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Juli Zeh – Spieltrieb

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...
Juli Zeh – Spieltrieb

Sie hat einen Hang zum Verbotenen, so scheint es. Die Protagonistin Ada ist Schülerin an einem Gymnasium in Bonn. Sie gilt als Außenseiterin, ist intelligent und provokant. Dass sie sich überlegen fühlt, lässt sie ihr Umfeld spüren und legt sich mit dem Geschichtslehrer an. Sie schließt Freundschaft mit Olaf, einem Mitglied der Schülerband. Als sie diesen jedoch bloßstellt, zerbricht das Band zwischen ihnen. In ihrem zweiten Jahr auf dem Gymnasium erscheint ein neuer Mitschüler auf der Schule. Sie schließt sich dem drei Jahre älteren Alev an, bewundert ihn und liest, was er ihr an Lektüren weitergibt. Dazu gehört auch Material zur Spieltheorie, einer mathematische Annahme, bei der Entscheidungsituationen modelliert werden, in denen Teilnehmer miteinander interagieren. Ziel dieser Theorie ist es, Entscheidungen von Personen in Konfliktsituationen vorauszusehen. Ihr Experimentierfeld ist bald abgesteckt. Sie vergehen sich am Deutsch- und Sportlehrer Smutek, der Ada schon eine Weile allein beim Laufen begleitet. Ada hat dessen Frau vor dem Selbstmord aus einem See gerettet und wurde von Smutek anschließend nackt in eine warme Wanne gelegt. Ada verführt Smutek und das wöchentliche Stelldichein wird von Alev fotografisch dokumentiert. Smutek wird von Ada und Alev erpresst. Doch es kommt anders als gedacht.

Böse Bonny and Clyde-Geschichte. Leseempfehlung!

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Juli Zeh – Nullzeit

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Juli Zehs Roman „Nullzeit“ spielt auf der Urlaubsinsel Lanzarote. Berichtet wird einmal aus der Perspektive eines Tauchlehrers und aus der einer Urlauberin, die bei ihm und seiner Frau, die dort seit über einem Jahrzehnt gemeinsam eine Tauchschule mit angeschlossener Pension betreiben, Ferien macht. Die Urlauberin und ihr Mann verlieren sich in zerstörerischen Kämpfen. Der Tauchlehrer ergreift Partei und verliebt sich in die Urlauberin.

Juli Zeh – Nullzeit

Im Verlauf des Romans weichen die beiden Perspektiven – die Erzählung des Tauchlehrers und die Tagebucheintragungen der Urlauberin – immer mehr voneinander ab. Wir wissen nicht mehr, wer von beiden die Wahrheit erzählt.

Glänzend aufgebaut, spannend erzählt. Dicke Leseempfehlung!

Ergänzung und weil‘s mich so oft ärgert: Manch KritikerInnen vergreifen sich an Texten von Juli Zeh und lästern, es handele sich nicht um Literatur. Mir ist das ziemlich schnurz. Als ehemalige Buchhändlerin habe ich immer schon alles gelesen, was mir unter die Finger kam. Es galt, gut ist, was mir gefällt und das änderte sich, je nach Befindlichkeit, Alter und Lektüreerfahrung. Zwar gibt es auch bei mir gewisse Grenzen – wenn eine/r allzu sehr in die Klischee-Kiste greift, zum Beispiel – oder das Buch und ich einfach kein Paar werden wollen, ich mich nicht berührt fühle oder wenn es zu sehr aus der Zeit fällt, also beispielsweise ein Frauenbild wiedergibt, das mir gegen den Strich geht. Aber, wie Arno Geiger betont, man muss „mehr Alltägliches lesen, Zweitrangiges, Vorläufiges, Verworfenes“ und „das Alltägliche und Beiläufige zeigt uns … eher so, wie wir sind, nicht so wie wir gerne wären. Das Raue tritt in den Vordergrund, das unvermittelt Ehrliche, das Verzweifelte, das Niederträchtige, das Zärtliche, vermischt mit Unbeholfenheit“. Das hat mir sehr gefallen.

Juli Zehs Bücher bleiben dicht am Menschen. Ja, auch sie sind komponiert, bewusst konstruiert, auf ein Ziel aus und daher hinkt der Vergleich etwas. Was ich meine ist, es ist unnötig, Geschriebenes stets nur am Erreichen stilistischer Brillanz und Originalität zu messen. Nicht immer erfasst Hochliteratur, was Menschlichkeit ausmacht, verliert sich im intellektuellen Herumspinnen, liebt die Form mehr, als den Inhalt. Ja, Sprache kann LeserInnen Spaß machen. Das Handwerk kann begeistern. Ich schaue einer/m AutorIn gerne beim Jonglieren mit Worten zu. Die Geschichte aber, die erzählt wird, ist mindestens genauso wichtig. Dass mich ein Text im Innersten erreicht und in einen Dialog mit mir tritt. Hochgeistiges lässt viele Menschen zurück und es ist ein Unding, dass sich jene, die sich hier zugehörig fühlen, die die Techniken und Sprache dieser sogenannten Elite beherrschen, über alle anderen erheben. Wo ist ihre Fähigkeit zum Gespräch, zur Weitergabe ihres Wissens, über die üblichen Grenzen hinaus? Warum sehen sie nur Fehler, wo auch Essenz ist? Und warum ist ihre Sprache die alleinseeligmachende?

