Ausgelesen – Lektüren

Kurzrezensionen

Besprechungen von Büchern, wie sie zu großen Teilen bereits auf Facebook zu finden sind und waren, jetzt hier zum Nachlesen.

Auch Popstars bluten

Mörder zwischen Schein und Sein

Freude am Denken. Connie Palmen hat schon früh ihre Freude am Denken gepflegt. Ein wacher Geist ist ihr eigen, der sich bereits während ihrer Schulzeit in ihrem starken Interesse für Literatur und Philosophie äußert. Ihre Leidenschaft in Kindertagen gilt der Religion und so hegt sie gar den Wunsch, Priester zu werden. Der Aufenthalt in einer Klosterschule, die Begegnung mit dem Existentialismus, den Schriften Jean Paul Sartres und Foucaults belehren sie eines Besseren. Während ihres Studiums in Amsterdam entstehen ihre ersten Erzählungen, die in „De held“ und „Optima“ veröffentlicht werden. Mit ihrem ersten Roman „De wetten“ (Die Gesetze) gelingt ihr 1991 der große Durchbruch. Das Buch wird in 7 Sprachen übersetzt. Connie Palmens Erzählweise verquickt Fiktives und Philosophisches und versetzt den Leser durch die Art und Weise, wie sie das tut, in die Position eines direkten Gegenübers, von dem jedoch keine Antwort erwartet wird. Große Themen wie Liebe und Tod, Sinnhaftigkeit, Sucht und Sinnlosigkeit finden ihren Niederschlag und vermitteln oft den Eindruck, die Autorin schreibe über sich selbst. Autobiographisches ist sicher nicht zu leugnen. In welchem Ausmaß individuelles Erleben hier Einzug gehalten hat, bleibt jedoch Connie Palmens Geheimnis und ist zweifellos für die Deutung nur peripher von Bedeutung. Rezensenten und Kritiker sind ähnlicher Ansicht.  Weiterlesen

El Negro und ich

Frank Westermans Buch über Abgründe und Einsichten

El Negro en ikFrank Westermans obskure Begegnung mit einem ausgestopften, in einem Museum zur Schau gestellten Menschen – ja, sie lesen richtig! – seine Neugierde auf dessen Geschichte und die Umstände dieses barbarischen Akts lassen den Leser nicht los. Das Buch ist nun endlich auch in Deutschland erschienen, nachdem es in den Niederlanden ein Bestseller war. Dabei ist es nicht nur die eigene niederländische (Kolonial-)Geschichte, die Neugierde und abstraktes Interesse weckt. Schade, dass der deutsche Verlag Ch.Links auf das „… und ich“ im Titel verzichtet hat. „El Negro en ik“ lautet er im Original und gerade diese persönliche Komponente, die Auseinandersetzung mit dem individuellen Blick auf den Umgang mit Menschen anderer Kulturen, Hautfarben, Rassen, und damit unser Verständnis von uns selbst und unseren Mitmenschen sind wesentlicher Bestandteil dieses Buches. Hier liegt seine Bedeutung und Faszination. Hier werden episodenhaft und spannend Denkanstöße geboten, um den Rassismus an seinen Wurzeln zu packen. Weiterlesen

Frank Westermans Ararat

Die Pilgerreise eines Ungläubigen

Ararat Frank Westerman ist ein Ungläubiger, ist er folglich auch ein Gottloser? Dass ihm Dogmen, unkritische Betrachtung und bedingungslose Unterwerfung zuwider sind, erkennt man rasch beim Lesen seines neuen Buches „Ararat“. Individualismus und Selbstverantwortung zu unterstützen, ist Frank Westerman wichtiger, als Maximen irgendwelcher Glaubensrichtungen zu folgen, die leider nur zu oft zu Gewalt und Ausgrenzung Andersdenkender führten und es bis heute noch tun. Eine außerhalb des Menschen stehende Macht oder überhaupt jemand anzuerkennen, die oder der das gegebenenfalls forderte, lehnt er ab.
Doch gibt es da noch mehr. „Am Anfang war das Wort und das Wort kam von Gott…“ und jede Menge Geschichten, die sich in einem Buch namens „Bibel“ wiederfinden. Mit ihr und diesen Geschichten ist er in einer protestantischen Familie im niederländischen Emmen aufgewachsen. Von sich selbst sagt er, dass er trotz Glaubensverlust kein Atheist sei. „‚Gott gibt es nicht‘, wird man mich nicht verkündigen hören. Die Nicht-Existenz eines höchsten Wesens ließ sich nicht beweisen, und der Dogmatismus der Atheisten schreckte mich genauso ab wie der Eifer der Gläubigen.“ Weiterlesen

