur schreiben, sondern auch wütend sein und das zum Ausdruck bringen. Das ist Lebenswirklichkeit.

Mir wurde der männlich dominierte Literaturkanon vor rund zwei Jahrzehnten erst so richtig bewusst. Schon meine Leseliste während des Germanistikstudiums zeigte überwiegend Autoren. Autorinnen kamen dort oder in Vorlesungen, mit wenigen Ausnahmen, kaum vor. Ich las lange Zeit nahezu nur Bücher, die von Männern verfasst worden waren. Mein Leseverhalten hat sich inzwischen grundlegend geändert. Inzwischen haben Autorinnen sogar einen gewissen Überhang. Ich bin auf den Geschmack gekommen. Bei vielen alten Herren fällt durch die neue Perspektive ihre Haltung zu Frauen für mich mehr ins Gewicht. Manche mag ich daher gar nicht mehr lesen. Natürlich, so mag manch einer einwenden, muss man Romane auch im Kontext der Zeit lesen. Aber manche Zeiten sind einfach überholt.

Das Lesen von Autorinnen lege ich Männern besonders ans Herz. Wenn Ihr Frauen mal wieder nicht versteht, geht in die nächste Buchhandlung und deckt Euch ein. In diesem Sinne auch und trotz gewisser Umstände der Zeit – Empfehlung für Virginia Woolfs „A Room for Ones One“.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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