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Isabell Bogdan – Laufen

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...
Isabell Bogdan – Laufen

Von einem Tag auf den anderen ist alles anders. Der Lebensgefährte nimmt sich das Leben und da sie nicht verheiratet sind, wird ihr neben dem Partner auch das genommen, das sie an ihn erinnern kann. Das Umfeld, in dem sie gemeinsam lebten, die irdischen Güter, die sie miteinander teilten, denn darauf haben die Verwandten mehr Anrecht als sie. Die Verbindung wird brutal gekappt und ihr vor Augen geführt, dass sie allein, auf sich gestellt bleibt. Aber wie stehen? Wie sich bewegen, wenn der Boden fehlt? Denn der Boden unter den Füßen rutscht und so scheint es nur folgerichtig, dass sie ihn sich zurückerobert, indem sie zu laufen beginnt.

Es ist ein Weglaufen vor der Fassungslosigkeit und Trauer, vor der Wut, die sie empfindet, weil sie von einem auf den anderen Tag nicht mehr zu ihm gehört. Es ist ein auf Erkenntnis zulaufen. Sie erkämpft sich täglich jeden Meter und fühlt geistig, wie körperlich, dass ihre Kraft wächst. Sie lässt beim Laufen ihren Gedanken freien Lauf, stellt sich die Frage nach dem Warum. Wieso hat ihr Geliebter den Freitod gewählt? Inwieweit hätte sie es verhindern können? Wie kann sie, belastet mit dieser Erfahrung wieder ins Leben zurückfinden? Sie schafft es und hat selbst den allergrößten Anteil daran.

Lesempfehlung.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Åsa Larsson – Sonnensturm und Weiße Nacht

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Die Schriftstellerin und Juristin Åsa Larsson wuchs in Kiruna, der nördlichst gelegenen Stadt Schwedens auf. In ihren Kriminalromanen um die Anwälting Rebecka Martinsson greift sie auf ihre Biographie zurück. Ich habe die beiden ersten Romane der Autorin gelesen, „Sonnensturm“ und „Weiße Nacht“. Sie hängen thematisch zusammen, denn beide bewegen sich im Bereich schwedischer, freikirchlicher Vereinigungen.

Åsa Larsson – Sonnensturm und Weiße Nacht

Im Band „Sonnensturm“ wird der charismatische Leiter einer Freikirche ermordet. Rebecka Martinsson wird von dessen Frau um Unterstützung gebeten und gerät dadurch mitten hinein in die Machenschaften der Kirche und ihrer Führer. In der Vergangenheit war sie selbst ein aktives Mitglied dieser Kirche, wurde von einem leitenden Mitglied geschwängert und trieb das Kind ab. Das Töten des Embryos ist in den Augen der Religionsführer ein Mord, der sie aus der Gemeinschaft ausschließt und das Leben am Ort Ihrer Kindheit unmöglich macht. Sie flieht in die Stadt und verliert gänzlich ihren Glauben. Als sie schließlich zurückkehrt, ist sie nach wie vor nicht bei allen willkommen. Sie findet Zuflucht im Haus ihrer Großmutter, das sie geerbt hat und Zuspruch durch den alten Nachbarn Sivving. Ihre Freundin wird des Mordes angeklagt. Rebekka, die sicher ist, dass sie nicht die Täterin ist, macht sich auf eine gefährliche Spurensuche.

Im zweiten Band „Weiße Nacht“ kehrt Rebekka, seelisch aufgerieben, durch die hinter ihr liegenden Erfahrungen wieder nach Kiruna zurück. Die Kommissarin Anna-Maria Mela beschäftigt sich da bereits mit einem zweiten Mord, den an der Pastorin Mildred. Und auch wenn Rebekka versucht, sich aus allem herauszuhalten, gerät sie auch dieses Mal wieder mitten hinein in den Sog aus Tod und Verderben.

Was mir besonders gut gefällt, ist, dass hier Frauen das Wort haben und den Ton angeben. Sehr schöne, unterhaltsame Krimilektüre!

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Stefanie H. Martin, Die Liebenden von Bloomsbury – Band 2 – Vanessa Bell und die Bloomsbury-Group

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Im Nachwort des Buches „Die Liebenden von Bloomsbury – Vanessa“ über die Malerin Vanessa Bell verrät uns Stefanie H. Martin (Stefanie Hohn), dass es sehr wenig Quellen über diese faszinierende Frau gibt. Sie wurde im Laufe der Lektüre für mich zur eigentlichen Entdeckung aus der Trilogie um die Bloomsbury Group, zumal dieser zweite Band brillant komponiert ist.