Frank Westerman antwortet – Interview (Deutsch/Nederlands)

El Negro – kein Freak, sondern Metapher und Führer durch zwei Jahrhunderte

Frank WestermanIn „El Negro“ beschreiben Sie sehr eindrücklich Ihre eigene Entwicklung von jemandem, der aus Überzeugung und einer mitfühlenden Weltbetrachtung helfen will, zu jemandem, der Beschreibung, Betrachtung, Aufklärung vorzieht. Der Leser erfährt, dass Ihre Einstellung sich ändert, sie als Europäer den Anspruch „es besser zu wissen“ und Systeme an das eigene anzupassen, für falsch halten. „El Negros“ Schicksal berührt, insbesondere, weil es schwerlich nur im Rahmen einer tragischen Kolonialgeschichte zu sehen ist, sondern bis ins 21. Jahrhundert die fehlende Einsicht von Menschen erkennen lässt. Er wird damit zum mahnenden Symbol. Glauben Sie, Ihre Leser werden durch dieses Buch eher begreifen, worum es geht? Weiterlesen

Herman Koch hat angerichtet!

Das Untier oder der Mensch ist sich selbst der größte Feind

angerichtet Het Diner heißt der Roman des niederländischen Autors Herman Koch, der seit August in deutschen Buchhandlungen zu haben ist. Die korrekte Übersetzung des Titels lautet Das Dinner. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch hat einen anderen, nämlich Angerichtet gewählt und gut daran getan. Denn um das, was Menschen anrichten können, geht es nicht nur in kulinarischer Hinsicht. „Na, Mahlzeit!“, könnte manch einer ganz passend nach Lektüre des Buches ausrufen. Denn Herman Kochs Erzählweise ist perfide. Ganz zielgerichtet nutzt er das Vertrauen des Lesers in den doch so scheinbar harmlosen, subtil misanthropischen Ich-Erzähler, Paul Lohman aus, um ihn mit dessen wahren, verborgenen Selbst und dem Charakter seiner Familienmitglieder, aber auch mit verleugneten dunklen Seiten des Menschen zu konfrontieren und zu schockieren. Ist der Mensch sich selbst der größte Feind und wer trägt Schuld an diesem Dilemma? Es geht um viel: Den Wert des Lebens, um (Un)moral, um falsch verstandene und bedingungsvolle, selbstbespiegelnde Liebe, Sprachlosigkeit und den Ursprung von Gewalt. Paul Lohman und seine Frau Claire bemühen sich aus aktuellem, dem Leser nicht gleich ersichtlichen Anlass, zu einem Dinner mit dem berühmten Politiker und Bruder des Hauptprotagonisten Serge Lohman und dessen Frau Babette. „Wir müssen über unsere Kinder reden,“ sagt Serge Lohman zu seinem Bruder. Doch bis es dazu kommt und sich alle Details der schrecklichen Tat auffächern, nimmt der Leser teil am Aperitif, der Vorspeise, dem Hauptgang, Dessert, Digestif, und letztendlich zahlt auch er einen Teil der Rechnung. Das Fünfgängemenü lässt an den Aufbau einer klassischen Tragödie denken. Gar Einheit von Zeit, Ort und Handlung werden gewahrt und das trügerische Stück lässt auch eine sich steigernde Spannung bis zum Untergang nicht vermissen. Weiterlesen

Jessica Durlacher – Auf der Suche nach der eigenen Identität

Emoticon – eine Lesung auf der lit.Cologne

Jessica DurlacherÜberraschend schüchtern wirkt sie, die hübsche, blonde Frau, die, ihr Buch in der Hand, die Bühne betritt, erst einmal schweigt und Michael Hirz über sich erzählen lässt.
Jessica Durlacher begann als Literaturkritikerin für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, bevor sie es Vater und Mann gleichtat und sich an den Schreibtisch setzte, um ihr erstes Buch zu verfassen. 1997 erschien es und trug den Titel Het geweten (Das Gewissen). Drei Jahre später folgt De dochter (Die Tochter). Emoticon kommt in den Niederlanden im Jahre 2004 heraus und ist nun auch auf Deutsch im Diogenesverlag zu haben. Oft setzt sich Jessica Durlacher mit dem Judentum auseinander. Ihr Vater, Gerhard Durlacher, kehrte als einziger Überlebender aus dem KZ zurück und verarbeitete seine Erlebnisse erst sehr spät in Büchern und in seiner Arbeit als Soziologe. Das Verhältnis zum Vater ist der Autorin ein wesentliches. Unverkennbar tauchen ihre Erlebnisse, Emotionen und Prägungen in ihren Werken wieder auf. Als man sie später am Abend aus dem Publikum fragen wird, warum ihre Bücher alle einen jüdischen Hintergrund haben und sie vornehmlich die jüdische Erfahrungswelt beschreibt, antwortet sie: „Ich glaube, man kann doch am Besten über das schreiben, was man kennt und erlebt hat.“ Das Biografische werde auch die zukünftigen Bücher unweigerlich bestimmen. Das neueste, noch nicht auf Deutsch erschienene Buch handele von ihrem Großvater, der Opernsänger gewesen und im KZ aufgetreten sei. Sie habe viel recherchiert, Archive gesichtet, Briefe gelesen. Es werde ein sehr persönliches Buch. Weiterlesen

Margriet de Moor – Sturmflut auf der Lit.Cologne

Walter van Rossum lernt Niederländisch und lässt den Regen prasseln

Margriet de MoorSie hat Witz, das ist unverkennbar. Eine agile, schlanke Frau mit roten, leuchtenden Haaren betritt gemeinsam mit ihrem Moderator, dem Literaturkritiker und Autor Walter von Rossum das Podium der Lit.Cologne im Museum Ludwig und lächelt verschmitzt, schaut offen in die Augen des erwartungsvollen Publikums. Sie ist die Bühne gewöhnt. Ihr Deutsch ist perfekt. Walter van Rossum stolpert zu Beginn seiner Vorstellung der Autorin Margriet de Moor mehrfach über die Aussprache der Bezeichnung für den Landstrich Schouwen-Duiveland, den Ort, an dem der neue Roman „Sturmflut“ spielt. Im Publikum lacht man, hätte doch kaum jemand es besser gekonnt. Margriet de Moor verbessert amüsiert. Ist doch gar nicht so schwer! Das üben wir nochmal! Weiterlesen

Tartarische Küche im Scherbenpark

Alina Bronsky liest aus ihren Romanen

Tatarische KücheUngefähr dreißig Leute sitzen an kleinen Bistrotischen, knabbern an Salzstangen und schlürfen ihren Wein. Ganz unspektakulär betritt eine junge Dame die Bühne des Clubs des Zakk in Düsseldorf und setzt sich auf den vorbereiteten Platz, vor den vorbereiteten Tisch mit Krug und Wassergläsern. „Angela kommt gleich,“ sagt sie und blickt neugierig ins Publikum, das urplötzlich mit Aufmerksamkeit reagiert. Wer auch immer Angela ist, diese Frau auf ihrem Stuhl, mit aufgestützten Armen auf dem Tisch, ihre beiden Bücher, gespickt mit gelben Notizzetteln als Lesezeichen, vor sich, zieht bereits die Blicke auf sich. Alina Bronsky wirkt zurückhaltend, reserviert freundlich, aber auch außerordentlich präsent und wach. Angela, zu mehr als dem Vornamen scheint die Zeit nicht zu reichen, folgt tatsächlich wenige Sekunden später und begrüßt die zahlenden Gäste und die Autorin zur Veranstaltung Zomerlezen. Weiterlesen