Stefanie H. Martin, Die Liebenden von Bloomsbury – Band 2

Während ihre Schwester, Virginia Woolf, es als Schriftstellerin zu Weltruhm brachte, blieb ihr Dasein, obschon eine talentierte, schaffensreiche Malerin und facettenreiche Frau, im Schatten ihrer Lebensgefährten verborgen. Zu vermuten ist, dass ihr freizügiger Lebensstil ihr einen Makel verlieh, den eine patriarchal geprägte Gesellschaft bis hinein in unsere Zeit selten gelten lässt. Darüber hinaus gehörte Vanessa Bell nicht zu den KünstlerInnen, die viel Material über das eigene Leben hinterlassen haben. Einiges lässt sich ihren Briefen entnehmen, anderes den Schilderungen ihrer Schwester, es gibt ein paar spärliche Aufzeichnungen aus ihrer Feder (Sketches in Ink and Pen), außerdem gibt es eine Biographie von Frances Spalding.

Während über Virginia Woolfs Missbrauch in der Kindheit einiges an die Oberfläche drang, weiß man wenig darüber, wie es Vanessa erging. Stefanies Roman füllt diese Lücke. Sie führt aus, dass es auch Vanessa sehr wahrscheinlich ähnlich erging, wie ihrer Schwester. Sie heiratet ein anderes Mitglied aus dem Kreis der Bloomsburys, Clive Bell, mit dem sie zwei Kinder hat. Doch die Ehe ist nicht glücklich und so wenden sich beide Ehepartner anderen Menschen zu. Vanessa genießt die Zweisamkeit mit dem Maler Roger Fry und lebt nach Ende dieser Beziehung mit dem Künstler Duncan Gray zusammen. Dessen Vorliebe gilt allerdings Männern, was dem Zusammenleben der beiden aber keinen Abbruch tut. Vanessa nimmt Duncans Verhältnisse hin und leidet gelegentlich darunter, eine unter Vielen zu sein. Aus der Beziehung wird es einige Zeit später allerdings ein Kind, Angelica, geben, das Clive Bell auf Bitte von Vanessa als seines akzeptiert, um einen Skandal zu vermeiden.

Ohne Vanessa Bells Initiative und die ihres Bruders Toby hätte es die Bloomsbury Group wohl nie gegeben. Ohne ihr künstlerisches Tun möglicherweise manch Bild der anderen Künstler ihres Kreises nicht. Sie ist mindestens als gleichwertig anzusehen und doch gab es gerade mal eine Einzelausstellung mit ihren Werken. Angeblich tat sie sich bei der Entwicklung ihrer Bilder schwerer, als ihre Kollegen. Ich bin jedoch der Ansicht, dass jede Künstlerin, jeder Künstler seine oder ihre eigene Art hat, zu malen und sich auszudrücken. Das gilt sowohl für die Art des Erfassens und Skizzierens wie für die Umsetzung. Vanessa mag sich an anderen Malern gemessen haben.

In einer Zeit, in der gerade mal das Frauenwahlrecht eingeführt wurde, weibliche Studenten kaum Zugang zu Universitäten hatten und weniger Rechte als Männer, hat sie, trotz der widrigen Umstände, vieles bewegt, Initiative, Stärke und herausragendes Talent gezeigt, das leider viel zu wenig gewürdigt wurde. Erfreulich ist zumindest, dass es einige Bildbände mit Abbildungen ihrer Kunstwerke gibt.

Neben Vanessa kommt in diesem Band Virginia wieder zu Wort, die gemeinsam mit ihrem Mann die Hogarth Press betreibt und zwischen Erfolgen, gesellschaftlichen Entwicklungen und Selbstzweifeln zerrieben wird.

Ich konnte das Buch nur schwer aus der Hand legen, eine echte Steigerung zum bereits sehr guten ersten Band. Lesen!

Stefanie H. Martin, Die Liebenden von Bloomsbury – Band 1

Mehr über Stefanie Hohn aka Stefanie H. Martin unter www.zeilenraum.de

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Virginia Woolf – Ein Lesebuch

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Virginia Woolf war eine der außergewöhnlichsten AutorInnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ihre Belesenheit veranlasste sie zunächst dazu, Rezensionen für diverse Zeitschriften zu verfassen, bevor sie sich der erzählenden Literatur zuwandte. Sie erfuhr Missbrauch durch einen ihrer Stiefbrüder in der Kindheit und frühen Jugend und erkrankte an einer bipolaren Störung, die schließlich dazu führte, dass sie sich, befürchtend, in eine neue Episode der Depression zu verfallen, das Leben nahm.

Virginia Woolf – Ein Lesebuch

Sie verfasste mit „Ein Zimmer für sich allein“ einen Text, der wegbereitend für die folgende Frauenbewegung sein sollte und noch heute nichts an Aktualität verloren hat. Selbst dann nicht, wenn man von der ein oder anderen Forderung ihres Buches nicht überzeugt ist. Allein die Tatsache, dass sie sich der Thematik zuwandte und Frauen in ihrem Streben, eine gesellschaftlich relevante Position anzunehmen, unterstützte, war zukunftsweisend. Ihre Rolle, die sie gemeinsam mit ihrer Schwester Vanessa und ihrem Bruder Toby bei der Gründung der Bloomsbury Group einnahm, ist revolutionär zu nennen. Innerhalb der Gruppe wurden gesellschaftliche Konventionen über Bord geworfen, Ansichten und Beziehungen neu definiert, neue Lebens- und Kunstformen etabliert.

Virginia Woolfs Sprache ist unverwechselbar. Bildreich und verwoben erinnern mich ihre Romane und ihre Kurzprosa zuweilen an eine fein ziselierte Stickarbeit auf hauchdünnem Gewebe. Manchmal gerät ein Regenschauer darauf oder jemand zieht daran, bis es einen Riss gibt, den man wieder flicken muss. Als gäbe es immer einen kleinen Misston im Hintergrund eines flüssigen Musikstücks, eine lauernde Gefahr im hohen Gras eines Sommers.

Ihre Essays bedienen sich einer ähnlichen Couleur. Sie sind fokussiert, gelegentlich ironisch und gespickt mit Anspielungen und Metaphern. In ihren Tagebüchern und Briefen nimmt sie Bezug auf ihr tägliches Leben, beschreibt Landschaften, Erlebnisse, Zweifel und Verzweiflung und bekennt, dass sich Außen- und Innenleben manchmal eklatant unterscheiden.

Das vom S.Fischer-Verlag zusammengestellte Lesebuch erschien bereits 2006, ist aber immer noch zu haben. Versammelt sind Auszüge aus ihren Romanen, Tagebüchern, Briefen und eine Auswahl ihrer Essays und Kurzprosa. So erhält man einen kleinen Einblick in ihr Gesamtwerk. Die Romane nur in Auszügen zu lesen, ergab für mich wenig Sinn. Für den ersten Eindruck ihres Schreibens sind sie sicher hilfreich. Allerdings nehmen sie fast die Hälfte des Buches ein. Das Lesebuch beginnt mit ihnen und so wird mancher Leser erst gar nicht bis zu den für dieses Format weitaus geeigneteren Texten gelangen, da die Unvollständigkeit enttäuscht. Wenn man sich damit zufrieden gibt, eine schöne Auswahl an Texten für den Einstieg vor sich zu haben, ist es genau dafür gut genug.




William Styron – Sturz in die Nacht

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Ich hatte zuvor noch nie von William Styron gehört. Er kommt aus der Generation meines Vaters und schrieb in der Tradition des amerikanischen Südens. Er arbeitete als Lektor beim MCGraw-Hill-Verlags und lebte eine Zeitlang in Rom und Paris. Neben Romanen schrieb er Essays und Kritiken. Für „Die Bekenntnisse des Nat Turner“ erhielt er im Jahr 1968 den Pulitzer-Preis. Er starb 2006 auf Martha‘s Vineyard an einer Lungenentzündung.

William Styron – Sturz in die Nacht

Bei „Sturz in die Nacht“ handelt es sich um autobiographische Notizen, in denen er sich mit seiner Depressionserkrankung auseinandersetzt.

Nachdem ich mit Matt Haig, „Gute Gründe am Leben zu bleiben“ schon ein wirklich gutes Buch zum Thema Depression gelesen habe, folgte mit William Styron „Sturz in die Nacht“ ein weiteres.

„Was meine Depression verursacht hat, werde ich wohl nie herausfinden, wahrscheinlich auch kein anderer bei der seinen. Das wird mit ziemlicher Sicherheit auch in Zukunft nicht möglich sein, weil die miteinander verwobenen Faktoren von anormalem Verhalten, annormaler Chemie und Genetik zu komplex sind. Offensichtlich sind mehrere Komponenten beteiligt – vermutlich drei oder vier, wahrscheinlich sogar noch mehr, und das in unergründlicher Permutation“.