Mimis Verhöre: René Appel

Ein Interview mit dem niederländischen Krimiautor

René AppelRené Appel, Jahrgang 45 gehört zu den bekanntesten Autoren des niederländischen Kriminalromans. Seine Krimis sind anders …. spannend, bedrückend und berühren unser Innerstes, weil sie immer wieder von Menschen berichten, die wir selbst sein könnten; von solchen, die neben uns im Büro sitzen, beim Bäcker die Brötchen holen oder unsere Kinder unterrichten. Sie lassen uns nicht los, seine Geschichten. Zunächst Lehrer und Dozent für Sprachwissenschaften, rezensierte Réne Appel beim NRC Handelsblatt die Krimis seiner zukünftigen Kollegen, bis er schließlich Ende der 80ger Jahre selbst zur Feder griff. Inspiriert wurde er von Autorinnen wie Ruth Rendell und Patricia Highsmith. Leider sind nur insgesamt vier Romane und zwei Kinderbücher von ihm ins Deutsche übersetzt. Es bleibt zu hoffen, dass es weitere pfiffige Verleger geben wird, die auf diesen Autoren aufmerksam werden. Für Einseitig.info hatte Marie van Bilk die Gelegenheit, den Autor zu seinem Werk zu befragen. Weiterlesen

Harry Mulisch – Der Letzte der große Drei

Der Himmelsentdecker feiert seinen Achtzigsten – erster Teil

„Gott wird 80“ titelt die Zeitschrift „Boek“ auf der Sommerausgabe ihres Magazins. Gemeint ist nicht der Vater des Himmels, sondern der Entdecker desselben, Harry Mulisch. Er ist  einer der sogenannten „großen Drei“ der Niederlande. Seine Schriftstellerkollegen Hermanns und Reve sind inzwischen verstorben. Er ist der Letzte der gefeierten Großen und hat, trotz überstandener schwerer Krankheit vor zwanzig Jahren, die ihn locker hätte das Leben kosten können, noch überhaupt keine Lust, das Zeitliche zu segnen. Immerhin fehlt da auch noch etwas… den Nobelpreis würde er nur zu gerne in Händen halten. Jedes Jahr ist man in Literaturkreisen gespannt, ob sein Traum ihm in diesem Jahr erfüllt wird. Aber was soll´s, wenn nicht! Mulisch ist da entspannt. Wenn man sich überlegt, wer den Nobelpreis alles nicht bekommen hat, da sei er mit Proust, Tolstoi, Kafka und  Nabakov in äußerst guter Gesellschaft. Und sterben will er erst mit magischen 88, erfährt man aus einem Interview zu seinem 80sten Geburtstag, veröffentlicht in der Zeitschrift „Knack“. Sterben, für Mulisch, der beim Tod seines Vaters anwesend war, ist eine aktive Handlung, vom Sterbenden gewollt. „Voller Grausen stehe ich an der Wand und sehe, dass er tut, dass er es will, dass der Tod eine Tat ist“, schreibt er in „Selbstporträt mit Turban“. Und auf diese Tat hat er wahrlich noch überhaupt keine Lust. Weiterlesen

Harry Mulisch – Lehrjahre eines Kabbalisten

Der Himmelsentdecker feiert seinen Achtzigsten – zweiter Teil

Harry MulischGlücklicherweise spiegele sich die Welt auch in einem Tautropfen wider, so Mulisch zu Beginn seines Gezeitenbuches. Sein autobiographisches Büchlein kann und soll nur einen Abriss seines Lebens sein. Man müsse sich beschränken, so der Autor. Und so berichtet er von dem Leben seiner Vorfahren und dem seinem zwischen 1927 und 1975 und packt dazu einen alten Koffer mit Papieren, Fotos und Erinnerungen aus: „Nachdem ich den Koffer gelehrt hatte, lag auf dem Boden nur noch Staub und Gries. Als ich genau hinsah, sah ich auch kleine, weißliche Tierchen, die von den Dokumenten gelebt hatten. Die Tierchen! Sie bestanden aus nichts anderem als aus der Materie dieser Papiere. So lebendig waren sie noch nie gewesen. Teile von Briefen, die mein Vater 1916 an der Front an meine Mutter geschrieben hatte, dreißig Jahre später im Internierungslager an mich – hier liefen sie umher, auf Pfoten, als lebendige Vergangenheit.“
Harry träumt von dieser Vergangenheit mit der Haushälterin Frieda, die bis zuletzt all ihre Kraft, ihr Geld und ihre Energie für die Familie opferte. Er träumt vom Vater und seinem Leben mit ihm. Und er weiß, er muss seine Geschichte aufschreiben, um diese Personen in seinem Leben zur Ruhe kommen zu lassen. Weiterlesen

Harry Mulisch – Wege zum Erfolg

Der Himmelsentdecker feiert seinen Achtzigsten – dritter Teil

Seine „Best of Harry“ startet Mulisch mit „Het zwarte licht“. Mit dem „kleinen Roman“ hat er 1956 zum ersten Mal auch kommerziell einen echten Hit gelandet, der ihn finanziell von einigen Sorgen erlöste. Onno Blom beschreibt Mulischs Umzug von Haarlem nach Amsterdam als einen von der Stadt des Vaters in die der Mutter. Für Mulisch ist der Abschied von Haarlem leicht. Für ihn hat die Stadt, trotz aller Kindheitserinnerung auch etwas Morbides. Er sei ein Stadtmensch, äußert er in der „Haagsen Post“. Leben und städtische Betriebsamkeit, zum damaligen Zeitpunkt auch die angenehme Anonymität genießt er. Er müsse sich der Angebote von Kinos, Theatern, Cafés nicht unbedingt bedienen, sagt er. Es reiche, dass er wisse, sie seien erreichbar und vorhanden. Und so lebt er seit über 40 Jahren am Leidseplein mit Genuss und Überzeugung. Weiterlesen

Weniger ist manchmal mehr

Horst Eckerts zehnter Kriminalroman „Sprengkraft“ ist erschienen

SprengkraftNach Nine Eleven und den Anschlägen in London und Spanien wird auch in unseren Medien in regelmäßigen Abständen von der Gefahr geredet, die von radikal-islamistischen Gruppierungen ausgeht. Und nicht nur Innenminister Schäuble rechnet gerade im Wahljahr mit der Verwirklichung des Terroralbtraums. Kofferbomber, die Regionalzüge in Koblenz und Dortmund in die Luft jagen wollten und der aktuelle Prozess gegen die Sauerlandgruppe zeigen, der Terror ist längst da und er ist wie überall auf der Welt, trotz aller Sicherheitsbemühungen, unberechenbar. Denn entgegen der allgemeinen Vorstellung, Terroristen schlössen sich einer militanten Gruppe wie der El-Qaida an und folgten den Vorgaben ihrer Führer, bilden sich kleine, regionale Verbände gewaltbereiter Religionsfanatiker und planen ihre Verbrechen, ohne, dass die Distributoren des Hasses und fundamentalistischen Ideologen sie dazu auffordern müssten. Ein Verein mit ungeschriebenen Aufnahmeregeln also oder einer mit ausgesprochen ehrgeizigen Mitgliedern, denen es um mehr als nur ein Lob ihrer Idole geht, sondern um das himmlische Glück schlechthin und die Durchsetzung der, aus ihrer Sicht, einzig existierenden göttlich legitimierten Glaubensgemeinschaft. Den Anspruch der „einzig wahren Kirche Gottes“ haben im übrigen viele Religionen und nicht wenige ihrer Anhänger haben sich deswegen schon gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Dass das heute noch möglich ist und der Körper eines Menschen gerade von Religionen noch nicht als „Heimstatt seines personalen Selbst“, wie Dieter Schwanitz es in „Das Shylock-Syndrom oder die Dramaturgie der Barbarei“ bezeichnet, respektiert und gehütet wird, ist bei allem Verständnis für jede einzelne, nicht zu begreifen. Genauso wenig zu begreifen ist für viele der weltweit existierende Rassismus und die emotional ausufernden, angstbesetzten Forderungen nach Integration, die in vielen Ländern eher einer Assimilation ähnelt. „Werdet wie wir“, heißt es und wer nicht „wie wir“ wird, gehört automatisch nicht dazu. Man hört ihm vor allem nicht mehr zu. Um Grenzverletzungen unterschiedlicher Manier und um viele taube Ohren geht es in Horst Eckerts zehntem Kriminalroman „Sprengkraft„. „Was wäre, wenn die Bombe zündet?“ fragt sich der Autor und macht gleich einen ganzen Rundumschlag. Er thematisiert Terrorgefahr, Hass, Rassismus, „the clash of civilizations“, Islamkritik, Verführbarkeit, Korruption bei Gesetzesmachern und -hütern und die Bestechlichkeit der Medien. Ein weites Feld und zugleich die Krux des Romans. Weiterlesen

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