Styron war über 40 Jahre lang dem Alkohol gegenüber nicht abgeneigt und betrachtete ihn als Notwendigkeit, um seine Kreativität erst lebendig zu machen. Von einem Tag auf dem anderen jedoch vertrug er ihn nicht mehr, empfand Ekel und Übelkeit, wenn er davon trank. Ob nun Alkohol als Stimulanz oder Auslöser wirkte, unbewusstes Mittel gegen die schon früh existierenden Ängste war, vermag Styron nicht zu entschlüsseln. Jedoch verspürt er, nachdem das Suchtmittel weg bleibt, kurz darauf er die ersten Anzeichen einer Depression umso deutlicher. „Ohne Zweifel hatte die Depression schon seit Jahren über mir geschwebt und auf einen geeigneten Moment gelauert, um endlich zuzustoßen. Jetzt befand ich mich im ersten Stadium des schwarzen Orkans der Depression – eine Warnung, wie ein Wetterleuchten… Ich fühlte mich benommen, überstrapaziert, vor allem merkwürdig gebrechlich, als wäre mein Körper tatsächlich zerbrechlich, überempfindlich geworden, irgendwie verrenkt und ungelenk, ohne die gewohnte Koordination in der Bewegung. Und bald war ich in den Kampf mit einer alles durchdringenden Hypochondrie verstrickt. Körperlich war ich nicht allein. Wie immer war Rose bei mir und hört mit nie nachlassender Geduld meine Beschwerden an. Dennoch spürte ich eine grenzenlose, schmerzhafte Einsamkeit.“

Sein Zustand verschlimmert sich, wird lebensbedrohlich, weil ihn Gedanken an einen Selbstmord ihn heimsuchen und Styron seziert in diesem Buch Schritt für Schritt, wie er versucht, der Dunkelheit trotzdem zu entkommen. Er begibt sich schließlich in eine Klinik. Und es gelingt ihm tatsächlich. Und so kann er schließlich sagen: „Doch braucht man keine flaschen oder übertriebenen Töne anzuschlagen, um der Wahrheit Nachdruck zu verleihen, dass die Depression nämlich nicht zwangsläufig die Auslöschung der Seele bedeutet: Männer und Frauen, die sich von der Krankheit wieder erholt haben – und es sind unzählig viele – legen Zeugnis ab für die wahrscheinlich einzig positve Eigenschaft der Depression: Sie kann besiegt werden.“




Sophie Passmann – Alte weiße Männer

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Sophie Passmann ist „special“. Ich mag sie. Ich mag ihre Insta-Stories und ihre coole Schnauze. Und ich hatte Freude an ihrem Buch „Alte weiße Männer“.

Sophie Passmann – Alte weiße Männer

Es ist ein Buch über eben jenes Bild des „alten, weißen Mannes“. Wer kennt ihn nicht? Er weiß alles besser, lässt Frauen den Kaffee kochen und beschwert sich, wenn sie die sogenannten „gesellschaftlichen Erwartungen“ nicht erfüllt. Er hat eine feste Vorstellung davon, wie frau auszusehen hat und mokiert sich über solche, die dem „gesellschaftlichen Ideal“ nicht entsprechen. Gendern und Quoten findet er total überflüssig und Frauenrechte für längst etabliert. Und natürlich sind Frauen mit Minirock selbst schuld, wenn sie Übergriffen von Männern ausgesetzt sind. Die Liste lässt sich erweitern. Endlos.

Aber unter all den Männern gibt es doch auch solche, die anders denken. Oder?

Sophie Passmannmacht die Probe aufs Exempel. Streiflichter. Humorvoll. Klug. Eine Spurensuche und ein sehr persönlicher Blick, eine Randomauswahl von Männern, Dokumentation und Kommentar zu ihrer Einstellung zu feministischen Positionen und Männer-Selbstbild.

Very nice!

Ergänzung zu Passmann… der Langhans… anhaltendes Augenrollen. Was für ein selbstgefälliger Idiot!

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Siri Hustvedt – Gleißende Welt

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Ich bin Hustvedt-Fan. Auch dieses Buch, „Gleißende Welt“, hat mich durchaus gepackt, zumal die Form mir zunächst suggerierte, es mit einer Dokumentation zu tun zu haben. Weder Ethan, Maisie Ford noch Harriet Burden, die Protagonistin, aber hat es tatsächlich gegeben.

Siri Hustvedt – Gleißende Welt

„Gleißende Welt“ so lautet auch der Titel eines Romans von Margaret Cavendish, die als eine der ersten Frauen überhaupt bereits im 17. Jahrhundert ihre Schriften unter eigenem Namen veröffentlichte. Sie ist das Vorbild und Idol für die Hauptfigur Harriet Burden. Sie ist Witwe eines New Yorker Galeristen, der in der Kunstszene eine Berühmtheit ist. Sie stand stets im Schatten ihres Mannes, obschon selbst intellektuell und künstlerisch hochtalentiert. Harriet wagt schließlich ein Experiment – wäre ihre Kunst anerkannter, würde sie unter dem Namen eines Mannes ausstellen? Mit Einverständnis einiger Künstler leiht sie sich deren Namen aus und plant, jeweils nach den Ausstellungen an die Öffentlichkeit zu gehen und zu beweisen, dass die Art der Betrachtung den Erfolg bestimmt. Wahrnehmung sei subjektiv. Ihre These: Betrachtet wird normativ. Frauen kommen nicht vor. Sie setzt diesen Plan jedoch nicht um und hat in einem ihrer Auserwählten einen Gegner, der das Spiel einfach umdreht. Sie unterwirft sich schließlich den von ihr ausgewählten Personen und stirbt letztendlich zwar mit Verweigerung auf den Lippen, aber in Begleitung eines Mannes, der ihr in Liebe zugetan ist und alles ja vorher schon gewusst hat. „Ich habe es Dir ja gesagt!“.

Spannendes Sujet, Vermittlung eines Gefühls, das Frauen kennen dürften. Manchmal, fürwahr, könnte man die Künstlerin kräftig in den Hintern treten.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Karen Köhler – Miroloi

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Ich mochte das Buch, trotz seiner vorhandenen, nicht zu übersehenden Lücken und gelegentlicher Ungenauigkeiten.

Karen Köhler – Miroloi

Eine Frau lebt als Außenseiterin auf einer archaisch strukturierten Gesellschaft. In 128 Strophen wird ihr Leben als Namenlose erzählt. Männer dominieren Frauen, züchtigen und vergewaltigen in dieser von der sonstigen Welt völlig abgeschotteten Enklave. Weibliche Bildung darf nicht sein. Und doch schafft es jene Frau ohne Namen, das Lesen und Rechnen zu lernen und aus dieser Gesellschaft auszubrechen. Die Sprache der jungen Frau ist rudimentär und so ist auch die Sprache des Buches die ihre. Ihr Blick auf die Welt ist durchzogen von Brüchen, kindlicher Wahrnehmung und bis zum Schluss das Manifest einer Zurückgelassenen, Ausgestoßenen.

Leichte Unterhaltung mit einer interessanten Färbung.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Jenny Lecoat – Die Übersetzerin

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Manchmal muss es was richtig schmalziges, ohne allzu großen Anspruch sein. „Die Übersetzerin“ von Jenny Lecoat ist so ein Schinken, den ich mir als Hörbuch auf der Fahrt zur Arbeit angetan habe.

Jenny Lecoat – Die Übersetzerin

Die Anschaffung als Buch lohnt wahrlich nicht, obschon die Geschichte ihren Zweck rundum erfüllt. Eine Prise Liebe, Suspense und Moral zum Würzen und ein bisschen Historie als Sahnehäubchen obendrauf – die Klischees sitzen, Gut und Böse sind klar erkennbar und natürlich gibt’s ein Happy End.

Hedy flieht als Jüdin, von den Nazis verfolgt, nach Jersey. Die Kanalinseln aber werden bald schon besetzt und so beginnt, nach anfänglichen Versuchen im Widerstand, ein Leben im Verborgenen, bis zur Befreiung. Warum allerdings der Verlag aus dem Originaltitel „Hedy’s War“ „Die Übersetzerin“ macht, ist nicht so recht nachzuvollziehen, da er simpel den Beruf der Protagonistin beschreibt, der für den Plot keine Rolle spielt.

Empfehlung? Nun ja – wenn man einen Abschaltknopf für die Krise braucht, ist die Geschichte, trotz der ernsten Historie, perfekt.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Quentin Bell – Virginia Woolf

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Quentin Bell, Kunsthistoriker, Schriftsteller, Maler und Keramiker schreibt in dieser Biographie über Virginia Woolf, seine Tante. Er ist der Sohn der Malerin Vanessa Bell und des Kunstkritikers Clive Bell. Die Biographie entstand Anfang der 70er Jahre, als Bell in seinen 60ern ist.

Quentin Bell – Virginia Woolf

Nun kann man wohl keine Biographie am Tatsächlichen messen. Immer ist sie Interpretation eines Lebens, gemischt mit zusammengetragenen Fakten und Aufzeichnungen, hier zweifellos auch mit Erinnerung und persönlicher Wahrnehmung. Sehr oft habe ich mich gefragt, wie es gewesen wäre, hätte die Nichte die Biographie geschrieben. (Es gibt nicht nur ein Buch von Angelica Garnett, allerdings geht es in ihren Schriften um ausgewiesen persönliche Erinnerungen an Charleston House und das Leben in einer Künstlerfamilie.) So kann man beispielsweise das Verhältnis zu Vita Sackville-West auch aus konträrer Perspektive betrachten und ihm mehr Bedeutung geben. Das tut Bell nicht.

Auch der Missbrauch durch den Bruder in der Kindheit wird nur touchiert, nahezu verharmlost. Das tragische Ende im Selbstmord zitiert den Brief an den Ehemann und schließt damit.

Dennoch ein Buch, das viel Stoff liefert und die Lektüre lohnt. Die einseitig männliche Perspektive von jemandem, der 1910 geboren wurde, sollte man dabei im Hinterkopf behalten.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Virginia Woolf – Ein Zimmer für sich allein

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Ein Zimmer für sich allein… welch ein Luxus und welche Lust!

Virginia Woolf – Ein Zimmer für sich allein

Virginia Woolfs Essay basiert auf zwei Vorträgen, die sie im Jahr 1928 am Girton College und am Newnham College, die beide zur Universität Cambridge gehörten, hielt. Hier studierten Frauen, allerdings bei männlichen Professoren. Die Vorträge wurden im Nachgang und für unterschiedliche Medien von Virginia Woolf nochmals überarbeitet. Um die Schwierigkeit, im Literaturbetrieb als Frau Fuß zu fassen, ja überhaupt schriftstellerisch tätig zu sein, geht es bei Virginia Woolf genauso, wie um die Notwendigkeiten und Voraussetzungen für ein literarisches Werk. In den 20er Jahren widmeten, und auch davon berichtet Virginia Woolfs Essay, sich immer mehr Frauen dem professionellen Schreiben und konnten zumindest mit einer gewissen Anerkennung rechnen, wenngleich sie ihren männlichen Kollegen immer noch nachstanden. Der Zugang zu gewissen Bibliotheken und Universitäten blieb ihnen versagt. Wer unter dem Namen einer Frau schrieb, wurde immer noch anders beurteilt, als ein Mann. Duncan Grant, der bis 1961 mit Vanessa Bell zusammenlebte, war als Maler wesentlich erfolgreicher als seine nicht weniger talentierte Freundin.

Virginia Woolf widmet sich diesen Missständen und betont, dass nicht nur Männern und Frauen gleiche Rechte, finanzielle Mittel und Räume bei der Schaffung von Kunst zugestanden werden müssen, sondern dass es keine Unterscheidung zwischen männlicher und weiblicher Kunst geben dürfe. Nur die androgyne Seele mit weiblichen und männlichen Anteilen ermögliche literarisches Genie, so Woolf. Ein eigener Raum zum Schreiben war lange Zeit keine Selbstverständlichkeit. In Wohnräumen der Häuser versammelte sich meist die gesamte Familie. Schriftstellerinnen wie die Brontës oder Jane Austen schrieben nicht im Verborgenen, sondern noch inmitten der familiären Turbulenzsphäre. Erst in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts durften Frauen eigenen Besitz haben, 1919 gestand man ihnen schließlich, nicht ohne, dass dafür Aktivistinnen auf die Straße gehen mussten, das Wahlrecht zu.

In Virginia Woolfs „Ein Zimmer für sich allein“ kommen die Frauen zu Wort. So spricht sie aus der Perspektive von Judith Shakespeare, der Tochter William Shakespeares, der sie schriftstellerisches Talent und einen Selbstmord andichtet. Die historische Figur war, so vermutet man, Analphabetin. Ihrer Judith jedoch unterstellt Virginia Woolf ein tragisches Schicksal, hätte sie ein Talent wie ihr Vater besessen. Sie wäre, so mutmaßt Woolf, erniedrigt worden und hätte sich anschließend das Leben genommen.

Woolf unterstellt, dass Frauen immer auch ihre Wut und ihre Verzweiflung über die Umstände mitschreiben. Man müsse unbelastet von äußeren Umständen und nicht aus einer männlich beeinflussten Sicht, sondern aus Perspektive und in Art und Weise der Frau über Frauen schreiben können. Dabei solle man nicht ihr Verhältnis zu Männern in den Mittelpunkt rücken, sondern das Leben von Frauen abbilden, wie es sonst nirgendwo beschrieben werde.

Virginia Woolf selbst verlegt sich in ihren Romanen oft auf Frauenfiguren und skizziert ihre Wahrnehmung. Zu ihrer Zeit gibt es an starken Frauenfiguren in Romanen noch sehr wenige, obschon ständig von Männern über Frauen geschrieben wird. Frauen seien in Schriften von Männern Mittel zum Zweck, Spiegel der Männlichkeit, von Männern genutzt, um ihre eigene Größe wiederzugeben.

Woolfs Blick fällt auf Schriftstellerinnen wie Aphra Behn, Christina Rossetti, Mary Carmichael, Dorothy Osborne, Jane Austen oder Emily Brontë oder Margaret Cavendish, wenn sie davon schreibt, dass es eine weibliche Literaturgeschichte gibt.

Virginia Woolfs Essay hat bis in die heutigen Tage nachgewirkt und die Frauenbewegung, die Frauenliteratur nachhaltig beeinflusst. Woolf wurde zur Ikone des Feminismus. „A Room for Ones Own“ ist ein Zeitzeugnis und als solches, so denke ich, auch zu lesen. Denn einige Dinge würde ich heute so nicht unterschreiben. So halte ich zum Beispiel die Wut für einen wichtigen Antrieb. Sie ist ein Teil der weiblichen Geschichte, die erzählt werden soll und muss. Denn auch heute leben Frauen in einer nach wie vor patriarchal geprägten Welt und dürfen nicht nur schreiben, sondern auch wütend sein und das zum Ausdruck bringen. Das ist Lebenswirklichkeit.

Mir wurde der männlich dominierte Literaturkanon vor rund zwei Jahrzehnten erst so richtig bewusst. Schon meine Leseliste während des Germanistikstudiums zeigte überwiegend Autoren. Autorinnen kamen dort oder in Vorlesungen, mit wenigen Ausnahmen, kaum vor. Ich las lange Zeit nahezu nur Bücher, die von Männern verfasst worden waren. Mein Leseverhalten hat sich inzwischen grundlegend geändert. Inzwischen haben Autorinnen sogar einen gewissen Überhang. Ich bin auf den Geschmack gekommen. Bei vielen alten Herren fällt durch die neue Perspektive ihre Haltung zu Frauen für mich mehr ins Gewicht. Manche mag ich daher gar nicht mehr lesen. Natürlich, so mag manch einer einwenden, muss man Romane auch im Kontext der Zeit lesen. Aber manche Zeiten sind einfach überholt.

Das Lesen von Autorinnen lege ich Männern besonders ans Herz. Wenn Ihr Frauen mal wieder nicht versteht, geht in die nächste Buchhandlung und deckt Euch ein. In diesem Sinne auch und trotz gewisser Umstände der Zeit – Empfehlung für Virginia Woolfs „A Room for Ones One“.

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Tineke Hendriks – De zee, de zee alleen

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Ich hatte noch nie von Betzy Akersloot-Berg gehört.

Tineke Hendriks – De zee, de zee alleen

Die Malerin von Seestücken war Pflegerin auf Spitzbergen, ging, da Frauen das Kunststudium nicht erlaubt war und als Liebhaberei galt, bei vielen Malern in die Lehre, um es ihren männlichen Zeitgenossen mindestens gleichzutun. Das gelang ihr. Sie gewann an Bekanntheit, wurde prominent ausgestellt und verkaufte ihre Bilder gut. Für ein gelungenes Bild ging sie schon mal mit auf Walfischjagd oder setzte sich bei Wind und Wetter mit Südwester, Pinsel und Palette in eine Kiste, um die stürmische See einzufangen.

Sie unterstützte das Frauenwahlrecht und damit die erste Frauenbewegung der Suffragetten und führte eine gleichberechtigte Ehe mit ihrem Mann. Auf Vlieland schließlich fand sie trotz vieler Reisen in Tromp’s Huis ein eigenes Heim und Atelier, in dem sie bis zu ihrem Tod, 1922 lebte und arbeitete.

Tineke Hendriks Buch „De zee, de zee alleen“ über die norwegische Malerin, die in den Niederlanden ihren Dreh- und Angelpunkt fand, war schön, spannend, fundiert.

Für alle, die Niederländisch sprechen, denn leider gibt es für das Buch noch keine Übersetzung. Ich fürchte aber, hierzulande auch keinen Markt.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Marianne Gilbert Finnegan – Das gab‘s nur einmal

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...
Marianne Gilbert Finnegan – Das gab‘s nur einmal

Marianne Gilbert Finnegans Buch „Das gab’s nur einmal“ über ihr Leben als jüdischer Flüchtling Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre in New York reizte mich sehr.

Jedoch enttäuscht das Buch: Es ist ein bisschen wie das Instagram-Account einer höheren Tochter mit Profilneurose. Es wird über den Sonntagsbraten und das Nähtalent der Mutter weit häufiger geredet, als über die politische Lage der damaligen Zeit.

Insgesamt nette Erinnerungen mit wenig Fundament, selbst bei dem Background.

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

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Leïla Slimani – Der Duft der Blumen bei Nacht

von Maria Jürgensen (Marie van Bilk) ...

Was für ein wundervolles, kleines Buch! Ich mag, wie Leïla Slimani schreibt, ihren Blick, ihre Gedanken und fühle mich ganz dankbar für „Der Duft der Blumen bei Nacht“.

Eine Schriftstellerin verbringt eine Nacht eingeschlossen im Museum Punta della Dogana in Venedig, dem einstigen Zollgebäude der Stadt. Sie erinnert sich, schreibt ein bisschen über Kunst und was sie auslöst, ganz viel übers Leben und auch übers Schreiben.

Slimani besschreibt Episoden ihrer Kindheit in Rabat, vom anschließenden Leben in Frankreich, in Paris. Sie berichtet vom Leben als Französin, die immer wieder auf ihre Wurzeln gestoßen wird, zwischen den Kulturen lavieren, sich erklären muss.

Leïla Slimani – Der Duft der Blumen bei Nacht

Sie spricht über Frauenrechte und ihre Beziehungen zum Vater, über das Schreiben und gesellschaftliche Verantwortung. Ist nun eines meiner Lieblinge. Sehr fein!

© Marie van Bilk/Maria Jürgensen – Veröffentlichungen, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

Für alle hier besprochenen Bücher gilt: Unterstützt möglichst den lokalen Buchhandel!

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